Warum ich darüber spreche!

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Sie haben sich überraschend und öffentlich von Jean-Michel Jarre getrennt.
Ich habe diesen Mann vor zwei Jahren kennengelernt und mich auf eine ehrliche Liebesbeziehung mit ihm eingelassen. Heute sehe ich, dass ich auf dem Holzweg war. Seine Beziehung zu mir hatte einen sehr fadenscheinigen Grund: Es ging ihm um die Aufwertung seines Image durch die Medien. Und da liegt es nahe, dass ich den gleichen Weg wähle, um auf der Gefühlsebene mit etwas Schluss zu machen, was keine Daseinsberechtigung mehr hat. Das ist eine traurige Angelegenheit. Natürlich löst ein solcher Schritt Verwunderung aus. Aber wenn ich damit einen Präzedenzfall geschaffen habe, umso besser. George Orwell hat mal gesagt, in diesen Zeiten der allgemeinen Lüge sei es eine revolutionäre Tat, die Wahrheit zu sagen. Die meisten Frauen sehen sich zum Schweigen verdammt.

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Warum ist Ihrer Meinung nach Untreue in Frankreich so ein Tabuthema?
Die meisten Menschen schämen sich, darüber zu sprechen, dass sie betrogen oder verlassen worden sind, weil dann in diskriminierender Weise gewitzelt wird. Bei Männern hebt es eher das Image. Für Frauen dagegen bedeutet es einen gewaltigen Imageverlust, obwohl es auch lächerlich gemachte Männer gibt. In den Vereinigten Staaten herrscht ein Puritanismus in Sachen Sexualität, der nicht gerade toll ist. Dort gibt es fanatische moralische Sanktionen. Man denke nur an die Clinton-Affäre. Er hatte nicht vorgehabt, Hillary zu demütigen, soweit ich weiß. Aber man wollte ihn aus dem Oval Office vertreiben unter dem Vorwand, dass er ein Techtelmechtel mit einer Praktikantin hatte! Sowas gibt es zum Glück bei uns nicht. Wir leben nicht in dieser sehr amerikanischen Heuchelei in sexuellen Dingen, die Schlimmes anrichten kann. In Amerika besteht die Heuchelei darin zu sagen: Alles ist schlimm. In Frankreich darin zu sagen: Nichts ist schlimm.

Es gibt einen Ausdruck, der sich sowohl auf Bühne und Leinwand wie auch auf die Untreue im richtigen Leben bezieht: "Theater spielen" im Sinne von "etwas vorspielen". Sind die Mechanismen in beiden Fällen die gleichen?
Wenn ein perverser Mann in einer Paarbeziehung nur Theater spielt, negiert er seine Partnerin: Er macht sie zum Objekt. Er versucht zu erreichen, dass sie an das glaubt, was er selber will, oder sogar an etwas, das überhaupt nicht existiert. Auf der Bühne oder auf der Leinwand dagegen kann man eine Situation nur dann glaubhaft darstellen und existent werden lassen, wenn man dem andern zuzuhören versteht und auf das eingeht, was er sagt oder tut. Ein Schauspieler gibt Acht auf seinen Partner, um die Szene in ihrer umfassendsten und zutreffendsten Bedeutung darzustellen. Beide spielen zusammen. Außerdem gibt es einen Dritten, einen Schiedsrichter: den Regisseur. Doch ein schauspielernder Lügner im Leben organisiert sich seine Inszenierung selbst. Damit alles zu seinem Vorteil arrangiert ist. Damit er seine Ziele erreichen kann. Ihm geht es nicht darum, ein Erfolgsstück zustande zu bringen oder einen bewegenden Film. Ihm geht es um seinen Plan, seine Macht, seine Lust, seinen Trieb, so wie es ihm passt. Deshalb ist der Manipulierte dem anderen ausgeliefert. Er befolgt Befehle, die er nicht als Befehle wahrnehmen kann; Weisungen, die er nicht als Weisungen erkennen kann. Er ist ein Werkzeug. Darin liegt die Macht der Täuschung. Das Opfer sieht nichts, versteht nichts, es wird getäuscht … Kurz, die beiden spielen nicht zusammen. Das ist der Hauptunterschied.

