„Frauen haben kein Pflege-Gen!“
Ist Ihnen eigentlich beim Thema „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ inzwischen langweilig?
Uta Zech (lacht) Nein, auch wenn das ganz erstaunlich klingen mag. Es gibt ja immer wieder neue Aspekte, die zu dieser Lohnlücke führen.
Der Gender Pay Gap beträgt im Durchschnitt verlässlich um die 21 Prozent. Deutschland zählt zu den Schlusslichtern in Europa.
Aber in den Köpfen hat sich etwas verändert. Vergleichen Sie es mit der Quote! Die gilt für 104 Pilotunternehmen. Und sie wirkt, zumindest wenn Sanktionen drohen.
Die Hans-Böckler-Stiftung hat dem 2015 in Kraft getretenen Quotengesetz gerade „fehlende Strahlkraft“ attestiert. Wir haben zwar jetzt die verpflichtenden 30 Prozent Frauen in den Aufsichtsräten von DAX-Unternehmen. Darüber hinaus hat sich aber wenig getan, nicht einmal in den Vorständen genau dieser Unternehmen. Das gleiche beim „Entgelttransparenzgesetz“: Klingt gut, bewirkt wenig. Sind die Gesetze einfach zu lasch?
Natürlich würden wir uns schärfere Gesetze wünschen. Dass das Entgelttransparenzgesetz auch für kleinere Betriebe gilt. Wir würden uns auch wünschen, dass die Überprüfung von Gehaltsstrukturen für alle Betriebe verpflichtend ist. Und zwar nach einheitlichen Kriterien. Bisher ist es ja so, dass jedes Unternehmen selbst die Kriterien festlegen und dann sagen kann: Wir haben es probiert - aber es hat nicht geklappt. Und falls sich doch mal herausstellt, dass jemand aus Diskriminierungsgründen schlechter bezahlt wird, dann werden nur die drei letzten Monatsgehälter angeglichen.
Sie sind seit drei Jahren Präsidentin der „Business and Professional Women“ in Deutschland, die den Equal Pay Day lancieren. Fühlen Sie sich von der Politik veräppelt?
Ich versuche, es positiv zu sehen: Alles, was Aufmerksamkeit auf die Lohnlücke und auch die unterschiedliche Beurteilung von Frauen- und Männerarbeit richtet, ist gut. In zehn Prozent der Betriebe machen Mitarbeiterinnen tatsächlich Gebrauch von ihrem Auskunftsrecht gemäß Transparenzgesetz – auch wenn wir nicht wissen, ob sie danach dann tatsächlich geklagt haben. Es gibt also immerhin eine Unruhe.
Inzwischen kennen wir auch den bereinigten Gender Pay Gap, also die Einkommenskluft bei gleicher Qualifikation und gleicher Tätigkeit. Der beträgt nur 6 Prozent. Muss sich also vor allem in den Köpfen der Frauen etwas ändern?
Dieses Argument gibt es, seit wir 2008 den Equal Pay Day initiiert haben: Das es ja eigentlich an den Frauen liegt. Aber das stimmt einfach nicht. Das Problem sind die Strukturen, die Lohngerechtigkeit verhindern. Wir starten quasi zu einem gemeinsamen Rennen. Aber auf der Seite der Frauen liegen Hürden, die sie wegräumen oder über die sie hinübersteigen müssen. Während die Männer geradewegs weiterlaufen.
Was für Hürden?
Na ja, besonders in Westdeutschland war es ja lange so, dass die Idee der Alleinernährer-Ehe galt. Frauen sollten gar nicht berufstätig sein. Dann war es irgendwann okay, dass Frauen etwas dazuverdienen, wo ja Ehegattensplitting und Steuerklasse Fünf herrühren; Besteuerungen, die völlig falsche Anreize setzen. Heute stehen wir immerhin bei Themen wie Kinderbetreuung und Ganztagsschulen etwas besser da. Solche Maßnahmen helfen, dass sich Männer und Frauen bezahlte Erwerbsarbeit und unbezahlte Familienarbeit besser teilen können. Ich bin ja dafür, dass die Elternzeit gesetzlich verpflichtend Halbe-Halbe genommen werden muss. Sonst gibt es einfach kein Geld.
