Weidel-Interview: Berliner Spektakel
Das auf freier Bühne geführte Interview ging in der zweiten Hälfte vollends in den Geräuschen vom anderen Ufer der Spree unter. Zu den Rufen gesellte sich nun ein auf einen Bus montierter Lautsprecher, der mit seinen Gesängen das ganze Regierungsviertel beschallte. Niemand unterbrach das Gebrüll. Der Moderator fragte höflich weiter und die Interviewte antwortete eisern lächelnd und unverdrossen. Selbstverständlich hätte Markus Preiß das Gespräch abbrechen und eine Wiederholung zu einem späteren Zeitpunkt ankündigen müssen. Das hätte ein journalistisches Mindestmaß an Fairness geboten.
Die Zuschauer dürften geteilt gewesen sein. Die AfD-Gegner (27 Prozent sind für ein Verbot der Partei, Allensbach) dürften zufrieden sein. Tenor: Sicher, so etwas kann man eigentlich nicht tun, den Gegner mundtot machen. Aber es trifft die Richtigen. Der AfD sei es gegönnt.
Ein journalistisches Mindestmaß an Fairness: ein Abbruch des Gespräches
Die AnhängerInnen und SympathisantInnen der AfD aber dürften empört gewesen sein. Denn diese Sendung muss sie in der Auffassung bestärkt haben, dass der AfD Unrecht geschieht und ihre Chefin Alice Weidel wieder einmal mundtot gemacht werden sollte. Das dürfte die Radikalisierung der AfD-Wähler (deren Mehrheit früher die etablierten Parteien gewählt hat) beschleunigen.
Vor kurzer Zeit war die Mehrheit der AfD-Wähler noch Protest-Wähler, inzwischen identifiziert sich schon jeder und jede zweite der zehn Millionen AfD-Wähler voll mit der AfD (laut Allensbach-Umfrage).
Bleiben noch solche wie ich. Ich bin keine AfD-Sympathisantin, sondern nur ganz allgemein für Fairness und Dialog. Und für Klarheit. Also entweder die AfD ist beweisbar eine demokratiefeindliche Partei und gehört verboten. Oder sie ist eine zwar unbequeme und tendenziell rechtsradikale Partei, die sich jedoch noch innerhalb des Parteienspektrums von links bis rechts bewegt. Dann muss sie als größte Oppositionspartei angemessen behandelt werden.
Dasselbe gilt für das jetzt von links geforderte Verbot der AfD. Das den Parteien, die es fordern, nutzen würde. Ein Verbot, das allerdings weder die Medien noch die Konkurrenz-Parteien beschließen können, sondern Richter entscheiden.
Ich bin überzeugt, dass nicht nur der Versuch eines AfD-Verbotes, sondern auch dieses Interview-Spektakel in Wahrheit Alice Weidel nutzt. Es war nichts als eine Selbstversicherungs-Aktion: Wir sind die Guten – und die sind die Bösen. Es war nichts, was die Schwankenden oder gar Enttäuschten überzeugt. Dabei kommt es doch darauf eigentlich an!
Einmal abgesehen von der großen Gefahr, dass die AfD aus solch einem Verbots-Versuch heil und gestärkt hervorgehen könnte, einmal abgesehen davon gibt es nicht nur links und rechts, gut und böse. Es gibt auch Zwischentöne. Und die werden durch die angeheizte Polarisierung verdeckt, ja vernichtet. Ja, wehret dem Faschismus! So es denn wirklich einer ist. Bis zum Beweis gilt darum auch für die AfD: Statt Brüllen und Verbieten besser Zuhören und Argumentieren.
ALICE SCHWARZER