Ask Alice! Warum nimmt mein Chef mich nicht ernst?

ich genieße im Alter von 32 Jahren meine erste Schwangerschaft und freue mich schon sehr auf das Kind. Aktuell arbeite ich noch in meinem Job im Finanzwesen. Um dorthin zu kommen, habe ich ein BWL-Studium abgeschlossen und plane, nach spätestens anderthalb Jahren Karenz wieder zumindest für 30 Stunden in den Beruf zurückzukehren. Dann will mein Mann noch ein paar Monate in Karenz gehen, um sich um unser Kind zu kümmern.

Leider nimmt mein Chef meinen Berufswillen nicht ernst. Immer wieder konfrontiert er mich mit der Aussage, dass ich vielleicht gar nicht zurückkommen werde, weil mich der Job nicht mehr interessiert, sobald das Kind auf der Welt ist. Mein Angebot, schon während der Karenz für ein paar Stunden pro Woche der Firma zur Verfügung zu stehen, tat er als Hirngespinst ab.

Ich arbeite, seit ich 17 bin, und komme aus einer Familie von alleinerziehenden Frauen, die immer gearbeitet haben. Argumente meinerseits, dass ich meinen Job mag, lässt mein Chef nicht gelten. Er meint nur, dass er mich nicht als Karrierefrau einschätzt: Ich solle lieber zu Hause bleiben. Mein Chef ist 37, hat eine Tochter im Grundschulalter und ist verheiratet. Seine Frau arbeitet Teilzeit.

Warum nimmt mein Chef mich in keinster Weise ernst? Die Geschäftsführung grüßt mich auch nicht mehr. Mittlerweile freue ich mich richtig auf den Mutterschutz, um diesem Schwachsinn nicht mehr länger ausgeliefert zu sein.

Alles Liebe, deine verärgerte, verwunderte und enttäuschte

Irene, 32

 

Liebe Irene,

gute Frage: Warum nimmt dein Chef dich nicht ernst? Liegt es an ihm – oder an dir? Oder an beiden? Ich kann das aus der Ferne, ohne mehr von deiner Arbeit zu wissen, nicht wirklich beurteilen. Ich kann nur sagen: Lass dich auf gar keinen Fall von ihm entmutigen!

Wenn es dir ernst ist, dass du nach anderthalb Jahren wieder berufstätig sein willst (vielleicht besser nach einem Jahr?), dann zieh das durch! Beweise es allen, auch deinem Chef!

Doch wenn du das Gefühl hast, dass dein Chef eigentlich nicht gerne mit dir arbeitet, warum auch immer, und die Gelegenheit nutzen will, dich loszuwerden – dann suche dir eine neue, vielleicht bessere Stelle. Aber kündige nicht, bevor du nicht einen anderen Job hast. Vermutlich musst du rein rechtlich nach dem Mutterschutz auch erst mal zurück in deinen alten Job. Und dann könntest du dir, wenn sich dein Unbehagen bestätigt, einen neuen suchen.

Deine Mutterschaft wird auf jeden Fall auch für dich eine sehr ernst zu nehmende Hürde im Beruf sein. Das ist der Moment, in dem viele Frauen aussteigen bzw. erst zu spät wieder einsteigen. Und dann eben oft nur Teilzeit, was die Karrierechancen stark mindert. Zukunftsaussicht: Altersarmut.

Außerdem verändern sich in der Phase erfahrungsgemäß oft auch die Männer. Sie gewöhnen sich daran, dass die Frau sich um das Kind kümmert und ihnen zu Hause den Rücken freihält. Auch wenn das bei dir zum Glück nicht der Fall zu sein scheint, musst du es im Auge behalten.

Wenn du deinen Beruf wirklich liebst – und das hört sich ganz so an – bleibe dran! Halte zu deinen KollegInnen im Betrieb Kontakt, mache vielleicht eine Fortbildung, biete deine Hilfe während des Mutterschaftsjahres auch noch mal an, wenn das Kind da ist.

Doch jetzt drücke ich dir erst mal die Daumen für das Kind – und danach für beides: Elternschaft & Beruf!

Herzlich
Alice