„Frauen haben kein Pflege-Gen!“

Rote Taschen raus, das fordert nicht nur Uta Zech (Mitte). Foto: Oliver Betke
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Ist Ihnen eigentlich beim Thema „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ inzwischen langweilig?
Uta Zech (lacht) Nein, auch wenn das ganz erstaunlich klingen mag. Es gibt ja immer wieder neue Aspekte, die zu dieser Lohnlücke führen.

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Der Gender Pay Gap beträgt im Durchschnitt verlässlich um die 21 Prozent. Deutschland zählt zu den Schlusslichtern in Europa.
Aber in den Köpfen hat sich etwas verändert. Vergleichen Sie es mit der Quote! Die gilt für 104 Pilotunternehmen. Und sie wirkt, zumindest wenn Sanktionen drohen.

Die Hans-Böckler-Stiftung hat dem 2015 in Kraft getretenen Quotengesetz gerade „fehlende Strahlkraft“ attestiert. Wir haben zwar jetzt die verpflichtenden 30 Prozent Frauen in den Aufsichtsräten von DAX-Unternehmen. Darüber hinaus hat sich aber wenig getan, nicht einmal in den Vorständen genau dieser Unternehmen. Das gleiche beim „Entgelttransparenzgesetz“: Klingt gut, bewirkt wenig. Sind die Gesetze einfach zu lasch?
Natürlich würden wir uns schärfere Gesetze wünschen. Dass das Entgelttransparenzgesetz auch für kleinere Betriebe gilt. Wir würden uns auch wünschen, dass die Überprüfung von Gehaltsstrukturen für alle Betriebe verpflichtend ist. Und zwar nach einheitlichen Kriterien. Bisher ist es ja so, dass jedes Unternehmen selbst die Kriterien festlegen und dann sagen kann: Wir haben es probiert - aber es hat nicht geklappt. Und falls sich doch mal herausstellt, dass jemand aus Diskriminierungsgründen schlechter bezahlt wird, dann werden nur die drei letzten Monatsgehälter angeglichen.

Sie sind seit drei Jahren Präsidentin der „Business and Professional Women“ in Deutschland, die den Equal Pay Day lancieren. Fühlen Sie sich von der Politik veräppelt?
Ich versuche, es positiv zu sehen: Alles, was Aufmerksamkeit auf die Lohnlücke und auch die unterschiedliche Beurteilung von Frauen- und Männerarbeit richtet, ist gut. In zehn Prozent der Betriebe machen Mitarbeiterinnen tatsächlich Gebrauch von ihrem Auskunftsrecht gemäß Transparenzgesetz – auch wenn wir nicht wissen, ob sie danach dann tatsächlich geklagt haben. Es gibt also immerhin eine Unruhe.

Inzwischen kennen wir auch den bereinigten Gender Pay Gap, also die Einkommenskluft bei gleicher Qualifikation und gleicher Tätigkeit. Der beträgt nur 6 Prozent. Muss sich also vor allem in den Köpfen der Frauen etwas ändern?
Dieses Argument gibt es, seit wir 2008 den Equal Pay Day initiiert haben: Das es ja eigentlich an den Frauen liegt. Aber das stimmt einfach nicht. Das Problem sind die Strukturen, die Lohngerechtigkeit verhindern. Wir starten quasi zu einem gemeinsamen Rennen. Aber auf der Seite der Frauen liegen Hürden, die sie wegräumen oder über die sie hinübersteigen müssen. Während die Männer geradewegs weiterlaufen.

Was für Hürden?
Na ja, besonders in Westdeutschland war es ja lange so, dass die Idee der Alleinernährer-Ehe galt. Frauen sollten gar nicht berufstätig sein. Dann war es irgendwann okay, dass Frauen etwas dazuverdienen, wo ja Ehegattensplitting und Steuerklasse Fünf herrühren; Besteuerungen, die völlig falsche Anreize setzen. Heute stehen wir immerhin bei Themen wie Kinderbetreuung und Ganztagsschulen etwas besser da. Solche Maßnahmen helfen, dass sich Männer und Frauen bezahlte Erwerbsarbeit und unbezahlte Familienarbeit besser teilen können. Ich bin ja dafür, dass die Elternzeit gesetzlich verpflichtend Halbe-Halbe genommen werden muss. Sonst gibt es einfach kein Geld.