Es fehlt von Anfang an jedes Drehbuch?
Wenn man mit einem fanatischen Lügner zu tun hat, wird man bei allem Instinkt, allem folgerichtigen Denken, bei aller intellektuellen Fähigkeit, die Dinge mit Abstand zu betrachten, sehr schnell von den Ereignissen überrollt. Und alles hängt vom Ausmaß des Vertrauens ab, das man zu Anfang in seinen "Partner" gesetzt hat. Und auch vom Ausmaß an Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal des oder der anderen, zu dem der jeweilige Große Manitou fähig ist … Denn die verbale Überzeugungskraft beruht auf Argumenten, die für das Opfer sehr verführerisch sind. Da wird alles aufgeboten, was sie hören möchte. Auch ich war in meiner Erwartungshaltung sehr empfindsam, sehr weiblich, sehr idealisierend. Der Betrug ist die Waffe der Perversion. So lächerlich das klingen mag, es funktioniert bei allen Frauen, die der Möglichkeit einer echten Liebe noch nicht den Rücken gekehrt haben. Es ist ein Spiel mit gezinkten Karten. Man wird zum Komplizen der Betrugsmanöver des anderen; aber wie gesagt, ohne es zu wissen. Deshalb ist es ein so himmelschreiender Vertrauensmissbrauch.

Wann ist man so weit, dass man endlich sagt: Ich spiele nicht mehr mit?
Ich glaube wirklich, dass es ein Erwachen gibt, dessen man sich nicht bewusst ist. Es ist weder ein Nachdenken noch ein Überlegen. Man spürt, dass etwas nicht stimmt, aber man sucht den Grund erst mal bei sich selbst und will den anderen nicht angreifen. Außerdem gerät das Reden ins Stocken. Es besteht ein unausgesprochenes, aber strenges Verbot, über das Problem zu reden, fast als wäre das ein zusätzliches Problem. Dahinter steckt die Absicht, die Ausdrucksfähigkeit zu betäuben. Ich weiß nicht, wie es vor sich geht, wenn eine Frau einem Mann das antut; aber wenn ein Mann das mit einer Frau macht, erzeugt er so etwas wie Ohnmacht bei ihr, was sie dazu bringt, um sich zu schlagen. Und wenn die Frau sich wehrt, kann der Mann ihr ein Stereotyp überstülpen und ihr das Etikett 'hysterisch' oder 'depressiv' anhängen. Die Frau bricht Streit vom Zaun und wird deshalb beschuldigt. Ich habe mit Charlotte Rampling, der früheren Frau von Jean-Michel Jarre, viel darüber gesprochen.

Und die nächste Etappe?
Man kann eine sehr unangenehme Chance nutzen: die Chance, dass andere sich einmischen. Nicht um einem das Leben zu erschweren, sondern zu erleichtern – was die Sache übrigens nicht einfacher macht. Die Außenwelt wird plötzlich zum Echo der eigenen inneren Zweifel. Ich habe das empfunden wie einen Faustschlag voll auf den Solarplexus. Und zwar in der Form: "Es ist nicht so, wie du denkst, dass es ist. Was du erlebst, ist nicht das, was du zu erleben glaubst. Und der Mann, mit dem du zusammen bist, ist nicht der, für den du ihn hältst." Schon das verschlägt dir die Sprache. Von da an hängt alles davon ab, ob man den Mut hat, verstehen zu wollen oder nicht. Meine Freunde haben sich nicht einfach irgendwann eingeschaltet. Sie hatten in den vorangegangenen Monaten beobachten können, wie sich, auch wenn es mir gut ging, etwas wie ein Schatten auf mich legte und mich eine untergründige Niedergeschlagenheit befiel. Wenn sie allerdings zu früh mit mir gesprochen hätten, hätte ich nicht auf sie gehört. Die meisten Menschen, die einem nahe stehen, sagen nichts, um einen nicht zu verletzen: "Wir wollen ihr doch nicht die schöne Liebesgeschichte verderben, die sie zu erleben glaubt. Schließlich kann sich der Mann ja auch noch ändern." Ein Heuchler setzt auf diese Verschwörung des Schweigens, diese "wohlwollende" Verschwörung.

Und wie verhält man sich bei den Zweifeln im Innern und dem Echo von außen?
Man befragt natürlich den anderen. Mit dem Satz, den jeder Mann seiner Frau, jede Frau ihrem Mann stellt: "Liebst du mich noch?" Für mich bedeutete diese Beziehung etwas Konstruktives. Wenn es also nichts Konstruktives mehr gibt, kann es auch keine Beziehung mehr geben. Erwachsener kann man die Sache nicht darstellen, bei allem Schmerz, den das Eingeständnis mangelnder Liebe mit sich bringen kann.

