Das Pascha & der Spiegel

Der Geschäftsführer Armin Lobscheid im Kölner Laufhaus "Pascha". - Foto: Peter Rakoczy/KStA
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Das Kölner Pascha ist insolvent, offenbar nun endgültig. Ist es jetzt also vorbei mit der Sexfabrik in der Hornstraße? Nutzt die Stadt Köln die coronabedingte Pleite, um das auch für sie bisher rentable Geschäft mit der Ware Frau zu stoppen? Es sieht nicht so aus. Gerade laufen sich schon die nächsten warm, um das Großbordell zu übernehmen.

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Der Kölner Express, der sein Ohr stets ganz dicht am Milieu hat, weiß: „Internationale Investoren“ bieten angeblich Millionen für die Übernahme des Massenbordells. Als neuer Geschäftsführer ist der Kölner „Szene-Wirt“ Roger Witters im Gespräch. Der wuchs „im Milieu auf“ und trauert den guten alten Zeiten hinterher. („Köln wurde Chicago am Rhein genannt, aber so viel Tote hat es auch nicht gegeben.“) Heute, klagt „Rotsch“, „gibt es keine deutschen Zuhälter mehr“, alles in Ausländerhand. 

Warum stellt der Spiegel dem Pascha-Chef eigentlich keine einzige kritische Frage?

Stimmt. Das Geschäft mit der Prostitution ist längst Sache der Organisierten Kriminalität. Da geht es auch ohne den Gummersbacher Armin Lobscheid, zuletzt Herr des Paschas. Aber bevor er seinen Posten als Geschäftsführer endgültig räumt, durfte der passionierte Jäger dem Spiegel noch einmal sein Leid klagen. Wie schon öfter in der Vergangenheit, Stichwort: armer, bedauernswerter Bordellbetreiber. Anscheinend hat Lobscheid, der zuletzt in den „Corona-Protokollen“ des Spiegel über seine desolate Lage lamentieren durfte, eine Standleitung in die Hamburger Redaktion.

Er könne „schon das Heulen kriegen“, jammert Lobscheid plötzlich zartbesaitet. Warum? Wegen der Kellner, die er hatte entlassen müssen und denen es jetzt „echt dreckig“ geht, weil sie ihren Autokredit nicht mehr abbezahlen können. Und die Frauen? Ach ja, die Frauen. Für die Frauen sei die Situation „auch schlimm“. Warum? Weil sie nicht arbeiten dürfen. Dabei habe man im Pascha doch ein so „effektives Hygienekonzept“ gehabt. Die „Kunden“ hätten sich am Eingang die Hände desinfizieren müssen und auf den Zimmern hätten die Frauen „nur gesichtsferne Leistungen“ anbieten dürfen. Wäre es nicht so traurig, dürfte jetzt gelacht werden. Die Menschen dürfen in Corona-Zeiten in Kinos und Theatern nicht nebeneinandersitzen, sie dürfen ihre Angehörigen nicht in Altersheimen besuchen - aber der Pascha-Chef erklärt allen Ernstes, dass das Pascha eine effektive Hygiene-Strategie bei Geschlechtsverkehr habe?

Die Google-Suche ergibt zwei Mordversuche und einen Mord an Prostutierten im Pascha

Frauen, die sich jetzt außerhalb seines geschätzten Bordells prostituierten, hätten ein Problem, erklärt Lobscheid dem so wohlwollenden Spiegel. Nein, nicht dass sie sich wahrscheinlich infizieren und dann mit Corona und ohne Krankenversicherung in irgendeiner Versenkung verschwinden. Sondern, dass sie „in der Illegalität arbeiten“. Also in Privatwohnungen, Wohnmobilen oder auf Parkplätzen. Da hätten sie „gar keinen Schutz“. Abgesehen davon, dass Prostitution auch in Nicht-Corona-Zeiten völlig ungeschützt in Privatwohnungen, in Wohnmobilen und auf Parkplätzen stattfindet – sprechen wir also mal über den Schutz in einem Laufhaus wie dem Pascha.

Schon die einfache Google-Suche ergibt zwei bekannt gewordene Mordversuche plus einen vollendeten Mord an einer Prostituierten im Pascha: 2003 wurde eine Thailänderin von einem Freier mit Messerstichen in die Brust getötet. Drei Jahre später überlebte eine 23-Jährige die Messerattacke eines Freiers nur knapp. Sein Motiv: „Frust“ vor der drohenden Abschiebung am nächsten Tag. 2015 wurde eine Frau von einem Freier, der sie ausrauben wollte, fast zu Tode gewürgt. Im gleichen Zeitraum wurden in anderen Kölner Bordellen zwei weitere Prostituierte ermordet. Und zweifellos gibt es zahllose weitere Gewaltattacken durch Freier, die die eingeschüchterten Frauen gar nicht erst melden.

