Mutter Mutter Kind

Mia, Liam, Ellen
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Diese Kinder haben nicht Mutter & Vater, sondern Mutter & Mutter, denn ihre Mütter lieben Frauen. Sie sind adoptiert, mit in die Frauenliebe gebracht oder per Samenspende gezeugt worden. So haben es auch diese drei Paare gehalten: bei Etheridge & Cypher ist Julie die Birthmother, Melissa die Mother. Charles Foster wurde von Jodie Foster geboren. Und der Neu-Kölner Liam wurde von Mutter Mia auf die Welt gebracht, Ellen ist die Co-Mutter.

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Keiner macht großes Trara. Im Gegenteil. Alle sind ganz gelassen. Da schieben Jodie Foster und eine zweite  Dame einen Kinderwagen durch Hollywood, geben dem entzückenden kleinen Jungen Anschub auf der Schaukel oder hocken mit dem Dotz im Spielplatzsand. Zu lesen ist, daß es sich bei der Dame neben der erfolgreichsten Frau Hollywoods um ihre Lebensgefährtin Sydney Bernard, 45, handelt, die bei der Geburt des kleinen Charles Foster dabei war, und daß sie den Foster-Sproß auch ab und zu ins Bett bringt. Punkt.
Keine fünf Jahre ist es her, da brachte die (angeblich) bevorstehende Mutterschaft einer prominenten Lesbe die Gazetten an den Rand des Nervenzusammenbruchs: "Lesbische Navratilova-Baby vom Horrorarzt" schäumte Bild und fragte tief beunruhigt: "Vererbt die Navratilova ihr Lesben-Gen?" - "Against God's plan", pflichtete der Daily Mirror bei. "Wenn der liebe Gott Humor hat, dann wird er jetzt eine Menge lachen", wußte die Bunte aus himmlischen Sphären zu vermuten. Martinas Kinderpläne haben sich inzwischen offenbar erledigt. Die Horrormeldungen von "Bild" & Co. ebenfalls. Der aktuelle Bild-Kommentar zur Familie Foster: "Angeblich liebt Jodie Frauen und hat sich künstlich befruchten lassen. Ist aber eigentlich auch egal: Hauptsache gesund und happy."
Und auch Gala stellt kurz und knapp fest, das Kind stamme vermutlich von der Samenbank - das sei in Hollywood ein offenes Geheimnis - um sich dann dem Wesentlichen zuzuwenden: Jodies Ansichten über Kindererziehung. Ganz en passant ist da von Fosters "Kleinfamilie" die Rede, die "auch ohne Vater glücklich" ist.
Die Reaktionen der Boulevard-Presse sind kein Zufall - sie entsprechen Volkesmeinung. Denn in der Tat beginnt die 25jährige Arbeit der Frauenbewegung und der Homo-Gruppen, Früchte zu tragen: Homosexualität ist nicht mehr pervers, Lesben und Schwule sind auch Menschen - ja, sie können sogar ein ganz "normales" Paar, mehr noch: sie können sogar Eltern sein. Stars wie Jodie Foster leben einfach offen in einer Zeit, in der das nicht länger selbstmörderisch, sondern möglich ist.
Jodie Foster ist nicht der erste US-Star, der vaterloses Mutterglück wahrmachte: "Es ist ein Junge für Melissa Etheridge und Julie Cypher!" jubelte der Nachrichtensender ABC am 19. November 1998 auf seiner Homepage und verkündete die Geburt des kleinen Beckett um 10 Uhr 27 in Los Angeles, Gewicht: neun Pfund und 140 Gramm.
Becketts große Schwester Bailey Jean ist schon zweieinhalb. Heute wie damals schweigen der Rockstar und die Regisseurin hartnäckig über den "sperm donor", den Samenspender. Nur so viel: Brad Pitt, Schauspiel-Schönling und Freund der Etheridge-Cyphers, sei es nicht, beteuert Melissa. "Birthmother" ist Julie, "Mother" ist Melissa, der "biologische Vater spielt bei der Erziehung keine Rolle. Die Kinder können ihn später kennenlernen, wenn sie das möchten."