Und so rückt die Große Szene näher …
Mehr als mit banaler Feigheit hat man es mit dem Typ Mann zu tun, für den ein Geständnis auf krankhafte Weise unmöglich ist. Regel Nr. 1: "Ich gestehe niemals." Das ist die Basis. Dazu stelle man sich einen schwindelerregenden Monolog vor: "Ich bin kein Schuft. Ich will dich nicht verlieren und bla-bla-bla." Da kommt ein ganzes Spektrum von Finten zum Einsatz, das reicht von Tränen bis zu den umwerfendsten Formen von Verführung. Eine skrupellose, hemmungslose, fast hypnotische Verführung. Diese Proteste erinnern an das Peter-Pan-Syndrom: ein Mann, der sich in seinen infantilen Allmachtsphantasien verrannt hat.

Weshalb ist ein Manipulator stärker als ein Schauspieler?
Weil er improvisiert. Er muss sich nicht an den vorgegebenen Text halten. Und sein Talent ist so groß wie sein Narzissmus. Eigentlich müsste es heißen: "Na gut, danke, auf Wiedersehen." Doch nein, es ist nicht zu Ende. "Wir spielen weiter, weil wir nach meinem Drehbuch spielen. Ich werde es ändern, pass auf! Das ist vielleicht interessanter. Das erhöht meinen Genuss." Und damit erreicht das perverse Spiel seinen Höhepunkt. Der Andere will dich loswerden, will aber auf gar keinen Fall, dass du dich seinem Besitz entziehst. Deshalb muss er dich in seiner Nähe behalten. Nicht unbedingt, um etwas mit dir zu machen; schon gar nicht, um dich leben zu lassen; erst recht nicht, um dir bei deiner Entwicklung zu helfen. Davon kann keine Rede sein: "Du gehörst weiter mir, bist aber nur noch ein lebloser Besitz, ein Unterpfand meiner Herrschaft über dich." Wie ein Sammler. Aus sensiblen, lebendigen Frauen macht er tote Gegenstände. Aber man kann die Tote aufwecken, sie auferstehen lassen, wenn man sie mal wieder für eine Runde braucht. Sie steht ja zur Verfügung.

Braucht man zum Betrügen wirklich Talent?
Um die Partnerin zu täuschen, indem man sie glauben macht, dass sie selbst sich täuscht? Oh ja. "Wie kannst du dir nur sowas einbilden? Das ist ja grauenvoll!" Es ist oscarverdächtig. Dagegen bin ich eine Laienschauspielerin. Um auf diesem Niveau zu schauspielern, muss man Erfahrung haben, Meisterschaft. Und eine schreckliche, gut beherrschte Gleichgültigkeit gegenüber der Partnerin. Mit anderen Worten: Man kann jemanden umbringen, auch ohne ihn zu töten.

Wie weit ist Untreue verzeihlich?
Fehler zu machen ist menschlich und also verzeihlich. Aber wenn das Fehlermachen unmenschlich wird, dann ist Schluss.

Was bewirkt denn schließlich, dass der Vorhang fällt?
Bei mir ist es so: Wenn ich etwas entdecke, es überprüfe und die Gegenprobe mache – dazu brauche ich keinen Privatdetektiv –, dann treffe ich sofort eine Entscheidung. Es kommt nicht in Frage, dass ich noch fünf Minuten länger in einer Umgebung bleibe, wo ich viktimisiert werde. Keine Diskussion, kein Ausweichen, kein: "Vielleicht kann ich ihm helfen." Nein. Wir haben nicht die gleichen Wertmaßstäbe. Aber für Frauen ist das immer noch sehr schwierig. Manche haben zu viele Jahre mit einem Mann verbracht, dessen doppelte Persönlichkeit und dessen Doppelleben sie erst zu spät entdecken. Andere – entschuldigen Sie, aber ich kann nur von Frauen sprechen – schaffen es nicht, sich von ihm zu lösen. Weil sie durch ihre Kinder gebunden sind oder durch ihr Schuldbewusstsein, oder sich in einer krankhaften Abhängigkeit befinden und zu unrecht denken, außerhalb dieser Beziehung existierten sie nicht. Ihr Selbstwertgefühl ist so sehr zerstört, dass sie nicht mehr an sich selbst zu glauben wagen ohne den, der so tut, als habe er sie erschaffen, oder der die Macht hat, sie zu zerstören. Dabei handelt es sich um eine tyrannische Herrschaft. Man hat es mit Autokraten – ich will nicht sagen der Liebe, aber – des Besitzes zu tun. Zu diesem Thema gibt es eine Metapher, die mir sehr gefällt: die Legende von König Blaubart.

