Jetzt auch noch verschleierte Emojis?

© Rayouf Alhumedhi
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Neulich erst gab es eine witzige Satire auf Der Postillon. Die handelte davon, dass ein Großmufti aus Saudi-Arabien Whatsapp dazu zwingt, Emojis zu verschleiern. Zur Sicherheit - schließlich sei nicht eindeutig zu erkennen, ob es sich bei den drolligen Icons um „Männer oder womöglich eben doch um glatzköpfige Frauen“ handele. Da haben wir noch geschmunzelt. Haha, verschleierte Emojis!

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Ihr Vater ist Kultur-Attaché für die Saudische Botschaft in Berlin

Die Idee wird jetzt vielleicht Realität: Ein 15-jährige Schülerin aus Berlin, Rayouf Alhumedhi, hat einen Antrag an das „Unicode-Konsortium“ geschickt. Die Non-Profit-Organisation verwaltet die Emojis und sammelt Vorschläge für neue Darstellungsformen.

Rayouf ist in Saudi-Arabien aufgewachsen. Sie trägt das Kopftuch, seit sie 13 ist. Ihr Vater arbeitet als Kultur-Attaché für die Saudische Botschaft und wurde nach Berlin versetzt. Er unterstützt das Vorhaben seiner Tochter.

Noch mehr Unterstützung kommt ausgerechnet von dem Designer und Bestsellerautor Alexis Ohanian, Mitgründer der für organisierten Frauenhass bekannten Online-Plattform „Reddit“. Der machte prompt ein paar Vorschläge fürs Design und reichte den in seiner finalen Ausarbeitung siebenseitigen Antrag mit ein.

Seither wird die 15-Jährige von Medien aus der ganzen Welt interviewt. Der taz erklärte sie, dass der Hidschab ein „Symbol der Freiheit“ wäre. In der Der Washington Post sagte sie: „Ich wollte etwas, das nicht nur mich verkörpert!“ Denn: „550 Millionen Musliminnen auf dieser Welt sind stolz, einen Hidschab zu tragen!“ Das behauptet zumindest Rayouf. 

Was sagen die Frauen dazu, die dafür kämpfen, kein Kopftuch tragen zu müssen?

Was dazu wohl die Frauen aus Saudi-Arabien sagen? Die dürfen ohne Vollverschleierung das Haus nicht verlassen – sonst drohen drakonische Strafen. Oder die Iranerinnen? Die wehren sich seit Jahrzehnten gegen den Kopftuchzwang unter dem Mullah-Regime und haben sich unter Einsatz ihres Lebens immerhin schon soweit vorgekämpft haben, dass ihnen nichts mehr passiert, wenn auf der Straße ihr Haaransatz aufblitzt. Zumindest meistens nicht. Neuerdings werden im Iran wieder systematisch Frauenrechtlerinnen verhaftet. Die Sittenwächter haben den Druck wieder erhöht. (Mehr dazu in der September/Oktober EMMA). Dazu haben die berichtenden Medien Rayouf allerdings keine einzige Frage gestellt.

Und es ist auch nicht ohne Ironie, dass es ab diesem Herbst ja höchstwahrscheinlich tatsächlich schon neue weibliche Emojis geben wird. Die Englisch-Professorin Amy Butcher aus Ohio hatte eine Initiative dafür gestartet, dass Emojis Frauen nicht nur als Prinzessin, Braut und Tänzerin, sondern auch in ganz normalen Berufen zeigen: als Ärztin, Polizistin oder als Bauarbeiterin zum Beispiel. Aber die können wir dann ja auch alle gleich mitverschleiern. 

Übrigens: In Deutschland trägt nur eine von fünf Musliminnen ein Kopftuch. Sie werden wissen, warum.

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Zwangsent- vs. Zwangsverschleierung

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Das Foto verbreitete sich im Rekordtempo im Netz: Drei Polizisten umstellten am Strand von Nizza eine Frau, die einen Burkini und eine hellblaue Tunika samt Kopfbedeckung trägt. Die Tunika zieht sich die Frau gerade unter den strengen Blicken der Polizisten über ihren Kopf.

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Nicht zu Wort kommen Musli-
ma, die weder Niqab noch
Kopftuch tragen

Die Empörung ließ nicht lange auf sich warten: Seht her, mitten in Europa werden Frauen von Polizisten dazu gezwungen, sich am Strand auszuziehen! So also sieht es aus, das Burkini-Verbot in der Praxis!