Bailey Jean war noch gar nicht auf der Welt, da katapultierte Newsweek Ende 1996 die glamourösen Doppelmütter in spe auf seine Titelseite. Engumschlungen und stolz blickte das Frauenpaar aus amerikanischen Zeitschriftenregalen und warb als prominente Pionierinnen für den "Gayby-Boom" - den Baby-Boom homosexueller Frauen und Männer, die vom Kinderkriegen nicht länger ausgeschlossen sein wollten.
Etwa zur gleichen Zeit hatte die offen lesbische Schauspielerin Amanda Bearse, auch in Deutschland bekannt als Nachbarin Marcy aus der TV-Serie "AI Bundy", ein Mädchen adoptiert. Madonna, die aus ihrer Bisexualität schon lange kein Geheimnis mehr machte, bekam 1996 Töchterchen Lourdes, deren biologischer Vater zwar bekannt, aber dennoch ausgesprochen unwichtig ist. Und nach Jodie Fosters Niederkunft mit Charles wurde auch Schauspielerin und Entertainerin Sandra Bernard Mutter eines Kindes, über dessen Herkunft sie die Welt im Unklaren ließ.
Deutschland hat zwar noch kein prominentes Mütterpaar zu bieten, aber mit Schlagersänger Patrick Lindner und Freund Michael Link ein prominentes Väterpaar, das von der Presse mit erstaunlichem Wohlwollen bedacht wird.
Der Gayby-Boom ist aber schon länger nach Deutschland übergeschwappt. Um 1994 gründeten sich in den Großstädten die ersten Gruppen namens "Lesben mit Kinderwusch" oder "Lesben und Schwule mit Kinderwunsch", und Emma brachte anläßlich der Navratilova'schen Babypläne eine Titelgeschichte zum Thema. Heutzutage geht das Wort "Insemination" — das schlicht die Einführung des Samenkleckses in die Scheide bedeutet - der Szene flüssig über die Lippen, das Thema lesbische Mutterschaft wird in Freundinnenkreisen gern und ausführlich diskutiert, und fast jede kennt ein Frauenpaar, "das jetzt auch inseminiert hat".
Auf den Christopher-Street-Day-Paraden waren in diesem Sommer reichlich Kinderwagen vertreten, geschoben von lesbischen Müttern und manchmal auch schwulen Vätern im mittlerweile obligatorischen eigenen Elternblock. Mittenmang dabei die "Furien und Companjeras", das erste Netzwerk für lesbische Mütter und solche, die es werden wollen. Und seit Ende letzten Jahres vermittelt die Berliner Agentur "Queer and Kids" Lesben und Schwule, die sich zwecks Zeugung zusammentun wollen. 250 Anfragen hat Agenturbesitzerin Susan Darrant seit Gründung aufgenommen, sie selbst möchte mit ihrer Freundin und einem Schwulen-paar zusammenziehen, und zu einem Erziehungskollektiv fusionieren.
Auf dem Balkon des hübschen Kölner Reihenhauses flattert die Regenbogenfahne, im Hausflur steht ein Kinderwagen. Besitzerinnen: Liam, eineinhalb, und seine Mütter Ellen, 36, und Mia, 37. Ellen wollte schon immer Kinder. Mia merkte, daß "ich meinen Kinderwunsch einfach verschüttet hatte."
Mia legte also ihren verschütteten Kinderwunsch wieder frei, und die beiden Frauen begannen mit der Lösung des Spermapro- blems. Versuch Nummer eins: Ein "sehr netter Bekannter". Der war prinzipiell bereit, wurde aber selbst gerade Vater und lehnte ab. Versuch Nummer zwei: Die Gruppe "Lesben und Schwule mit Kinderwunsch" im Kölner Schwulen- und Lesbenzentrum "Schulz". Aber allen zeugungswilligen Männern schwebte die Gründung einer erweiterten Kleinfamilie vor. Das war den beiden potentiellen Müttern zu viel. "Wir sind die Familie. Punkt. Wir brauchten einen Samenspender, keinen Vater." Versuch Nummer drei: Die Samenbank. Also auf nach Holland.
