Fräulein, adieu!

Das Fräulein aller Fräuleins: Fräulein von Bernburg, Lilli Palmer in "Mädchen in Uniform"
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Das Fräulein ist ein Neutrum, von noch nicht erkennbarem Geschlecht. Erst dadurch, dass sich ein Mann seiner annimmt, ihm einen Stand an seiner Seite verleiht, erst dadurch gelingt es dem weiblichen Nukleus den Neutronenmantel zu durchbrechen, erst dadurch kommt seine ganze Strahlkraft zum Vorschein. Anderenfalls bleibt das Fräulein sitzen, kriegt es keinen ab, verblüht; ihm droht Ansehensverlust, das Schicksal einer gesellschaftlichen Randexistenz, als Mauerblümchendasein in den nur geduldeten Nischen unserer Gesellschaft. Das Fräulein reift langsam, aber unaufhaltsam zur „alten Jungfer“ heran.

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Das hat vielen Fräuleins nicht gefallen. Und sie haben begonnen, dafür zu streiten, auch unabhängig von einem Mann Frau sein zu dürfen. Da mussten die Herren, die darüber zu befinden hatten, sich wohl oder übel dieses Themas annehmen. Und sie taten dies erstmalig im Jahr 1869, der Zeit des ersten Aufbruchs der historischen Frauenbewegung. Doch damals wurde mittels einer ministeriellen Verfügung das Ansinnen abgelehnt, auch „unverheirateten erwachsenen weiblichen Personen“ generell die Anrede „Frau“ zu erlauben.

Mit den Nazis war der Titel "Frau" ohne amtliche Genehmigung nicht mehr möglich

Im Juni 1919, das Frauenwahlrecht war gerade eingeführt worden, kam das Thema wieder auf die Tagesordnung. Der Minister befand, im revolutionären Elan jener Jahre, der ledigen Frau könne es nun nicht mehr verwehrt werden, sich Frau zu nennen. Und so geschah’s.

Mai 1937. Die Nazis sind an der Macht. Die Führung der Bezeichnung „Frau“ ist ohne amtliche Genehmigung nicht mehr möglich. Und wenn, dann darf sie auch nur im täglichen Leben benutzt werden. Und auch bitteschön erst ab dem 35. Lebensjahr, wenn der weiblichen Person die entsprechende Reife zukommt. Im behördlichen Verkehr gilt es weiterhin säuberlich zu unterscheiden zwischen „Fräulein“ und „Frau“, und zwar in allen Altersstufen.

Mit einer Ausnahme: Die uneheliche Mutter, sie steht unter dem besonderen Schutz des Führers, darf sich „Frau“ nennen. Allerdings muss sie die Ausnahmeregel erst beim Amt beantragen. Ist die uneheliche Mutter unter 21, muss der gesetzliche Vertreter mitkommen. Ab Dezember des gleichen Jahres gilt die Vergünstigung auch für Adoptivmütter.

Pionierin Marie-Elisabeth Lüders war das Thema auf den Leib geschneidert

Im Dezember 1954 beschäftigte sich erstmalig der Deutsche Bundestag mit dem Thema. Dr. Dr. h. c. Marie-Elisabeth Lüders, eine der Pionierinnen der historischen Frauenbewegung und jetzt FDP-Politikerin, war die Berichterstatterin. Auch sie ist nach landläufiger Vorstellung ein „ewiges Fräulein“, da nie verheiratet gewesen. „Der Lüders“ war das Thema auf den Leib geschneidert: Als junges Mädchen besuchte sie in Berlin die Höhere Töchterschule, während des Ersten Weltkriegs leitete sie das Frauenreferat des Kriegsministeriums. Dann, nach dem Krieg, Niederrheinische Frauenakademie und Vorsitzende des Deutschen Akademikerinnenbundes, sowie Frauenvereine auf nationaler und internationaler Ebene.

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg nun wieder Frauenbund und Deutscher Frauenring. Frau Lüders schrieb Bücher zur ,Lebenskunde ungelernter Arbeiterinnen‘, über ,Frauengedanken zum Weltgeschehen‘ oder ,Volksdienst der Frau‘. Frau Lüders also referierte die Position der Bundesregierung zur Fräuleinfrage und ließ wissen, dass der Herr Minister des Inneren hinsichtlich der Zulassung des Titels „Frau“ auch im amtlichen Verkehr keine Bedenken mehr habe. Ja sogar die Mindestaltersgrenze von 35 Jahren scheine dem Herrn Minister willkürlich, und er wolle sie gerne auf 21 Jahre absenken. Der Weg war frei für die Frau – unabhängig vom ehelichen Stand.

Aber es gibt auch Frauen, sogar Feministinnen, die "das Fräulein" schmerzlich vermissen. Die ehemalige EMMA-Redakteurin Cornelia Filter zum Beispiel. Für sie rochen die Fräuleins der 50er Jahre nach Lavendel und verströmten gar subversive Kraft. Hier zum ganzen Text "Fräuleins for future"

 

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