Die gegenwärtige Verteilung der Familienarbeit in Deutschland ist das Gegenteil von Halbe-Halbe. Über 80 Prozent der Väter sind weiterhin voll berufstätig. Die Frauen bleiben zu Hause oder arbeiten in Teilzeit. Das heißt, viele Familien leben auch im Jahr 2019 noch das klassische Modell.
Dabei ist die ökonomische Unabhängigkeit die Voraussetzung für jede andere Unabhängigkeit, das wissen wir. Ich sage deswegen immer: Mädels, sucht euch den richtigen Partner. Einen, der von sich aus aktiv sagt: Wir machen Halbe-Halbe. Und wenn der Chef zu dem Mann sagt: Wenn du Elternzeit nimmst, ist das das Ende deiner Karriere hier – dann sollte er sich einen neuen Job suchen.

Stattdessen wird Müttern Teilzeit oder auch Home-Office als Lösung verkauft. Was sagen Sie denn dazu?
(lacht) Ich liebe ja diese Fotos, auf denen Mütter mit dem kleinen Kind, das schon ganz munter aussieht, vor der Computertastatur sitzt. Und ich denke jedes Mal: Nein! Natürlich kann Home-Office hilfreich sein, um Familienarbeit und Erwerbsarbeit besser zu verbinden. Aber es ist trotzdem völlig unmöglich, in Vollzeit zu arbeiten und in Vollzeit Familie zu machen. Aber wenn schon Home-Office, dann auch für die Väter.

Frauen wählen bis heute eher die schlecht bezahlten Dienstleistungsberufe. Sie sind in den geisteswissenschaftlichen Fächern überrepräsentiert. Männer werden eher Mechatroniker oder studieren Elektrotechnik. Da ist das Gehaltsgefälle doch vorprogrammiert.
Da müssen wir schon in den Grundschulen ansetzen: Mädchen dazu ermutigen, einen MINT-Beruf zu ergreifen; Jungs darin unterstützen, einen Erziehungs- oder Pflegeberuf zu ergreifen. Nein, Frauen haben kein Hege- und Pflege-Gen - und Männer haben auch kein Porsche-Gen.

Es gibt zahlreiche Initiativen, die Mädchen und Frauen zu MINT-Berufen ermutigen sollen. Aber die greifen alle nicht …
Gegenbeispiel: Die Berliner Verkehrsbetriebe suchen seit fünf Jahren explizit nach Busfahrerinnen. Das funktioniert. Die Berliner Stadtreinigung hat schon vor zehn Jahren eine Kampagne für Frauen in den Straßenkehrteams gestartet, anfänglich gegen den Widerstand der Männer. Auch das funktioniert heute. Ich denke, dass wir einfach einen ganz, ganz langen Atem brauchen und weiterhin positive Beispiele setzen müssen. Und wir müssen natürlich den Wert von Arbeit neu definieren.

Inwiefern?
Wer sagt, dass Berufe, in denen Frauen arbeiten, schlechter bezahlt sein müssen? Nehmen sie den sogenannten „Comparable-Worth-Index“. Der stellt vier Kriterien auf, nach denen Arbeit bewertet werden sollte: Wissen und Kompetenz, Verantwortung, psychosoziale Fähigkeiten und physische Anforderungen. Danach werden dann Punkte verteilt. Und Berufe, die die gleichen Punkte haben, müssen auch gleich bezahlt werden. Eine Grundschullehrerin müsste demnach das gleiche verdienen wie ein Elektroingenieur.

Heute ist Equal Pay Day. Was sollen Frauen jetzt tun?
Präsenz zeigen! Mit rotem Schal, mit rotem Schirm oder mit roter Tasche auf die Straße gehen. Aktionen finden sie auf unserer Webseite. Sich informieren, damit man gute Argumente hat. Dass Problem in der Familie und im Freundeskreis thematisieren. Und: Sich mit Männern verbünden. Gleichstellung geht nur gemeinsam!

Das Gespräch führte Alexandra Eul.

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Equal Pay Day im Netz.

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Gender Pay Gap? Bleibt!

© fotolia/biker3
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Manchmal zeigt sich der Verfall einer Idee schon im Titel: Ein „Entgeltgleichheitsgesetz“ hatte die ehemalige Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig (SPD) einst versprochen. Etliche Diskussionen später war es auf ein „Entgelttransparenzgesetz“ geschrumpft. Nun also Transparenz statt Gleichheit. Das ist mehr als ein kleiner Unterschied, es ist eine andere Stoßrichtung. Und es ist noch nicht einmal der kleinste gemeinsame Nenner.