Zwar gibt es auch in Deutschland eine Handvoll Spermiendepots. Aber erstens gebietet die Bundesärztekammer in ihren Richtlinien, daß der Samen nur Ehepaaren zugute kommen darf oder - in Ausnahmefällen - langjährigen unverheirateten Heteropaaren. Falls sich ein Arzt darüber hinwegsetzt, gibt es ein zweites Problem: Laut Bundesverfassungsgericht hat ein Kind das Recht auf Kenntnis seiner Abstammung. Das heißt: Samenbanken dürfen nicht mit anonymen Spendern arbeiten. Ist der Spender aber bekannt, könnte er von der Mutter auf Unterhaltszahlungen verklagt werden - auch wenn vorher anderes vereinbart war. Umgekehrt könnte der Spender ein Umgangsrecht mit "seinem" Kind einklagen.
Auch wenn die potentielle Mutter den Samen selbst mitbringt und schlicht um medizinische Mithilfe beim Plazieren zur richtigen Zeit am richtigen Ort bittet, könnten die Ärztinnen auf rechtlichem Glatteis ausrutschen: Wenn Vater Staat finanziell einspringen muß — zum Beispiel weil die Mutter sozialhilfebedürftig wird - könnte er das Geld gar von Arzt oder Ärztin verlangen. Schließlich haben die Beihilfe geleistet. "Keiner, der bei Sinnen ist, würde in Deutschland sowas machen", sagt Dr. Dirk Propping. Er stellt in seiner Essener Praxis, einer der wenigen deutschen Samenbanken, die Spermien seiner namentlich registrierten Spender verheirateten Paaren mit Fruchtbarkeitsstörungen zur Verfügung. Frauenpaaren nicht. "Das ist einfach ein enormes Risiko", fürchtet der Gynäkologe.
Also Holland. Bei den erfrischend unkomplizierten Nachbarn gibt es die rechtliche Dunkelgrauzone nicht. Dort können Samenspender anonym bleiben. Aber selbst wenn sie sogenannte Ja-Spender sein wollen - dann kann das Kind sie später kennenlernen — sind Unterhaltspflicht und Umgangsrecht trotzdem gesetzlich ausgeschlossen.
Außerdem könnte das holländische Frauenpaar heiraten, und die Co-Mutter den Nachwuchs adoptieren -paradiesische Zustände für deutsche Lesben. Die Adoption des Kindes der Partnerin oder des Partners soll übrigens bald auch in Dänemark möglich sein, in den USA geht das in einigen Bundesstaaten schon länger. Zum Beispiel in Kalifornien, wo sich Co-Mutter Melissa Etheridge so gleiche Mutterrechte- und pflichten sichern konnte.
22 Samenstationen hat das kleine Nachbarland Holland, eine davon ist die "Stiftung gegen ungewollte Kinderlosigkeit" in Hoensbroek kurz hinter Aachen. Ideal für Mia und Ellen, die sich vor drei Jahren auf zahlreiche Fahrten über die Grenze einstellen mußten. Einmal pro Zyklus per Temperaturkurve und Teststreifen den Eisprung feststellen, spontan einen Tag Urlaub nehmen und ab ins Auto. Arzt oder Ärztin plazieren das Sperma und geben zur Sicherheit dem Paar für einen zweiten Versuch eine Portion tiefgefrorene Spermien in einer Thermoskanne mit Flüssigstickstoff mit. Dann ist die Do-it-herself-Methode angesagt.
"Das ist in den Niederlanden alles so normal", schwärmt Mia. Einzige Bedingung für die Befruchtung war ein Vorab-Gespräch mit dem Paar. "Das ist aber nichts Besonderes, die checken einfach ab, ob du noch alle Tassen im Schrank hast."
Mia wurde gleich beim zweiten Versuch schwanger. Jetzt mußte die Sache verkündet werden. Die angehenden Großeltern fielen weg — zu denen haben beide Mütter wg. Homophobie seit Jahren keinen Kontakt mehr. Die Freundinnen freuten sich. Bei den Arbeitskolleginnen hat sich Journalistin Mia "zum Teil auch noch im Wochenbett geoutet, aber das war überhaupt kein Problem." Auch nicht bei Psychologin Ellen.
