Terre des Femmes für Sexkaufverbot

TdF-Aktion: "Aufenthaltsrecht für Opfer von Zwangsprostitution, jetzt!" © Uwe Steinert
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Rund 2.100 Mitglieder waren eingeladen – 52 kamen. Sie debattierten zwei Tage lang so kontrovers über das Thema Prostitution, wie es in den vergangenen Monaten auch öffentlich verhandelt worden war. Ausgrechnet Terre des Femmes schien sich abzuwenden von ihrer früheren Kritik am System Prostitution und Prostitution plötzlich gutzuheißen. Was war geschehen?

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Die vier Referentinnen, die am ersten Tag des Vereinstreffens sprachen, spiegelten die Zerrissenheit: hier Sozialarbeiterin Sabine Constabel und Solwodi-Beraterin Soni Unterreithmeier, beide Prostitutions-Kritikerinnen – da Soziologin Elfriede Steffan, die das Prostitutionsgesetz 2007 evaluiert hatte und von „sexuellen Dienstleistungen“ spricht sowie Henny Engels vom Deutschen Frauenrat. Für den Frauenrat ist der EMMA-Appell „Prostitution abschaffen!“ eine „populistische Kampagne“, stattdessen bekundet er Sympathien für den „Appell für Prostitution“ des „Berufsverbands erotische und sexuelle Dienstleistungen“. 

Am Ende jedoch siegten die Prostitutionsgegnerinnen. 28 gegen 23 Terre des Femmes-Frauen (plus eine Enthaltung) stimmten für die Freierbestrafung, also das Schwedische Modell. Damit ist die Frauenrechtsorganisation im Jahr 2014 wieder auf ihrer ursprünglichen Position angelangt.

Der Auslöser für die Debatte bei Terre des Femmes über die Haltung der Organisation zur Prostitution war ein Auftritt der TdF-Vorsitzenden Irmingard Schewe-Gerigk bei Maischberger im November 2013 gewesen. Dort hatte die grüne Ex-Bundestagsabgeordnete, die das Prostitutionsgesetz von 2002 maßgeblich zu verantworten hat, im Streitgespräch u.a. mit Alice Schwarzer keinerlei Nachdenklichkeit oder gar Selbstkritik erkennen lassen. Im Gegenteil: Die Politikerin a.D., die ausdrücklich als Vorstandsvorsitze von Terre des Femmes aufgetreten war, erklärte: Der Staat müsse sich „nicht einmischen, wenn zwei Menschen einvernehmlich Sex gegen Geld miteinander haben“. Prostitution sei ein „Dienst am Menschen“. 

Nach der Sendung hagelte es Proteste, denn was Schewe-Gerigk da vertrat, stand im diametralen Widerspruch zu der Haltung, die Terre des Femmes bis dato in ihrem Positionspapier offiziell vertreten hatte. Dort hieß es: „TdF bewertet Prostitution als frauenverachtend, denn Frauen und weibliche Sexualität werden zur Ware, einem käuflichen Objekt degradiert. Für TdF ist Prostitution daher mit der Menschenwürde nicht vereinbar.“ Und weiter: „Für TdF ist Prostitution, wie sie sich derzeit in Deutschland gestaltet, Ausdruck eines Machtungleichgewichts zwischen den Geschlechtern und somit Kennzeichen des Patriarchats. Prostitution schützt eine Gesellschaft und ihre Mitglieder keinesfalls vor sexualisierter Gewalt und ist mit der im Grundgesetz verankerten Gleichberechtigung nicht vereinbar.“

Kurzum: Die Position der Frauenrechtsorganisation zur Prostitution war exakt das Gegenteil, was die Vorsitzende im Fernsehen vertreten hatte. Da konnte der Eklat - inklusive Austritte - nicht ausbleiben.

Und er hatte Folgen: Auf einer Vereinssitzung, zu der alle rund 2.100 Mitglieder eingeladen wurden, sollte nun die offizielle Position von Terre des Femmes zur Prostitution nun noch einmal neu debattiert werden. Ergebnis: Vier Wochen, nachdem sogar das Europäische Parlament Prostitution als Verstoß gegen die Menschenwürde bezeichnet und das Nordische Modell empfohlen hatte, positioniert sich nun auch Terre des Femmes für ein Verbot des Sexkaufs. Damit steht die Frauenrechtsorganisation künftig in einer Reihe mit den Projekten Solwodi, KARO, Kofra und Maisha.

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Terre des femmes: Revolte!

Schewe Gerigk bei Maischberger: Schulter an Schulter mit BordellbetreiberInnen.
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Am Dienstagabend dieser Woche legte das ehemalige FDP-Mitglied und seit 1986 Grüne sich öffentlich und vehement pro Prostitution ins Zeug, Schulter an Schulter mit der Betreiberin eines Domina-Studios und dem Manager eines Großbordells. Kaum ausreden ließ die Vorsitzende der Frauenorganisation die ehemalige Zwangsprostituierte Jana oder den Augsburger Kriminalhauptkommissar Sporer. Ganz zu schweigen von Alice Schwarzer, die sie heftig attackierte. Grund: der Appell zur Abschaffung der Prostitution.

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Schewe-Gerigk ist eine der hauptverantwortlichen Politikerinnen für die fatale Prostitutionsreform von 2002. Und wer erwartet hatte, sie blicke aufgrund der desaströsen Folgen des Gesetzes für die Frauen jetzt selbstkritisch zurück, sah sich getäuscht. Im Gegenteil: Sie feierte das bestehende Gesetz und wies jeden Zusammenhang zwischen Prostitution und Menschenhandel kategorisch zurück. Prostitution sei, sagte die Grüne, „ein Dienst am Menschen", der Staat müsse "sich nicht einmischen, wenn zwei Menschen einvernehmlich und gegen Geld miteinander Sex haben“. Sie forderte eine noch weitergehende Liberalisierung des Prostitutionsmarktes!

Das ist besonders erstaunlich, da Schewe-Gerigk zu einer Zeit Vorstandsvorsitzende bei Terre des Femmes wurde, als die Frauenorganisation in ihren Statuten noch für „eine Gesellschaft ohne Prostitution“ eintrat. Für TdF war Prostitution „frauenverachtend“: „Einer Schätzung zufolge arbeiten ca. 400.000 Frauen in der Prostitution“, schrieb TdF noch im September 2011 „und setzen 14,5 Milliarden Euro jährlich um.“ – Zahlen, die die TdF-Chefin in der TV-Sendung allesamt leugnete, ja regelrecht niederschrie.

Was ist passiert in der angesehenen Organisation, die für die „Menschenrechte für die Frau“ eintritt? Wie konnte es dazu kommen, dass jemand, der in einem so zentralen Punkt wie der Prostitution eine völlig konträre Haltung vertritt, Chefin der Organisation wird? Und diese Pro-Prostitutionsmarkt-Politik auch noch im Namen der Organisation propagiert? Und wer hat die ursprüngliche prostitutionskritische Position aus dem Programm von TdF gestrichen?

Denn da steht heute, bei TdF werde „Prostitution kontrovers diskutiert“ – und auf der Mitgliederversammlung im Mai 2014 wolle frau „das Thema Prostitution voraussichtlich erneut diskutieren“. Diese Diskussion hat schon angefangen. Mit Verve. Terre des Femmes muss sich entscheiden.

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