Homo-Ehe: Gleiches Erbrecht für alle

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Über das Tempo, mit dem das Bundesverfassungsgericht dem Unterschied zwischen Homo- und Heteroehe den Garaus macht, kann man wirklich nur staunen: Im Oktober 2009 hatte das höchste deutsche Gericht die Ungleichbehandlung von Eingetragenen LebenspartnerInnen in der Hinterbliebenenversorgung für verfassungswidrig erklärt. Zehn Monate später kippte Karlsruhe jetzt auch die höhere Erbschaftssteuer für gleichgeschlechtliche Paare.

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Während heterosexuelle EhepartnerInnen im Todesfall einen Steuerfreibetrag von 307 000 Euro geltend machen konnten, blieben für homosexuelle LebenspartnerInnen nur 5 200 Euro steuerfrei. Hatte das Paar also zum Beispiel ein gemeinsames Haus, konnte der Tod einer Partnerin/eines Partners dazu führen, dass die Hinterbliebene sich entweder hoch verschulden musste, um die Erbschaftssteuer zu bezahlen – oder gar gezwungen war, das Haus zu verkaufen.

Die RichterInnen in den roten Roben erklärten nun: Auch LebenspartnerInnen lebten „wie Ehegatten in einer auf Dauer angelegten, rechtlich verfestigten Partnerschaft“. Mit dem besonderen „staatlichen Schutz von Ehe und Familie“ lasse sich die Ungleichbehandlung also „nicht rechtfertigen“.

Ganz überraschend kam diese Entscheidung nicht. Wer die Karlsruher Urteilsbegründung von 2009 genau gelesen hat, konnte ahnen, dass bald die nächste Ungleichbehandlung von Homo-Paaren unter den Hammer kommen würde. Das Gericht hatte nämlich bei seiner Entscheidung, die de facto nur die Hinterbliebenenversorgung im Öffentlichen Dienst betraf, sehr grundsätzlich argumentiert:

Aus Artikel 6 der Verfassung („Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung“) lasse sich nicht ableiten, dass „andere Lebensgemeinschaften im Abstand zur Ehe auszugestalten und mit geringeren Rechten auszugestalten sind“. Mit diesem so genannten „Abstandsgebot“ hatten die (meist bayerischstämmige) Gegner der Homo-Ehe stets argumentiert. Zu unrecht, wie Karlsruhe jetzt erneut darlegte.

Daher ist es nur jetzt noch eine Frage der Zeit, bis die nächste und – neben dem Recht auf Adoption und Insemination – letzte Ungleichbehandlung der Homo-Ehe in Karlsruhe landet: das Ehegattensplitting, also die gemeinsame Besteuerung eines Paars. Schon jetzt liegen drei Verfassungsbeschwerden homosexueller Paare auf dem Schreibtisch.

Während die FDP die Gleichstellung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft auch im Steuerrecht fordert, legte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bereits sein Veto ein. Begründung: Ziel des Ehegattensplittings sei „die Förderung der Ehe, insbesondere im Hinblick auf ihre bleibende Bedeutung als typische Grundlage der Familie mit Kindern“. Schließlich entfielen 90 Prozent der Splittingwirkung auf Ehepaare mit Kindern.

Hier irrt Minister Schäuble gleich doppelt. Erstens wachsen auch in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften längst mindestens 30000 bis 35000 Kinder auf, wohingegen jede dritte Hetero-Ehe kinderlos bleibt. Zweitens gehen laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung nicht etwa zehn Prozent der 33 Milliarden Euro, die der Staat alljährlich ins Splitting pumpt, an kinderlose Ehepaare – sondern 43 Prozent, also fast die Hälfte.

Am stärksten profitieren traditionelle Ehen mit großem Einkommensgefälle. Beispiel: Verdient der Ehemann 110000 Euro im Jahr, die Ehefrau hingegen nichts, dann wird dieses Ehepaar durch die gemeinsame Veranlagung mit 8000 Euro steuerlich subventioniert. Verdienen beide Partner ganz gleichberechtigt 55000 Euro, haben sie keinerlei Steuervorteil. Das Ehegattensplitting fördert also nicht etwa die Ehe – sondern die Hausfrauen-Ehe.

Und genau deshalb geht EMMA – die die Homo-Ehe 1984 zum ersten Mal gefordert hatte – bei der Forderung nach der Ausweitung des Ehegattensplittings auf Eingetragene Lebenspartnerschaften nicht mit. Denn das reaktionäre Hetero-Modell auf Homo-Partnerschaften zu übertragen, kann nicht Sinn der Gleichstellung sein.

Stattdessen sollten die PolitikerInnen, die Homo-Paaren den Steuervorteil so gern gewähren möchten, dies zum Anlass nehmen, die Abschaffung des Splittings zu fordern. Am Ende könnte dann ein ganz neues Modell stehen. Eins, das Steuervorteile nur den Hetero- und Homopartnerschaften gewährt, in denen tatsächlich Kinder aufwachsen. Das wäre dann wieder eine echte Revolution. Und die könnte doch zur Abwechslung auch mal in Berlin angezettelt werden.          

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