Blieben die Nachbarn. Die waren dem Frauenpaar, das ganz offen "out" lebte, bis dato wohlgesonnen gewesen. Die Nachbarin links, eine passionierte Hobbygärtnerin, bestellte zusammen mit Mia ihre Rosen, der Nachbar rechts fachsimpelte mit Motorradbesitzerin Ellen über die neue Maschine. Aber ein Baby, würde das durchgehen? Es war Winter, und Ellen sagte zu ihrer schwangeren Freundin: "Du mußt öfter den Mantel aufmachen. Die Leute müssen doch die Chance haben, sich auf das Kind vorzubereiten." Als der kleine Liam geboren wurde, kam die Vermieterin, eine regelmäßige Kirchenbesucherin, mit einer Spieluhr vorbei und erzählte den beiden Müttern, sie habe schon von den "neuen Patchwork-Familen" gehört. "Und die Nachbarn kamen zum Antrittsbesuch und haben uns Strampler geschenkt -wie man das eben so macht, wenn ein Kind gekommen ist", erzählt Ellen. Die Frage nach dem Vater des Kleinen stellte niemand.
Daß die drei eigentlich eine ganz normale Familie sind, haben zwar die Nachbarn zur Kenntnis genommen, nicht aber Vater Staat. Ellen darf sich zum Beispiel nicht freinehmen, wenn Liam Keuchhusten hat und zum Arzt muß. Er ist schließlich nicht ihr Kind. Und außerdem geht das Ganze richtig ins Geld.
Das wollten sich Silke Burmeister und Petra Ruf aus Hamburg nicht bieten lassen. Als Petra Ruf - per Samenspende von Silkes Bruder - vor drei Jahren zuerst Anna und dann Jakob bekam, setzte sie in ihrem Job als Krankenschwester aus und nahm Erziehungsurlaub. Ihre Lebensgefährtin Silke finanzierte so lange die Familie mit ihrer Arbeit als Personalreferentin im Öffentlichen Dienst und zahlte "natürlich weiter Steuern wie 'ne Ledige".
Jetzt wollen Mutter und Co-Mutter tauschen, aber selbstredend hat Silke Burmeister kein Anrecht auf Erziehungsurlaub. Und auch keins auf Ortszuschlag, der einem verheirateten Familienernährer zusteht, immerhin 500 Mark. Nochmal ein Monatsgehalt pro Jahr würde der Kinderfreibetrag ausmachen. Der kann zwar inzwischen auf Großeltern und Stiefeltern übertragen werden, nicht aber auf eine Co-Mutter, die im Gesetz schlicht nicht existiert. Auch nicht in der freien Hansestadt, wo im April die ersten homosexuellen Paare die "Hamburger Homoehe" schlössen. Die ist zwar ein Signal, hat aber eben keine Rechtskonsequenzen.
Silke Burmeister klagt gerade bei ihrem Arbeitgeber und vor dem Finanzgericht die der Frauen-Familie wg. Heiratsverbot vorenthaltenen Zuschläge ein. Am 1. September steht das erste Urteil ins Haus. Daß sie Recht bekommen, daran glaubt Silke Burmeister selbst nicht, aber "es geht uns darum, ein Zeichen zu setzen".
Genau das wollen auch die "Furien und Companjeras". Bei ihrem letzten Bundestreffen haben die rund 120 (potentiellen) Mütter, darunter auch Silke und Petra, Ellen und Mia, einen Forderungs- katalog aufgestellt. Ihre Idee: eine "eingetragene soziale Elternschaft", die beiden Partnerinnen Elternrechte und -pflichten zusichert — von Auskunftsrecht beim Arzt über Zuschlag bei der Steuer. Logisch, aber unrealistisch.
Denn bei dem Gesetzentwurf zur "Eingetragenen Lebenspartnerschaft", den Justizministerin Herta Däubler-Gmelin für Oktober angekündigt hat, wird man sich "dem Thema Kinder sehr vorsichtig nähern müssen", umschreibt Pressesprecher Hans-Hermann Lochen diplomatisch die Tatsache, daß das Thema höchstwahrscheinlich ganz außen vorbleibt. Daß ihr die Adoption von Kindern durch Frauen- oder Männerpaare "entschieden zu weit geht", hatte die Ministerin schon Anfang des Jahres gesagt. Daß das auch für ein Recht auf Insemination gilt, wie es der Lesben und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) fordert, ist naheliegend.
