Vergewaltigung: Tun es nur die "Fremden"?
Vergewaltigung hat wenig mit sexueller Lust zu tun, sondern vor allem mit Lust an der Erniedrigung und Zerstörung. Das gilt für den Täter im Ehebett oder Park wie im Krieg. Die Gruppenvergewaltigung ist eine Steigerung. Hier rotten sich mehrere Männer demonstrativ zusammen (was auch eine homosexuelle Komponente hat). Darüber herrscht in Deutschland gerade Empörung. Auslöser: 111 Gruppenvergewaltigungen im Jahr 2023 allein in Berlin, also an jedem dritten Tag. Laut Statistik. Mindestens. Denn das sind nur die amtlichen Zahlen. Doch bei Sexualverbrechen ist die Dunkelziffer besonders hoch. Grund: Nicht die Täter schämen sich, sondern die Opfer. Immer noch. Oder sie haben Angst vor Rache, wenn sie sich wehren.
Ist das neu? Nein. Es ging Mitte der 1970er-Jahre los, und war eindeutig eine Reaktion auf die dank Frauenbewegung erstarkenden Frauen. Sie sollten eingeschüchtert, gebrochen werden. So berichtete EMMA 1977 über den Fall Claudia Caputi. Die 18-jährige Italienerin vom Land war als Au-pair-Mädchen in Rom nicht nur vom „Signore“, sondern auf einer Vorstadtwiese auch von sechs jungen Männern vergewaltigt worden, 16-mal. Es war ein Fall von vielen, aber der eine zu viel. Zehntausende Italienerinnen protestierten auf der Straße. Seit Beginn der 70er-Jahre ist die sexuelle Gewalt das Kernthema von uns autonomen Feministinnen. Dafür stehen u.a. Autorinnen wie Kate Millett (mit „Sexus und Herrschaft“, 1970) und Susan Brownmiller (mit „Gegen unseren Willen“, 1975). Feministinnen prägten den Begriff „Sexualpolitik“, also Geschlechterpolitik via Sexualität: vom individuellen Geschlechtsverkehr über den Kindesmissbrauch bis hin zur Prostitution und Vergewaltigung.
Die juristische Verfolgung der Täter bei Gruppenvergewaltigungen ist übrigens besonders schwer. Denn unser Rechtsprinzip setzt die individuelle Schuld voraus. Und die lässt sich gerade bei Gruppenvergewaltigungen oft schwer beweisen. Wer waren die Täter? Wer ist in das Opfer vaginal oder anal eingedrungen? Wer hat ihr seinen Penis in den Mund gestopft? (Das Maul stopfen.) Und wer hat „nur“ zugeschaut?
Warum sind Syrier, Afghanen oder Türken
so viel öfter Vergewaltiger?
Übrigens: Es wurde im Zusammenhang mit Berlin mehrfach geschrieben, vor allem junge Frauen seien die Opfer. Das ist falsch. Nur knapp die Hälfte der 111 Opfer waren unter 40. Seit den 70er-Jahren sind die Gruppenvergewaltigungen nicht weniger geworden, sondern mehr. Bundesweit waren es 2015 noch 400 im Jahr, das hat sich seither fast verdoppelt: 2022 waren es 789. Mindestens. Und ja, das hat auch mit den aus anderen, vor allem islamischen Kulturen kommenden Männern zu tun – und der versäumten Integration. 2010 waren 36 Prozent der Tatverdächtigen „Nichtdeutsche“. 2016 waren es 54 Prozent, jetzt sind es 50 Prozent. Also sind die Nichtdeutschen in der Tat relativ gesehen stark überrepräsentiert, denn ihr Bevölkerungsanteil beträgt real ja nur rund 15 Prozent. Und in diesen Zahlen sind noch nicht die Männer mit Migrationshintergrund, aber deutscher Staatsangehörigkeit erfasst. Warum ist das so? Weil diese Männer aus Syrien, Afghanistan oder der Türkei als Vergewaltiger geboren sind? Gewiss nicht. Aber sie kommen aus Ländern, in denen es keine oder nur eine schwache Frauenbewegung gab und wo die Frauen bis heute auch formal rechtlos, unmündig sind, und Gewalt gegen Frauen und Kinder zu den Sitten gehört. Von dem Recht einer selbstbestimmten Sexualität der Frauen gar nicht zu reden.