Die gegenwärtige Verteilung der Familienarbeit in Deutschland ist das Gegenteil von Halbe-Halbe. Über 80 Prozent der Väter sind weiterhin voll berufstätig. Die Frauen bleiben zu Hause oder arbeiten in Teilzeit. Das heißt, viele Familien leben auch im Jahr 2019 noch das klassische Modell.
Dabei ist die ökonomische Unabhängigkeit die Voraussetzung für jede andere Unabhängigkeit, das wissen wir. Ich sage deswegen immer: Mädels, sucht euch den richtigen Partner. Einen, der von sich aus aktiv sagt: Wir machen Halbe-Halbe. Und wenn der Chef zu dem Mann sagt: Wenn du Elternzeit nimmst, ist das das Ende deiner Karriere hier – dann sollte er sich einen neuen Job suchen.
Stattdessen wird Müttern Teilzeit oder auch Home-Office als Lösung verkauft. Was sagen Sie denn dazu?
(lacht) Ich liebe ja diese Fotos, auf denen Mütter mit dem kleinen Kind, das schon ganz munter aussieht, vor der Computertastatur sitzt. Und ich denke jedes Mal: Nein! Natürlich kann Home-Office hilfreich sein, um Familienarbeit und Erwerbsarbeit besser zu verbinden. Aber es ist trotzdem völlig unmöglich, in Vollzeit zu arbeiten und in Vollzeit Familie zu machen. Aber wenn schon Home-Office, dann auch für die Väter.
Frauen wählen bis heute eher die schlecht bezahlten Dienstleistungsberufe. Sie sind in den geisteswissenschaftlichen Fächern überrepräsentiert. Männer werden eher Mechatroniker oder studieren Elektrotechnik. Da ist das Gehaltsgefälle doch vorprogrammiert.
Da müssen wir schon in den Grundschulen ansetzen: Mädchen dazu ermutigen, einen MINT-Beruf zu ergreifen; Jungs darin unterstützen, einen Erziehungs- oder Pflegeberuf zu ergreifen. Nein, Frauen haben kein Hege- und Pflege-Gen - und Männer haben auch kein Porsche-Gen.
Es gibt zahlreiche Initiativen, die Mädchen und Frauen zu MINT-Berufen ermutigen sollen. Aber die greifen alle nicht …
Gegenbeispiel: Die Berliner Verkehrsbetriebe suchen seit fünf Jahren explizit nach Busfahrerinnen. Das funktioniert. Die Berliner Stadtreinigung hat schon vor zehn Jahren eine Kampagne für Frauen in den Straßenkehrteams gestartet, anfänglich gegen den Widerstand der Männer. Auch das funktioniert heute. Ich denke, dass wir einfach einen ganz, ganz langen Atem brauchen und weiterhin positive Beispiele setzen müssen. Und wir müssen natürlich den Wert von Arbeit neu definieren.
Inwiefern?
Wer sagt, dass Berufe, in denen Frauen arbeiten, schlechter bezahlt sein müssen? Nehmen sie den sogenannten „Comparable-Worth-Index“. Der stellt vier Kriterien auf, nach denen Arbeit bewertet werden sollte: Wissen und Kompetenz, Verantwortung, psychosoziale Fähigkeiten und physische Anforderungen. Danach werden dann Punkte verteilt. Und Berufe, die die gleichen Punkte haben, müssen auch gleich bezahlt werden. Eine Grundschullehrerin müsste demnach das gleiche verdienen wie ein Elektroingenieur.
Heute ist Equal Pay Day. Was sollen Frauen jetzt tun?
Präsenz zeigen! Mit rotem Schal, mit rotem Schirm oder mit roter Tasche auf die Straße gehen. Aktionen finden sie auf unserer Webseite. Sich informieren, damit man gute Argumente hat. Dass Problem in der Familie und im Freundeskreis thematisieren. Und: Sich mit Männern verbünden. Gleichstellung geht nur gemeinsam!
Das Gespräch führte Alexandra Eul.
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