"Es gehört zum Selbstbestimmungsrecht der Frauen dazu, daß sie entscheiden können, ob sie Kinder wollen und wie. Und daß lesbische Frauen mit Kindern leben, ist doch ohnehin schon weitverbreitete Realität", stellt LSVD-Vorstandsmitglied Ida Schillen ganz pragmatisch fest. Abgesehen davon sind die holländischen Samenbanken inzwischen nicht mehr begeistert über die deutsche Invasion: Ihnen gehen langsam die Spermien aus, und es scheint nur noch eine Frage der Zeit, bis deutschen Frauen in Holland der Samenhahn zugedreht wird.
Ida Schillen wird dabei sein, wenn am 6. September Vertreterinnen der Lesben- und Schwulenverbände in Berlin Herta Däubler-Gmelin ihre Wünsche für das Gesetz vortragen werden. Genau wie Maria-Sabine Augstein, die die Bundesgemeinschaft Schwuler und Lesbischer Paare (SLP) vertreten wird. "Wir haben Verständnis, wenn die Adoption außen vor bleibt", sagt die Rechtsanwältin, "aber es ist wichtig, daß die Co-Elternschaft geregelt wird, weil es de facto schon so viele lesbische Familien gibt."
Falls die Adoption im Gesetz nicht vorkommt, kann das für adoptionswillige Paare paradoxerweise eine Verschlechterung bedeuten. Denn bisher gingen Homo-Paare einen Schleichweg: Nur eine Partnerin adoptiert als "Alleinstehende" und mogelt ihre Lebensgefährtin am Amt vorbei. Als geoutete "Eingetragene Lebenspartnerschaft" kann mann und frau das vergessen. Es wird also wohl beim — rechtlich wie menschlich diskriminierenden - Schleichweg bleiben.
Von ihren Erfahrungen mit der Adoption eines Kindes durch ein Frauenpaar weiß Sylvia Guhl einiges zu berichten. "Da hat doch diese Schnepfe beim Adoptionsamt zu uns gemeint: 'Das sag ich Ihnen gleich, für Sie kommt allenfalls ein aidskrankes oder ein mißbrauchtes Kind in Frage!'" erzählt die 40jährige Elektronikerin und kann inzwischen schon wieder drüber lachen. Jetzt ist es gerade günstig, ein bißchen am Telefon zu reden, denn ihre beiden Kinder Philip und Nele hocken gebannt vorm Fernseher. "Da läuft gerade Bibi Blocksberg, davon haben sie so viele Kassetten."
Philip und Nele stammen aus Vietnam. Dort holten Sylvia Guhl und ihre Lebensgefährtin Andrea Kasten sie aus einem Waisenhaus. Im Gegensatz zu Hamburg akzeptierte man in Hanoi zwei Frauen als Eltern und ließ Sylvia den kleinen Philip und Andrea die kleine Nele adoptieren. Wieder in Deutschland, gingen die Hausbesuche durch die Adoptionsbehörde los, die die Elternschaft hierzulande bestätigen und die Kinder einbürgern muß.
Wie lange sie denn planten noch zusammenzubleiben, lautete die Frage an das 15-Jahres-Paar. Und wie sie denn die notwendigen männlichen Bezugspersonen herbeischaffen wollten? "Darauf Andrea im tiefsten Bariton zu der Frau: 'Das kriegen wir schon alleine hin!' Da dachte ich: So, das war's jetzt mit der Adoption." Aber die Behörde stimmte zu. "Bei uns gab's einfach nix zu meckern. Das sind einfach zu geordnete Verhältnisse." Wagemutig ist die Familie mittlerweile aus dem minderheitenfreundlichen Hamburger Großstadtdschungel in das 15.000-Seelen-Kaff Bad Bramstedt gezogen. Sie wollte "ein großes Haus mit Garten", und "daß die Kinder mal 'ne Kuh sehen."
