"Kein Preis für Frauenhass!"
Wer bei der Verleihung des Grimme-Preises am Freitagabend über den roten Teppich ins Marler Theater schritt, musste verwundert feststellen: Einer der Preise wurde schon vor der Preisverleihung vergeben.
Es war der 59. Grimme-Preis, der am Freitagabend im Marler Stadttheater verliehen wurde, aber es gab dennoch eine Premiere. Einer der Preisträger bekam zwei Preise - wobei er sich nur über einen gefreut haben dürfte: Jan Böhmermann. Er wurde von mehreren feministischen Initiativen mit dem „Grimmigen Scheißhaufen“ ausgezeichnet. Initiiert hatte die Aktion die Gruppe „Lasst Frauen sprechen!“
Diese Preisverleihung fand wenige Meter neben dem roten Teppich statt. In Vertretung des echten Böhmermann – der eingeladen war, seinen Preis entgegenzunehmen, aber wenig überraschend nicht erschien – hatten die Frauen einen Ersatz-Preisträger aus Pappe aufgestellt. Der bekam einen Stoffhut in Form eines Kothaufens aufgesetzt, auf einem Stück roter Teppich hatten die Protestierenden weitere Haufen aus Plastik drapiert.
„Wir sind hier, weil der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit dem Grimme-Preis für Jan Böhmermann einen Mann auszeichnet, der in seiner Sendung Frauen als Scheißhaufen bezeichnet hat. Das ist unfassbar“, erklärte Eva Engelken, Juristin und Gründerin der Initiative „Frauenheldinnen“ in ihrer „Preisrede“. „Nein zum Grimme-Preis für Frauenhass!“ stand auf den Flyern, die die Frauen vor dem Theater ans Publikum verteilten. Und: „Diese Grimme-Preis-Verleihung ist ein Hohn für alle Frauen!“
In seiner Sendung „ZDF Magazin Royale“ hatte Böhmermann im Dezember 2022 sich mit dem Thema Transsexualität beschäftigt, genauer: mit dem sogenannten „Selbstbestimmungsgesetz“. Dieses Gesetz, das den Wechsel des Geschlechtseintrags durch einen einfachen Gang zum Standesamt ermöglicht und daher biologischen Männern den Zugang zu geschützten Frauenräumen ermöglicht, ist extrem umstritten. Ein Gesetzentwurf liegt immer noch nicht vor, weil Justizminister Buschmann das Problem inzwischen erkannt hat.
Für die Sendung hagelte es einen Shitstorm und massenhaft Programmbeschwerden
Böhmermann jedoch klärte über die Debatte nicht auf, sondern präsentierte in maximaler Einseitigkeit nahezu wortgetreu die Position einer bestimmten Gruppe ideologisierter Trans-Aktivisten, die jede Form der Kritik am geplanten Gesetz als „transphob“ und „menschenfeindlich“ diffamieren. Und Böhmermann diffamierte mit.
Er übernahm die Bezeichnung TERFs für Kritikerinnen des „Selbstbestimmungsgesetzes“, was "ganz ähnlich klingt wie 'Turd'“ (=Scheißhaufen) und erklärte: „Können Sie ruhig verwechseln!“ Der selbsterklärte Journalist lancierte den Hashtag #Turds, damit die Beschimpfung auf Twitter weitergehen konnte. Über EMMA hatte Böhmermann behauptet: „EMMA hetzt regelmäßig gegen Transmenschen“ und spreche „Transmenschen ihre Existenz ab“.
EMMA legte, wie viele andere, Programmbeschwerde bei ZDF-Intendant Norbert Himmler und dem ZDF-Fernsehrat ein. Doch die erklärten: Man habe "keine Verstöße gegen die Programmgrundsätze des ZDF festgestellt".
Böhmermanns "investigative" Sendung fällt öfter durch schlampige Recherche auf
Und jetzt also der Grimme-Preis, mit dem der Deutsche Volkshochschulverband, der den Preis alljährlich vergibt, den Diffamierer auch noch adelt: für die „eigenen Rechercheleistungen“ und „satirisch aufbereitete Informationen, die sonst nur ein Fachpublikum erreicht hätten“.
Das muss auch deshalb verwundern, weil Böhmermann und seine Sendung „ZDF Magazin Royale“ immer wieder durch schlampige Recherche auffallen. Die Sendung muss sich nicht zum ersten Mal den Vorwurf gefallen lassen, dass sie Diffamation über Information stellt.
So ging die „Sendung voller Fehler“ (FAZ) über den CSU-Politiker Christian Schmidt ebenso durch die Medien wie die über den ehemaligen Chef des Bundesamts für Sicherheit und Informationstechnik (BDI), Arne Schönbohm, der kurz nach der Böhmermann-Sendung geschasst wurde. Die Vorwürfe, die „ZDF Magazin Royale“ gegen Schönbohm erhoben hatte, stellten sich allerdings als völlig überzogen heraus, Schönbohm hat gegen seinen Rauswurf geklagt und ist inzwischen wieder in Staatsdiensten. Der „herbeigeböhmermannte Skandal“ (Spiegel) wurde selbst zum Skandal.
Das alles hat die Grimme-Preis-Jury aber nicht abgehalten, dem „Berufs-Diffamierer“ (EMMA), der es mit den Fakten nicht so genau nimmt, den renommierten Preis zu verleihen. Und das ist, mit Verlaub, Scheiße. Für die Diffamierten, aber auch für den ohnehin angeschlagenen Ruf des Öffentlich-Rechtlichen.