Und dann ist da noch die alltägliche Gewalt der Zuhälter. Eine Prostituierte würde „mir nie sagen, wenn Sie einen Zuhälter hat“, erklärte Pascha-Chef Lobscheid, den Alice Schwarzer in einer Talkshow einmal als „White-Collar-Zuhälter“ bezeichnete, dem Kölner Stadtanzeiger. Im Klartext: Wer bei den Frauen im Pascha abkassiert, sobald sie das Haus verlassen haben, will der Bordellbetreiber angeblich nicht wissen.

Eine Frau kommt auf die Welt, um einem Mann zu dienen. Nach dem Motto lebe ich

Hilfsorganisationen wie Solwodi oder KARO können aus dem Stand Frauenhandelsopfer nennen, die im Pascha anschaffen mussten, und die schließlich bei ihnen landeten. Auch in EMMA berichtete eine junge Frau, die von ihrem Vater sexuell missbraucht worden war, im Interview, wie dieser Vater ihre Mutter „ins Pascha geprügelt hat“. Nicht nur diese Mutter wird froh sein, dass der Ort, an dem sie täglich mehrmals von Männern, die Pascha-Chef Lobscheid „Kunden“ nennt, vergewaltigt wurde, jetzt geschlossen ist.

Lobscheid ist darüber „natürlich nicht froh“, aber er sei schließlich „64 Jahre alt und gut abgesichert“. Das glauben wir gern, denn er hat an der Ausbeutung der „Damen“ in seinem Puff ja ausgezeichnet verdient. 160 Euro musste eine Frau für ihr Zimmer zahlen – pro Tag, jede Nacht zahlbar um vier Uhr. Das macht drei Freier à 50 Euro allein für die Miete, oder sechs „Express-Nummern“ à 30 Euro. Macht zwischen 90 und 180 Freier im Monat, nur für die Zimmermiete. Dann hat die Frau noch nichts zu essen. Und in der Pascha-Kasse landet pro Frau eine halbe Million Euro im Jahr!  

Armin Lobscheid hat übrigens eine Frau und zwei Töchter. Denen habe er, erklärt er auf Spiegel online, einen „Fernsehbericht gezeigt“, um zu erklären, was der Papa so macht, wenn er in Köln ist. Ob es wohl der WDR-Beitrag zum 20. Jubiläum des Großbordells war, in dem Pascha-Besitzer Hermann Müller sein Credo in Sachen Frauen erklärte? Das lautet so: „Eine Frau kommt auf die Welt, um einem Mann zu dienen und zu gehorchen. Nach dem Motto lebe ich.“

Der Vater des missbrauchten Mädchens hat seine Ehefrau "ins Pascha geprügelt"

Von der Domstadt in die Hauptstadt: Da hat die CDU/CSU-Fraktion gerade eine neue Stufe im Kampf gegen den Handel mit der Ware Frau eingeläutet. Neben dem strafrechtlich zu verfolgenden Menschenhandel gebe es „einen großen Graubereich, in dem die finanzielle oder emotionale Abhängigkeit insbesondere junger Frauen ausgenutzt wird, um mit ihnen Geld zu verdienen“, heißt es in dem Positionspapier. „Ihre Situation ist oft mit unerträglichen Umständen verbunden, aus denen sich die Betroffenen in vielen Fällen nicht lösen können – mit demütigenden Praktiken, mit bleibenden Verletzungen, mit Gewalt und Bedrohungen. Das führt bei vielen Prostituierten zu Traumatisierung und körperlichen Schäden.“

Vielleicht liest ja auch die CDU-Fraktion im Kölner Stadtrat mal das Papier aus der Hauptstadt. Und überzeugt ihre Koalitionspartner von Grünen und VOLT, ein neues Pascha zu verhindern. Im Namen der elementarsten Menschenrechte. Auch wenn die Stadt dann in Zukunft auf die „Vergnügungssteuer“ aus dem Hause Pascha verzichten müsste.

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Corona: Das Pascha ist pleite!

Die Türen des Pascha sind zu - und bleiben es auch. Foto: imago images/Eibner
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An Corona gibt es eigentlich nichts Erfreuliches, eins aber doch: Das Kölner Pascha ist pleite. Geschäftsführer Armin Lobscheid hat am Dienstag beim Kölner Amtsgericht einen Insolvenzantrag eingereicht. Damit macht Europas größtes Bordell endgültig die Tore dicht.

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Seit dem Corona-Lockdown im März sind in Deutschland die Bordelle geschlossen. Die laufenden Kosten für das zehnstöckige Laufhaus mit angeblich 60 Angestellten wie Handwerker, Köche oder Security-Männern seien nicht mehr länger zu stemmen gewesen, erklärt Lobscheid.

„Eine Frau kommt auf die Welt, um einem Mann zu dienen und zu gehorchen.“ Mit diesem Credo, das er auch beim 20-jährigen Pascha-Jubiläum frank und frei in die TV-Kameras posaunte, war Hermann Müller 1996 angetreten und hatte sein erstes Bordell gegründet: das „Pascha“ an der Kölner Hornstraße. Auf zehn Stockwerken waren hier bis zum Lockdown rund 120 Frauen Männern zu Diensten – mit „Geld-zurück-Garantie“.  