Das heißt?
König Blaubart überreicht seiner neuen Gemahlin ein Schlüsselbund und sagt ihr: "Diesen Schlüssel benutzt du nicht, denn du sollst nicht den Teil von mir öffnen, der dir erlauben würde zu erkennen, mit wem du es zu tun hast." Sie hält sich nicht an das Verbot – eine Vorahnung –, öffnet die schwarze Kammer und entdeckt Frauenleichen. Sie müssten sich schon lange im Zustand der Verwesung befinden, denn die Morde liegen nicht erst eine Woche zurück. Doch aus diesen Leichen sickert frisches Blut: etwas ist fortwährend im Gange. Sie ruft ihre Schwester, und die will sie töten. Es ist der Teil von ihr selbst, der sich wegen dieser Situation schuldig fühlt: "Wie konnte ich nur einen Typ wie ihn heiraten?" Zum Glück kommen ihre Brüder und beseitigen Blaubart. Das ist ihre andere Seite, die imstande ist zu sagen: "Nein, ich werde nicht in dieser Kammer enden."

Ist es Ihnen trotzdem schwergefallen, öffentlich mitzuteilen, dass Sie das Weite gesucht haben?
Von meiner Erziehung her – Mutter katholisch, Vater Moslem – schweigt man, man redet nicht, man hält den Mund. Immer die Scham davor, dass etwas über einen erzählt wird. Zu Beginn meiner Karriere bekamen meine Eltern seltsamerweise eine Flut von anonymen Briefen mit der Beschuldigung: "Sie ist die Geliebte von Sowieso". Ich war 17 Jahre alt und war unschuldig und verwirrt. Und das ganze Haus bekam Kopien davon. Mein Vater kam in mein Zimmer und verpasste mir ein paar Ohrfeigen: "Was hast du getan?" Wenn sie schon zu Hause mit dem Finger auf einen zeigen, statt einen zu beschützen, dann können Sie sich vorstellen, was eine gewisse frauenfeindliche, rasende Presse, die sich unbefugt die Elternrolle anmaßt, bei einem jungen Mädchen anrichten kann, das so konditioniert ist, sich selbst für schuldig zu halten. Ich habe lange, aus mir absolut unerfindlichen Gründen, mit dem schlechten Gewissen gelebt. Das abzuwerfen braucht Zeit. Heute berührt mich die öffentliche Zurschaustellung meines Privatlebens nicht mehr. Vor einigen Jahren wäre noch das Gegenteil der Fall gewesen. Jetzt bin ich mit meinen eigenen Schutzmaßnahmen dem zuvorgekommen. Denn ich kenne die Wahrheit. Ich sehe mich zur Schau gestellt, bloßgestellt, aber ich nehme das auf mich. Ich sage mir nicht: "Mein Gott, in was bin ich da hineingeraten?" Die seit meiner Kindheit zur Regel gewordene und erduldete Angst, dass sich alle Blicke auf mich richten, wirkt nicht mehr. Ich bin nicht niedergeschlagen, und zwar deshalb, weil das Problem erledigt ist.

Auf der Bühne sagt man, "die Rolle ablegen". Doch wie geht das im Leben?
Das hängt ganz davon ab, welcher Selbstreinigung man sich vorher unterzogen hat. Mir fällt es sehr leicht. Ich habe zehn Jahre Analyse hinter mir, und meine Persönlichkeit ist entrümpelt. Im Klartext: Ich komme nicht von einer Gondelfahrt, sondern aus einer echten Gefahr. Deshalb empfinde ich heute keinerlei Misstrauen gegenüber Männern. Ich bringe nichts durcheinander. Ich habe nur meine Freiheit wiedergewonnen!

Das Interview führten Marie Huret und Yves Stavridès und erschien zuerst im L’Express, Übersetzung: Sigrid Vagt, EMMA 2/2005

 

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