Prostitution: Es tut sich etwas

Für ein Sexkaufverbot: Julia Klöckner, Nina Warken, Dorothee Bär, Anja Weisgerber, Mechthild Heil und Elisabeth Winkelmeier-Becker.
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Die Rede der Bundestagspräsidentin war der Anfang. In einer in der Politik bisher unbekannten Klarheit benannte Julia Klöckner das Elend der Prostituierten und die Schande des deutschen Sonderweges. Während viele Länder Prostitution inzwischen als Verbrechen und schweren Verstoß gegen die Menschenwürde verstehen, ist der Handel mit der Ware Frau und der Frauenkauf in Deutschland noch immer legal eine Geschäftsbranche wie viele, und gibt es kaum Ausstiegshilfen für Frauen. Deutschland ist zur europäischen Drehscheibe für Frauenhandel verkommen, zum „Puff Europas“ (Julia Klöckner).

Am Tag nach Klöckners Rede bei der Verleihung des HeldinnenAwards der Alice-Schwarzer-Stiftung am 4. November in Berlin ging auch Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) nach vorn. Sie erklärte: "Deutschland braucht wie andere Länder auch ein strafbewehrtes Sexkaufverbot für Freier.“ Prostituierte sollten straffrei bleiben und umfassende Ausstiegshilfen erhalten. "Deutschland darf nicht länger das Bordell Europas sein."

Weil zehn Prozent es freiwillig tun, dürfen wir nicht 90 Prozent im Stich lassen

Einen Tag später sagte Anja Weisgerber im ARD-Morgenmagazin: „Wir haben ein Prostituiertenschutzgesetz – und das ist gescheitert. Ziel war, dass die Prostituierten sich anmelden, dass sie sogar Zugang zur Sozialversicherung, Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung bekommen. Tatsache ist, dass nur 10-15 Prozent der Frauen behördlich gemeldet sind. Das heißt, der Rest arbeitet auch jetzt schon im Verborgenen und ist den Zuhältern und Freiern schutzlos ausgeliefert“, klagt die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion. „Die zehn Prozent, die es freiwillig tun, rechtfertigen nicht, dass wir die 90 Prozent im Stich lassen.“

Von Wissenschaftsministerin Dorothee Bär ist schon länger bekannt, dass sie für die Kriminalisierung der Profiteure des Prostitutionsgewerbes ist: also der Freier, Zuhälter, Bordellbetreiber. Das Gleiche gilt für Mechthild Heil, die Vorsitzende der Gruppe der Frauen in der CDU/CSU-Fraktion. Sowie Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU). Die Bundestagsabgeordnete und langjährige Vorsitzende des Rechtsausschusses engagiert sich schon seit vielen Jahren gegen das skandalöse Gesetz.

Arbeitsministerin Bärbel Bas. Polizeipräsident Alexander Dierselhuis. - Fotos: Bundesregierung/Steffen Kugler, NRW-Innenministerium/Caroline Seidel
Arbeitsministerin Bärbel Bas. Polizeipräsident Alexander Dierselhuis. - Fotos: Bundesregierung/Steffen Kugler, NRW-Innenministerium/Caroline Seidel

Eine so breite und mächtige Frauenfront kann deren Partei kaum noch länger ignorieren. Die CSU ist schon länger gegen das Gesetz. Die CDU hatte sich die Freierbestrafung 2024 in ihr Grundsatzprogramm geschrieben. Die Union hatte sich also noch vor den Wahlen eindeutig kritisch positioniert. Sie erklärte, sie sei für die Bestrafung von Freiern und für Ausstiegshilfen für Frauen. Das sei auch die Position von Kanzler Friedrich Merz, heißt es bis heute in den Kulissen der Partei. Doch die Forderung findet sich nicht mehr im Koalitionsvertrag. Wo ist sie geblieben? Die SPD habe sie rausverhandelt. Heißt es.

Die SPD. In der Tat keine erste Adresse in Sachen Frauenrechte. Während der Ampelkoalition waren nur Einzelne, wie die inzwischen aus dem Parlament ausgeschiedene Abgeordnete Leni Breymaier sowie die Abgeordnete und Ex-Parteivorsitzende Saskia Esken für eine Bestrafung der Freier und Ausstiegshilfen für Prostituierte. Und die Europa-Abgeordnete Maria Noichl! Sie kämpft seit vielen Jahren in Brüssel gegen das fatale deutsche Gesetz und die Prostitutionslobby, die die Interessen der Händler mit der Ware Frau vertritt. Die schicken für gewöhnlich „glückliche Sexarbeiter:innen“ an die Medienfront.

Maria Noichl (SPD) mit Überlebenden der Prostitution im EU-Parlament. - Foto: EP/Denis Lomme
Maria Noichl (SPD, Mitte) mit Überlebenden der Prostitution im EU-Parlament. - Foto: EP/Denis Lomme

Und, nicht zu vergessen, Kanzler Olaf Scholz! Er erklärte im Herbst 2023: „Ich finde es nicht akzeptabel, dass Männer Frauen kaufen!“ Auch Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) findet das sogenannte Nordische Modell „durchaus bedenkenswert“. Ihre Heimatstadt Duisburg ist für ihr Rotlichtmilieu berüchtigt, in dem Hells Angels und Bandidos besonders hemmungslos agieren. „Ich sehe das Elend und dass es mit der Zwangsprostitution immer schlimmer wird“, sagte Bas. So wie es jetzt ist, kann es nicht bleiben.“ 

Und nun? Was tun, Frau Bas?

