Unterhaltsrecht: Wer zahlt?

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Das Timing war spitze. Fünf Jahre lang hatte sich Heike Preuß durch die Instanzen prozessiert. Denn die alleinerziehende Mutter von vier Kindern hatte es schlicht ungerecht gefunden, dass sie als Ledige von den drei Kindsvätern nur bis zum dritten Lebensjahr der Kinder Unterhalt für deren Betreuung bekommen sollte. Wäre sie mit den Männern verheiratet gewesen, hätte die 44-Jährige das Recht auf jeweils acht Jahre Unterhalt gehabt.
Und dann gab das Bundesverfassungsgericht der Klägerin aus Isselburg am Niederrhein just in dem Moment Recht, als der Bundestag gerade Bundesjustizministerin Zypries' neues Unterhaltsrecht verabschieden wollte. Das war Ende Mai, und zum 1. Juli 2007 sollte das Gesetz in Kraft treten. Daraus wurde nichts. Zypries musste nachbessern.

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Nun ist es am 1. Januar 2008 soweit. Dank Heike Preuß ist das neue Unterhaltsrecht nun ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Gleichstellung nicht ehelicher Kinder mit solchen, die in einer Ehe geboren sind – und insofern eine kleine Revolution. "Die Schere zwischen geschiedenen und nicht verheirateten Elternteilen klaffte zu weit auseinander", heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs.

Der Haken an der Sache: Was die alleinerziehende Mutter Preuß da erstritten hat, hat zwar einen hohen Symbolwert, wird aber dennoch keinen praktischen Nutzen im Portemonnaie der unverheirateten Mütter oder auch Väter haben. Warum? Weil die Gleichstellung zwischen ehelich und nicht ehelich nicht die einzige Innovation des Unterhaltsrechts ist.

Nach Jahreswechsel wird ein neuer Grundsatz gelten: "Nach der Scheidung obliegt es jedem Ehegatten, für seinen Unterhalt selbst zu sorgen" und "eine angemessene Erwerbstätigkeit aufzunehmen". Auch das ist im Grunde revolutionär. Denn diese Sätze bedeuten nichts Geringeres als den Abschied von der Versorgerehe über die Scheidung hinaus. Im Klartext: Eine Ehefrau, die wegen der Kinder zu Hause blieb, kann künftig nicht mehr davon ausgehen, dass sie nach einer Scheidung automatisch das Recht auf Betreuungsunterhalt hat und vom Ex-Gatten weiterhin für ihre hausfrauliche Versorgung der Kinder bezahlt wird. Sie kann ja schließlich arbeiten gehen, sagt die schwarz-rote Koalition. Zumindest ab dem dritten Lebensjahr des Kindes, denn ab dann hat sie einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz.

"Hilft das neue Unterhaltsrecht Ehemännern, ihre Ex-Ehefrauen über den Tisch zu ziehen und sie um den wohlverdienten Unterhalt zu bringen? Oder läutet es endlich den Abschied vom veralteten Modell der Hausfrauenehe ein?", hatte EMMA deshalb schon in der Mai/Juni-Ausgabe gefragt. Die Antworten der befragten Expertinnen ergaben: "Es trifft beides zu."

"Solange Männer erwarten, dass ihre Frau die Kinder versorgt und ihnen den Rücken für ihre Karriere freihält, müssen sie auch die wirtschaftliche Verantwortung dafür übernehmen", empört sich die Rechtsanwältin und ehemalige Berliner Familiensenatorin Anne Klein. Fakt ist: Langjährig verheiratete Ehefrauen, die im Glauben an das bestehende Modell ihren Beruf aufgaben und dafür die gemeinsamen Kinder betreuten, sind jetzt gekniffen. Besonders dann, wenn der Ex-Mann eine zweite (oder gar dritte) Familie gründet. Denn das neue Unterhaltsrecht besagt auch, dass, wenn nicht genug Geld für alle da ist, die Kinder aus erster und zweiter (oder gar dritter) Ehe Vorrang beim Unterhalt haben. Dann folgen auf Platz zwei gleichberechtigt Ehefrau Nummer eins und zwei (oder drei). Im ungünstigsten Fall heißt das: 60-jähriger Vater zweier Kinder verlässt seine gleichaltrige Frau für die junge Sekretärin und streicht seiner Ex-Frau den Unterhalt, weil die neue Frau jetzt ebenfalls Mutter wird.

"Wir finden es richtig, dass der Staat keine überkommenen Familienmodelle fördert", erklärt dagegen Sabina Schutter vom Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV). Und fügt hinzu: "Wir hoffen, dass das neue Gesetz dazu führt, dass sich die Frauen künftig auf das Versorgerehe-Modell nicht mehr einlassen."

Um dazu beizutragen, sollte der Gesetzgeber, der das neue Unterhaltrecht mit einem "Wertewandel" der Familienformen begründet, dann allerdings auch baldmöglichst das Ehegattensplitting abschaffen, das die Hausfrauenehe mit Milliardenbeträgen fördert. Und den Unterhalt der säumigen Väter mit etwas mehr Nachdruck eintreiben: Zwei Drittel aller Väter zahlen nämlich gar keinen Unterhalt für ihr Kinder – weil sie nicht können oder weil sie nicht wollen.

Und jetzt kommen wir nochmal zu Heike Preuß: Der zweite Teil des Unterhaltsrechts hat damit das Recht auf Betreuungsunterhalt bis zum achten Lebensjahr eines Kindes de facto abgeschafft. Das heißt: Der Gesetzgeber hat den Unterhaltsanspruch für die Betreuung ehelicher und nicht ehelicher Kinder zwar vereinheitlicht – aber für beide auf dem gleichen niedrigeren Niveau von drei Jahren. Gelohnt hat sich ihre Klage trotzdem.

Zum Weiterlesen:
Hausfrauen ohne Netz (3/09)
Auslaufmodell Hausfrau (5/08)
Der Tod der Hausfrau (3/07)

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