Diese Männer sind tausende Kilometer mit den Füßen gegangen, um zu uns zu kommen, aber sie sind diese Tausende Kilometer nicht mit dem Kopf gegangen (Kamel Daoud). Man hätte sie echt integrieren müssen, inklusive Anerkennung unseres Rechtsstaates und der Gleichberechtigung der Geschlechter. Stattdessen hat man ihnen in einem unverantwortlichen Laisser-aller gestattet, die eigenen Mädchen und Frauen auch mitten in Deutschland wie Sklavinnen zu behandeln und die freieren deutschen Frauen zu verachten. Siehe die Silvesternacht 2015 in Köln, in der Horden von jungen, verhetzten Muslimen die deutschen Frauen aus der Öffentlichkeit verjagt haben – so wie sie es schon Jahre zuvor auch in ihren Heimatländern, in Algier, Tunis oder Kairo getan hatten. Statt zu wagen, die Gründe für ihre Frauenverachtung zu benennen – um sie ändern zu können! -, hat man aus Angst vor dem „Rassismus“- oder „Islamophobie“-Vorwurf geschwiegen.
Im Mai 2016 habe ich ein Buch herausgegeben („Der Schock. Die Silvesternacht von Köln“), von dessen acht AutorInnen vier, also die Hälfte, muslimisch waren. „Der Schock“ wurde noch vor Erscheinen als „rassistisch“ diffamiert und wird das bis heute. Ich könnte das Buch jetzt, acht Jahre später, wieder veröffentlichen und müsste kein Komma ändern. Es ist die bisher präziseste Bestandsaufnahme und Analyse dieser schockierenden Ereignisse. Doch es wird bis heute von einschlägigen Kreisen als „rassistisch“ und „islamophob“ geblamed.
Zu diesen Kreisen gehören auch die woken, selbsternannten „intersektionalen Neofeministinnen“. Auch das ist nicht neu. Ulf Poschardt beklagte in einem Kommentar in der Welt, wo denn nun der Protest dieser „linken Feministinnen“ gegen die Gruppenvergewaltigungen in Deutschland wie Israel bleibe. Was verwunderlich ist. Denn er könnte seit mindestens zehn Jahren verstanden haben, dass diese von den Medien so gefeatureten „Neofeministinnen“ keine sind. Sondern dass sie den Feminismus verwässern, ja umkehren – bis hin zum nackten Antifeminismus. Das war schon in den 1970er-Jahren so. Da stand für die „linken Feministinnen“ der Klassenkampf über allem, jetzt ist es der „Antirassismus“. Wenn ein „alter weißer Mann“ eine Frau vergewaltigt, ist das böse; tut es ein junger Migrant, ist das verständlich, weil er ja so unterdrückt ist und einer „marginalisierten Minderheit“ angehört.
Doch für eine universalistische Feministin wie mich sind alle Menschen gleich – auch wenn es gleichzeitig legitim ist, ja richtig, immer auch den Kontext zu berücksichtigen. Wir autonomen Feministinnen gehen davon aus, dass der strukturelle Widerspruch zwischen den Geschlechtern das Grundraster ist, auf dem alle anderen Machtstrukturen aufbauen. Ein Junge, der schon innerhalb seiner Familie lernt, Frauen als „das andere Geschlecht“ zu verachten, der wird es auch zukünftig mit „den „Anderen“, den „Fremden“ so halten. Und eine Frau bleibt im Patriarchat eine Frau. Auch wenn sie eigentlich lieber einfach ein Mensch wäre.
Der Text erschien zuerst in der Welt am Sonntag vom 2.6.2024.