Das Risiko hat sich gelohnt. Im Bad Bramstedter Kindergarten gab's anstandslos Geschwisterrabatt für Philip und Nele, und auch ansonsten fühlt sich die Familie im Ort "sauwohl", nicht obwohl, sondern weil sie vollkommen offen lebt. Was anderes kommt für Sylvia Guhl auch nicht in die Tüte. "Wenn man Kinder hat, muß man ganz offen leben. Sonst denken die Kinder auch noch, wir wären schlecht und böse."
Daß es mit dem Offenleben und der Regenbogenfahne auf dem Balkon funktionieren kann, zeigt sich auch bei Ellen und Mia. "Wir sind für die Leute durch das Kind eher irgendwie normaler geworden", findet Ellen. Und genau das nimmt den Eltern ein Teil der homosexuellen Gemeinde übel. Wenngleich kürzlich bei einer Umfrage des "Schwulen Netzwerks NRW" unter 1.200 Homosexuellen herauskam, daß 40 Prozent der Frauen und 30 Prozent der Männer "gern mit Kindern zusammenleben möchten".
"Mit Kind bist du nach außen erstmal hetero. Wenn wir in eine Frauenkneipe gehen, kommen schon öfter komische Blicke. So nach dem Motto: 'Was wollen denn die Tussis hier?'", erzählt Mia, während sie den Fisch fürs Abendessen vorbereitet. Liam hockt im Ringelhemd mit auf der Arbeitsplatte und giggelt. Ellen, mit der Salatsoße beschäftigt, hat deshalb eine Regenbogenfahne auf dem Kinderwagen gehißt - damit endlich klar ist, daß sich die Mütter dieses Kindes keineswegs in der Kneipe geirrt haben. Allerdings können die beiden jetzt auch problemlos in der Kneipe nebenan verkehren.
Aber wenn die sexuelle Orientierung der Kindsmütter erkannt wird, macht das die Sache auch nicht zwingend besser. Zu stolz ist so manche Hardlinerin auf ihre mühsam erkämpfte Abkehr von der kleinbürgerlichen Familie - und da kommen diese lesbischen Mütter und sind ganz scharf auf das verhaßte Spießermodell? "Totaler Quatsch", sagt Mia. "Ich hab' auch schon in einer 17er-WG gewohnt. Das war nicht weniger spießig. Da gab's genau solche Dogmen." Außerdem lassen die Homo-Hard- linerinnen außer acht, daß der Gayby-Boom durchaus kreative Konstellationen jenseits der klassischen Kleinfamilie zustande bringt: Eine Lesbe und ein Schwuler als Elternpaar, zwei Männer/zwei Frauen als Doppel-Eltern, zwei Lesben plus Freund undsoweiter.
"Die Nachbarn stülpen uns schon ihre Rollenbilder über", sagt Ellen. "Mia ist die biologische Mutter und im Erziehungsurlaub. Ich arbeite und fahre das Motorrad. Und dann kommt es eben vor, daß sich eine andere Mutter mit Mia über die Kinder unterhält, und der Ehemann will mir in der Zeit erzählen, wie er das neue Fallrohr am Haus angebracht hat."
Die beiden freuen sich schon jetzt auf die neue Verwirrung an der Geschlechterfront: Sie wollen ein zweites Kind, und diesmal soll Ellen die biologische Mutter werden — mit zurückgelegtem Samen vom selben Spender. Wie die Nachbarn es verkraften, wenn Mami im Garten ihr Motorrad repariert, wird sich zeigen.
Auch beim Mütter-Doppel Cypher und Etheridge ist mit weiterem vaterlosem Nachwuchs zu rechnen. "Drei, vier oder fünf Kinder können wir uns vorstellen", sagt Melissa. Na denn. Wie die Pläne von Mama Foster aussehen, und welche Rolle Freundin Sydney spielt, darüber herrscht Schweigen. Lediglich im Internet-Foster-Fanclub wird gewispert, man sehe die beiden schon seit fünf Jahren zusammen durch Los Angeles schlendern ... Jodie Foster sagt zu alledem - aus verständlichen Gründen - nichts. Und macht trotzdem, was sie will.
Chantal Louis, EMMA 5/1999

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