Die Frauen zahlten für ein Zimmer 160 Euro am Tag - das macht 100 Freier im Monat. 

Müller blieb seinem Motto treu: Die Frauen zahlten in dem zehnstöckigen Laufhaus für ein winziges Zimmer 160 Euro – am Tag! Das macht 4.800 Euro im Monat. Das sind, bei Preisen zwischen 30 und 50 Euro, mindestens 100 (!) Freier im Monat allein für die Zimmermiete. Die Miete muss, wie EMMA-Redakteurin Alexandra Eul bei einer fiktiven Bewerbung im Pascha recherchiert hatte, jede Nacht um vier Uhr gezahlt werden.

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Viele Frauen lebten in den Zellen und schliefen in dem Bett, in dem sie auch die Freier bedienten. Das wurde erst mit dem „Prostituiertenschutzgesetz“ 2016 offiziell verboten, ist aber bei einer Sexfabrik, die 24 Stunden geöffnet hat, kaum zu kontrollieren.

Rund eine halbe Million Euro „erarbeiteten“ die Frauen jeden Monat dem Pascha allein mit ihrer Zimmermiete. Als dann der Lockdown kam, beantragte Armin Lobscheid Kurzarbeitergeld – für die 60 Angestellten. Die Frauen gingen leer aus, die seien schließlich „selbstständig“, so Lobscheid.    

Alice Schwarzer zu  Lobscheid: Sie sind ein "White-Collar-Zuhälter"!

Wer sich auf der Website des Pascha umschaute, sah, dass der allergrößte Teil der „Mädchen“, die hier den Möchtegern-Paschas ihre Körper zur Benutzung zur Verfügung stellten (oder stellen mussten), aus Osteuropa und Afrika stammten. Wer sich in den Freierforen umschaute, entdeckte Posts wie diesen: "Moin Mitficker! Was ist das Beste an einem Besuch in Köln? Ein Kurzbesuch in der Hornstraße.“ Sodann schwärmt der „Mitficker“, wie er Kim, den „Kohleneimer“ so richtig „aufgepflockt“ hat. „Endlich mal komplett im Negerarsch!“

2005 nahm die Polizei bei der Aktion „Frühlingszauber gegen Menschenhandel“ 23 Frauen im Pascha fest, davon vier Minderjährige. Sie stammten aus Nigeria. Geschäftsführer Armin Lobscheid erklärte, deren Pässe seien gefälscht gewesen, da könne er halt nichts machen. Auf die Frage, wie er wissen könne, dass die Frauen im Pascha nicht von Zuhältern geschickt und abkassiert werden, antwortet Lobscheid: Für das, was außerhalb des Bordells passiere, könne er natürlich nicht garantieren. Aber: Sollte er von solch einem Fall erfahren, würde er sofort die Polizei informieren. Als er in einer Talkshow vom erfahrenen Rotlicht-Kommissar Helmut Sporer gefragt wurde, wie oft er das denn schon getan hätte, musste der Pascha-Geschäftsführer zugeben: Noch nie. In derselben Talkshow bezeichnete Alice Schwarzer Lobscheid als "White-Collar-Zuhälter".

Lobscheid zum Kommissar: Noch nie die Polizei benachrichtigt.

Umso zynischer ist es, dass Lobscheid mit Blick auf die Pascha-Pleite nun vor den Gefahren warnt, denen die Prostituierten jetzt ausgesetzt seien. „Bulgarische Zuhälter nehmen ihren Prostituierten jetzt das ganze Geld ab“, klagt Lobscheid. Ach, tatsächlich? Und wir dachten immer, Prostituierte arbeiteten freiwillig und selbstbestimmt… Aber nein: „Weil die Nachfrage weiter vorhanden ist, treffen die Frauen sich nun in Hotels, Wohnungen, Autos und Wohnmobilen mit den Männern. Sie genießen nun keinen Schutz mehr, sind ihren Zuhältern und auch Freiern hilflos ausgesetzt.“ Nein, wirklich? Und wir dachten, dass das auch schon vor Corona genauso war...

Und jetzt im Ernst: Das System Prostitution ist menschenverachtend. Es verstößt gegen die Menschenwürde, wenn Männer nur einen Geldschein hinlegen müssen, um den Körper und die Seele einer Frau benutzen zu dürfen. Zumal 90 Prozent dieser Frauen aus den Armenhäusern Europas stammen.       

Ist die Pascha-Pleite der Beginn des Bordellsterbens? Das wäre tatsächlich eine gute Nachricht. Die noch bessere Nachricht wäre, wenn der Staat es nicht Corona überlassen würde, diesem System ein Ende zu setzen - wie es andere europäische Ländern schon getan haben, sondern die Freierbestrafung einführen würde. Denn die schaffen mit ihrer Nachfrage überhaupt erst den Markt. Und eine sehr gute Nachricht wäre es, wenn der Staat den vielen bitterarmen Rumäninnen und Bulgarinnen eine echte Alternative zur Prostitution anbieten würde.

 

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