Die Duisburgerin könnte dem Duisburger Polizeipräsidenten Alexander Dierselhuis zuhören. Der ehemalige Staatsanwalt mit Schwerpunkt Organisierte Kriminalität hatte als Experte im Familienausschuss erklärt: „Wir wissen, wo Bordelle sind, aber wir haben nicht den Hauch einer Ahnung, was dort passiert. Wir haben im aktuellen System ein massives Dunkelfeld!“ Weil die wenigen Verfahren wegen Menschenhandel oft scheitern, weil die eingeschüchterten Frauen keine Aussage machen, ist Dierselhuis dafür, den Frauenkauf als solchen zu bestrafen. „Wir hätten dann eine einfach nachweisbare Straftat und damit eine Eintrittstür in die Ermittlungen.“

Saskia Esken und Jasmina Hostert, beide SPD. - Foto: Anne Hufnagl
Saskia Esken und Jasmina Hostert, beide SPD. - Foto: Anne Hufnagl

„Das Schlimme ist, dass wir eine Gesetzeslage haben, die das alles ermöglicht“, sagt Jasmina Hostert. Die frauenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion stammt aus Bosnien und weiß, mit welchen Mitteln Frauen aus Osteuropa nach Deutschland gelockt werden. „Wir haben das verzerrte Bild, dass Prostitution auf Freiwilligkeit basiert und dass der Frau das Spaß macht. Aber der größte Teil der Prostitution in Deutschland ist Zwangsprostitution“. Das sagte sie am 6. November auf dem „Fachdialog“ des Bundesverbandes Nordisches Modell in Berlin. Hostert sieht die entscheidende Stelle auf der Nachfrageseite, den Freiern: „Wir müssen Jungs beibringen, dass Frauen keine Ware sind. Wir müssen die Mentalität verändern und das geht durch das Nordische Modell.“

Wir müssen die Mentalität verändern und Jungs beibringen: Frauen sind keine Ware!

Am 16. November werden sich die SPD-Frauen zu ihrer Bundestagung treffen. Es heißt, rund die Hälfte von ihnen sei (inzwischen) für ein Verbot des Sexkaufs. Das wäre sogar ein relativer Fortschritt, denn vor noch nicht allzu langer Zeit waren 99 Prozent der SPD-Frauen für das fatale, von Rotgrün 2001 verabschiedete Gesetz, das Deutschland zum Einreiseland für Freier, zum „Puff Europas“ machte.

Inzwischen erklären schon zwei, die damals Ministerinnen waren: „Die Reform war ein Fehler.“ Das sagt die damalige Justizministerin Herta Däubler-Gmelin, die „noch keine Prostituierte getroffen hat, die nicht aussteigen würde, wenn sie könnte“. Auch Gesundheitsministerin a.D. Ulla Schmidt ist heute Unterstützerin des Netzwerkes „SPD pro Nordisches Modell“, denn: „Frauen sind keine Ware.“

Und die Linke? Sie war früher pro Prostitution. Ob sich das in der inzwischen verjüngten und verweiblichten Partei geändert hat, ist noch nicht bekannt. Immerhin gibt es heute aber auch dort ein Netzwerk „Linke für eine Welt ohne Prostitution“.

Franziska Brantner, Grüne. - Foto: Nils Leon Brauer
Die Parteivorsitzende der Grünen, Franziska Brantner. - Foto: Nils Leon Brauer

Schließlich die Grünen. Sie sind die ErfinderInnen des Slogans: „Prostitution ist ein Beruf wie jeder andere“. Für sie sind Frauen in der Prostitution „Sexarbeiter:innen“. Doch selbst in diesem Dunkel gibt es ein Licht – und kein kleines. Die Parteivorsitzende Franziska Brantner sei, so heißt es, für ein Sexkaufverbot „nach dem französischen Modell“. Brantner hatte schon als Europa-Abgeordnete den Brüsseler Appell unterzeichnet: „Für ein Europa ohne Prostitution“. In Frankreich gilt Prostitution als schwerer Verstoß gegen die Menschenwürde, werden Freier bestraft, Zuhälter und Bordellbetreiber sowieso, und wird Frauen, die aus der Prostitution aussteigen wollen, geholfen. Soll also recht sein.

Bestrafung der Vergewaltigung in der Ehe:
Nur durch ein überparteiliches Bündnis

Im Jahr 1996 hatte ein überparteiliches Bündnis von Politikerinnen es geschafft, endlich die Bestrafung der Vergewaltigung in der Ehe durchzusetzen. Die galt bis dahin als Herrenrecht. Damals ergriff die SPD-Abgeordnete Ulla Schmidt die Initiative und alle machten mit. 

Es wäre gut, wenn die CDU/CSU-Frauen diesmal die konkrete Gesetzes-Initiative ergriffen und es wäre zu schön, wenn wieder alle mitmachten. Denn Prostitution ist so viel mehr als „nur“ ein Sklavinnenmarkt mitten in Deutschland, auf dem die Ärmsten der Armen aus Osteuropa verschachert werden. „Solange Prostitution legal ist, kann es keine wirkliche Gleichberechtigung geben, nicht zwischen dem ‚käuflichen Geschlecht‘ und den (potenziellen) Frauenkäufern“, sagt Alice Schwarzer. Es geht um Menschenwürde. Für beide Geschlechter.
 

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