In den Wochen davor hatten rund 30 französische Strandgemeinden ein solches Burkini-Verbot erlassen. Es wurde inzwischen vom höchsten französischen Verwaltungsgericht gekippt.

Auch in Deutschland war die Sorge über den „mit Waffengewalt erzwungenen Striptease!“ (Welt) groß. „Hört endlich auf, uns vorzuschreiben, was wir anziehen dürfen!“ forderte zum Beispiel das sich als feministisch verstehende Web-Frauenmagazin Edition F. Denn dass „Burkinis verboten werden sollen, steht vor allem für antimuslimische Ressentiments und Angst vor Dingen, die der Scheuklappen tragende Europäer nicht näher kennenlernen möchte“. #WTFFrance (What the fuck France) lautete der Hashtag, der den Protest gegen die Polizei-Aktion bündelte. Zitat: „Lasst uns nicht länger so tun, als wäre Frankreich ein Land von Freiheit und Gleichheit, wenn es das zulässt!“

Diese Debatte platzte, wie passend, mitten in die Diskussion über das - in Frankreich schon seit 2010 vollzogene - Verbot einer Vollverschleierung in Deutschland. Die besorgten Kommentare von vielen Frauen und einigen Männern über die diskriminierte Burkini-Trägerin wurden flankiert von groß bebilderten Erklär-Stücken darüber, was die Muslima an sich heute alles so trägt.

Dabei sind sie in Deutschland in der deutlichen Mehrheit

Im Stern, auf Spiegel Online und auch in der Süddeutschen Zeitung erfahren wir: Vollverschleierung ist nicht gleich Vollverschleierung! Da muss frau schon unterscheiden! Es gibt Vollverschleierung in Blau (Burka) und in Schwarz (Niqab). Mit Sehschlitz, Sehschlitz plus Gitter oder schwarzem, nur leicht durchsichtigem Gesichtsschleier, der das gesamte Antlitz der Frau verdeckt. Es gibt übrigens die Vollverschleierung sogar mit Gesichtsschleier plus zusätzlichem Metallgitter vor dem Mund. Diese unter anderem in Saudi-Arabien verbreitete Variante war den KollegInnen der Tages- bzw. Wochenpresse aber scheinbar nun doch too much, sie blieb unerwähnt.

Kaum zu Wort kommen in diesen Tagen die Frauen aus dem muslimischen Kulturkreis, die weder Burka noch Kopftuch tragen. Das ist übrigens die Mehrheit: Nur eine von fünf Musliminnen trägt in Deutschland ein Kopftuch. Vier tragen keines.

Spät zu Wort kommen durfte die Stadt Nizza. Die erklärte auf Nachfrage der Deutschen Welle, dass die Frau am Strand gar nicht dazu gezwungen worden war, sich auszuziehen. „Die Frau wollte zeigen, dass sie einen Badeanzug trägt - aber keiner hat sie dazu gezwungen, ihr Oberteil auszuziehen", sagt Erwann Le Hô, Sprecher der Stadt. Die Frau habe 38 Euro Strafe gezahlt und kurze Zeit später den Strand ruhig verlassen.

Aber: Immerhin haben sich jetzt wieder alle ganz trefflich empört. Und deswegen, liebe Anti-Rassistinnen, möchten wir euch ein neues Betätigungsfeld vorschlagen: In Ländern wie Iran, Saudi-Arabien, Afghanistan oder Katar werden Tag für Tag unzählige Frauen nicht dazu gezwungen, sich zu entschleiern. Sondern sich zu verschleiern. Von selbsternannten Sittenwächtern wie von der Sittenpolizei, die nicht verschleierte Frauen auf der Straße verhaften. Wer sich dem widersetzt, wird eingesperrt oder auch schon mal gesteinigt.

Und was ist mit den Frauen in Saudi-Arabien und dem Iran?

Darauf wiesen apropos Nizza auch die Iranerinnen von „My Stealthy Freedom“ hin. Sie erklärten: „Wenn Frankreich für seine Kleidervorschriften für Frauen verurteilt wird - dann sollte auch der Iran für seine Kleidervorschriften für Frauen verurteilt werden. Im Namen der 3,6 Millionen 'schlecht verschleierten' Iranerinnen, die allein im vergangenen Jahr von Religionswächtern verwarnt oder eingesperrt worden sind.“

EMMA schlägt folgenden Protest-Hashtag vor: #WTFWorld (What the fuck world).

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