Kreil gegen Deutschland

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Tanja Kreil will das letzte deutsche Berufsverbot für Frauen knacken: den Ausschluß der Frauen aus der Bundeswehr. Jetzt verklagt sie die Bundesrepublik Deutschland beim Europäischen Gerichtshof.
Dass sie Geschichte schreiben würde, war eigentlich nicht geplant. Sie wollte einfach nach der Lehre nicht arbeitslos sein. Und weil ihre Firma sie nicht übernehmen konnte und die Chancen für weibliche Energieanlagen-Elektroniker auf dem Arbeitsmarkt gegen null tendierten, bewarb sie sich kurzerhand bei der Bundeswehr. "Ein Job bei der Bundeswehr galt als qualifizierter und sicherer Arbeitsplatz. Es ging einfach um meine Zukunft", sagt Tanja Kreil.
Heute, drei Jahre später, geht es um die Zukunft des gesamten Männerbundes Bundeswehr. Im Frühjahr wird der Europäische Gerichtshof darüber entscheiden, ob endlich auch in Deutschland Frauen der Dienst an der Waffe erlaubt wird und diese Frage sehr wahrscheinlich mit Ja beantworten. Das ist dann auch Klägerin Tanja Kreil zu verdanken.
Die damals 19jährige Azubi aus Hannover war nach dem Ablehnungsbrief vom Wehrdienstberater wild entschlossen. Ihr Lebensgefährte, selber Zeitsoldat, wußte, wo seine Freundin Verbündete finden würde: beim Bundeswehrverband. Die Soldatengewerkschaft, die das Berufsverbot für Frauen schon lange auf dem Kieker hatte, war auf der Suche nach jungen klagewilligen Frauen.
"Die haben mich vorgewarnt, dass es nicht einfach werden würde", erzählt Tanja Kreil. Aber inzwischen hatte sie begriffen, dass "ich das nicht nur für mich mache, sondern auch für viele andere Frauen". Sie nahm die Herausforderung an: "Es wird nicht leicht? Okay, kein Problem."
Mit Unterstützung des Verbands klagte die angehende Elektronikerin 1998 beim Verwaltungsgericht Hannover auf ihr Recht, beim Arbeitgeber Bund nicht als Sanitäterin oder im Musikkorps, sondern in der Panzer-Wartung eingesetzt zu werden - was zwangsläufig auch den für Frauen bisher als tabu erklärten Waffendienst eingeschlossen hätte.
Ein paar Monate zuvor hatte das Truppendienstgericht Nord erstmals Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Waffenverbots für Frauen bekundet. Dort hatte die Bundeswehr-Sanitäterin Bettina Beggerow auf Versetzung in einen anderen Dienstbereich geklagt, in dem sie "Kombattantenstatus" gehabt hätte, sprich: im Kriegsfall Einsatz in der bewaffneten Truppe. Das Truppendienstgericht leitete ihre Klage ans Bundesverfassungsgericht weiter. Das aber nahm sie wegen eines "Formfehlers" gar nicht erst an.
Im Fall Kreil ging man - vorgewarnt durch die Ablehnung des Verfassungsgerichts - gleich einen anderen juristischen Weg. Das Verwaltungsgericht berief sich auf die EU-Richtlinie des freien Zugangs von Frauen zu allen Berufen und legte den Fall dem Europäischen Gerichtshof vor: "Tanja Kreil gegen Bundesrepublik Deutschland".
Der hat nun zu prüfen, ob das EU-Mitglied mit seinem Berufsverbot für Frauen bei der Bundeswehr gegen die Richtlinie verstößt. Ende Oktober schlug EU-Generalanwalt Giovanni La Pergola dem Gericht in seinem "Schlussantrag" vor, "die deutschen Rechtsvorschriften, wonach Frauen in Kampfeinheiten der Bundeswehr grundsätzlich nicht als Freiwillige dienen dürfen, für unvereinbar mit der europäischen Gleichbehandlungsrichtlinie zu erklären."

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Auf den Dienst an der Waffe ist die heute 23jährige Tanja Kreil, die seit vier Jahren als Energieanlagen-Elektronikerin bei Siemens Fließbänder oder Fabrikhallenbeleuchtung repariert, "gar nicht so erpicht". Aber wenn der nun mal zum Job dazugehört, dann "habe ich nichts dagegen". Schon gar nicht im Namen der "Natur der Frau". "Es ist mir doch lieber, ich habe ein Gewehr in der Hand, als im Notfall blöd dazustehen."
Dass der Staat sich hinter der Begründung verschanzt, Frauen müßten vor Feindeinwirkung an der Front beschützt werden, findet Kreil verlogenen "Schnickschnack": "Es ist eine bekannte militärische Strategie, dass die Unbewaffneten zuerst umgebracht werden. Die Sanitäter gehen doch als erstes drauf." Außerdem: "Mir wäre am liebsten, wenn ich einfach als Mensch angesehen würde".
Das ist die 1,57 Meter kleine blonde Frau von Haus aus so gewohnt. Sie wurde "nie als Mädchen erzogen", durfte Papa helfen, wenn Steckdosen installiert und Schalter repariert werden mußten und fand das "ganz toll". Und als Mutter in der Zeitung einen Artikel über "Zukunftsberufe" fand, gab es keine Bedenken gegen eine Bewerbung der Tochter als Elektronikerin.

Überflüssig zu sagen, dass Tanjas "Verlobter", Frank Mevs, ein "ganz toller Hausmann ist, der wäscht und bügelt". Er unterstützt Tanjas Klage, wo er kann. Im Frühjahr erwarten beide "auf alle Fälle ein positives Urteil". Aber dass erst jetzt vormals erklärte FrauengegnerInnen auch von SPD und Grünen plötzlich eine Kehrtwende vollzogen, findet Tanja "scheinheilig.
Jetzt brennt denen der Arsch, weil sie von der Entwicklung überrannt werden". Das werden sie: Laut Forsa-Umfrage finden 52 Prozent der Frauen, dass "Frauen Dienst an der Waffe leisten sollten". Tanja Kreil ist sich sicher: "In 20 Jahren werden die jungen Frauen ganz einfach zur Bundeswehr gehen und entgeistert fragen: Wie, das durftet ihr früher nicht?"

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