Die Hollywood-Bloggerin

Melissa Silverstein - © Tina Umlauf
Melissa Silverstein - © Tina Umlauf
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Melissa, was passiert auf deinem Blog Women and Hollywood?
Ich interviewe so viele Regisseurinnen, Drehbuchautorinnen und Produzentinnen wie möglich, deren Filme gerade rauskommen. Meist sind das ja nicht die großen Blockbuster, weil die selten von Frauen gemacht werden. Ich spreche mit den Frauen über ihre Arbeit und darüber, welche Tipps sie für andere Frauen in der Filmbranche haben. Und natürlich geht es um den Sexismus in der Filmwelt. Ich zähle zum Beispiel regelmäßig, wie viele Filme von weiblichen Regisseuren an Festivals teilnehmen. Dann mache ich diese Statistiken öffentlich und sage: Das ist zu wenig! Und die Leute, die mein Blog lesen, haben die Zahlen als Grundlage, um damit zu argumentieren. Im letzten Jahr gab es zum Beispiel Proteste gegen das Festival in Cannes, weil kein einziger Film einer Regisseurin im Wettbewerb war. In 2011 waren nun vier Filme von Regisseurinnen im Wettbewerb. Na also, es geht doch.

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Du mischst dich auch in andere Debatten ein, wie zum Beispiel die über Roman Polanski.
Richtig, auch über diese unglaubliche „Free Polanski“-Kampagne habe ich geschrieben. Ich kann es nicht fassen, dass sogar Frauen da mitgemacht haben. Zum Beispiel habe ich Emma Thompson getroffen, und wir sind über Kindesmissbrauch ins Gespräch gekommen. Da habe ich sie gefragt: Warum steht dann Ihr Name auf der „Free Polanski“-Liste? Und sie sagte: „Ähhh…“. Es war ihr peinlich. Am nächsten Tag war ihr Name von der Liste verschwunden.

Hast du mit deinem Blog eine Art Lücke im Internet entdeckt?
Erstaunlicherweise ja. Als ich Women and Hollywood 2007 gegründet habe, gab es diese Art der kontinuierlichen Berichterstattung über Frauen und Film in der Blogosphäre noch nicht.

Wie bist du zum Bloggen gekommen?
Beim Women’s Media Centre – einem 2005 von Gloria Steinem, Robin Morgan und Jane Fonda gegründeten Netzwerk, das mit Kampagnen die Präsenz von Frauen in den Medien erhöhen will – war ich zuständig für einen täglichen Newsletter mit Nachrichten aus aller Welt. Bei der Recherche dafür habe ich all diese feministischen Blogs entdeckt und fand diese Art der Kommunikation absolut faszinierend! Und dann stellte ich fest, dass niemand über Frauen und Entertainment bloggte. Da dachte ich: Das könnte doch ich machen!

Kannst du davon leben?
Nein. Aber ich bin vor kurzem von Wordpress zu indieWIRE gewechselt, und die übernehmen den Verkauf von Werbung auf meinem Blog. Seither habe ich ein kleines Einkommen, das aber natürlich vom Traffic auf meiner Seite abhängt. Davon kann ich meine Rechnungen nicht bezahlen, aber vielleicht doch eine oder zwei. Außerdem darf man ja nicht nur das Blog sehen: Das Athena Filmfestival in New York, das ich gegründet habe und das das Schaffen von Frauen in den Mittelpunkt stellt, ist zum Beispiel eine direkte Folge aus Women and Hollywood. Oder: Das Internationale Frauenfilmfestival hier in Deutschland hat mich als Jurymitglied eingeladen – und mich wie eine Königin behandelt. Das ist doch verdammt cool (lacht).

Gibt das Bloggen gerade jungen Feministinnen eine Stimme?
Ich bin ja genau zwischen den Generationen und beobachte die Debatte zwischen den Second Wave-Feministinnen der 1970er und 1980er Jahre und den so ­genannten Millenium-Feministinnen seit geraumer Zeit. Und da sehe ich, dass sich die jungen Feministinnen jetzt immer früher zu Wort melden, weil sie durch das Internet bestärkt werden.

Feministische Bloggerinnen haben oft Probleme mit Sexismus im Netz. Wie ist das bei Women and Hollywood?
Nicht so schlimm. Ich glaube, weil ich über Film und Entertainment blogge, nehmen die Leute meine Attacken nicht so ernst. Aber natürlich habe ich immer Kommentare, die mir vorwerfen, Männer zu diskriminieren oder so. Und seit ich bei indieWIRE bin, das mehr von Männern gelesen wird, bekomme ich auch mehr sexistische Kommentare. Aber wenn in den Kommentaren so etwas auftaucht, antworten die Frauen darauf. Und außerdem: Wenn niemand dich hasst für das, was du schreibst, dann machst du deinen Job nicht richtig!

In Women and Hollywood geht es immer wieder auch um die Frauenbilder im Film. 
Aus Filmen entwickeln die Menschen ein Bild von sich selbst. Die Leute gehen am Wochenende ins Kino und was sie da gesehen haben, ist am Montag Gesprächsthema. Deshalb ist es so wichtig, wie Frauen in Filmen dargestellt werden. Manchmal kommen sie ja noch nicht einmal vor. Aber ich zahle genau so viel für eine Kinokarte und mein Geld ist genauso viel wert wie das der Jungs. Und deshalb sehe ich nicht ein, dass ich mich wie ein Stück Scheiße fühlen soll, wenn ich mir einen Film ansehe.

Es geht auch anders. Nehmen wir zum Beispiel den vierfach oscar-nominierten „Winter’s Bone“ von Debra Granik, der zudem praktisch ausschließlich von Frauen gemacht wurde.
Stimmt, bis auf den Kameramann. Der Film hat ein paar Millionen Dollar gekostet, und dann hat er das doppelte seines Budgets eingespielt. Das ist natürlich, verglichen mit den Big Boy’s-Filmen nicht viel, aber für einen solchen Film ein Riesenerfolg! Das ist eine Frage der Perspektive, und ich versuche in meinem Blog, diese Perspektive deutlich zu machen und zu erklären, dass wir einen Film wie „Winter’s Bone“ feiern sollten!

Wie reagiert die Branche auf dein Blog?
Manche Regisseurinnen kommen sogar auf mich zu und fragen, ob ich nicht sie oder ihre Hauptdarstellerin interviewen möchte. Frauen nutzen Social Media stärker als Männer. Wenn du also schlau bist und willst, dass viele Frauen in deinen Film gehen, dann sorgst du dafür, dass Frauen wie ich über diesen Film schreiben.

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