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Die Meinungen über das neue Gesetz klaffen weit auseinander: Von einer „bürokratischen Zumutung“ reden die Unternehmen, von einem zahnlosen Tiger diejenigen, die sich mehr erhofft hatten. „Besser als nichts“ ist noch das netteste, was man über das Vorhaben hören kann. Immerhin: Das „Bundesforum Männer“ begrüßt die Initiative, auch weil der Interessenverband hofft, dass die Männer auch dadurch endlich irgendwann die leidige Rolle des Haupternährers loswerden könnten.

Aus Entgelt-Gleichheit
wurde Entgelt-Transparenz

Worum geht es? Schwesig war einst angetreten, den Gender Pay Gap, die Lohnlücke zwischen Mann und Frau, zu beseitigen. 21 Prozent soll sie nach Angaben des Statistischen Bundesamts noch immer betragen. Rechnet man verschiedene Faktoren wie längere Auszeiten und Teilzeit heraus, bleibt eine „bereinigte“ Lücke von etwa sieben Prozent, die mit so weichen Kriterien wie schlechter Verhandlungsstrategien der Frauen begründet wird. Dagegen wollte der Staat etwas tun.

Der Grundgedanke: Nur wenn Frauen wissen, dass sie weniger verdienen, können sie auch dagegen vorgehen. Deshalb bekommen sie nun einen individuellen „Auskunftsanspruch“ gegenüber ihrem ­Arbeitgeber, vorausgesetzt, sie arbeiten in einem Unternehmen mit mehr als 200 MitarbeiterInnen. Frauen, die sich unterbezahlt fühlen, können nun verlangen, dass das Gehalt einer Vergleichsgruppe offengelegt wird. Nicht von einzelnen Kollegen, sondern nur von einer anonymen Gruppen männlicher Kollegen, die die „gleiche“ oder eine „gleichwertige“ Arbeit erledigen.

Um einem Missverständnis vorzubeugen: Männer und Frauen zu diskriminieren, etwa indem man sie für gleiche Arbeit unterschiedlich vergütet, ist schon heute verboten, allen voran in Paragraph 7 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgsetzes (AGG). Auf dieser Basis gab es schon einige – wenige – Klagen.

Oftmals, so klagten Arbeitsrechtler, fehlte es aber an den entscheidenden Referenzgrößen. Das soll dieses Gesetz nun ändern.

Was ist eine "gleiche" bzw. "gleichwertige" Tätigkeit?

Doch es ist fraglich, ob es das tut. Das fängt schon bei den Begrifflichkeiten an. Was, in aller Welt, sind in unserer modernen, digitalen Arbeitswelt, mit dem ständigen Zwang zur Fortbildung und Weiterentwicklung „gleiche“ oder auch nur „gleichwertige“ Tätigkeiten? Wie wichtig sind Erfahrungsschatz und Fähigkeiten oder Verantwortung und physische und psychische Belastungen?

Erschwerend hinzu kommt, dass der Arbeitgeber die Auskunft auch aus datenschutzrechtlichen Gründen verweigern kann, wenn die Vergleichsgruppe weniger als sechs Mitarbeiter enthält. „Ich habe meine Zweifel, dass das Gesetz den Frauen wirklich etwas bringt“, sagt deshalb Kerstin Neighbour, Partnerin der internationalen Wirtschaftskanzlei Hogan Lovells. Nun kann frau es natürlich trotzdem einfach versuchen. ­Arbeitgeber sind ja nicht per se darauf ­bedacht, Frauen um jeden Preis schlechter zu behandeln als die männlichen Kollegen. Existiert ein Betriebsrat, müssen Frauen sich an ihn wenden. Der Arbeitgeber erfährt gar nicht erst, wer nachgefragt hat. Die Arbeitnehmervertreter sind auch diejenigen, die die Informationen zur Verfügung stellen, also konkret den Mittelwert des Gehalts vergleichbarer Kollegen, inklusive Dienstwagen und sonstigen Sachleistungen.

Interessant dürfte das vor allem in Betrieben sein, die nicht an einen Tarif gebunden sind. Denn alle anderen können sich in vielen Fällen darauf beschränken, die tarifvertraglichen Entgeltregelungen zu nennen. Der Gesetzgeber privilegiert damit ausdrücklich alle tarifgebundenen Betriebe, weil er davon ausgeht, dass die Ungleichheit dort weniger ausgeprägt ist.

Viel Aufwand also für wenig Nutzen. Immerhin kennt jetzt jeder den „Gender Pay Gap“. Vielleicht ist das schon der größte Verdienst des Gesetzes.

Corinna Budras

Die Autorin ist Redakteurin der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

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