Siegerin der Pfannenrevolution

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Johanna Sigurdardóttir – den Vornamen müssen wir uns merken, ihren Nachnamen können wir getrost vergessen. In Island wird er eh nie benutzt. Ihre Website heißt althingi.is/johanna und ihre E-Mailadresse Johanna@. Selbst das einzige Telefonbuch auf der Insel hat alle seine Einwohner alphabetisch nach Vornamen aufgelistet, nicht nach Nachnamen. Seit Februar 2009 ist Johanna die Ministerpräsidentin von Island und seit 2002 ist sie mit der Autorin Jonina Leosdottir in eingetragener Partnerschaft verbandelt, was so viel bedeutet wie: Die beiden sind miteinander verheiratet. Die zweifache Mutter Johanna in zweiter Ehe. Sie ist damit weltweit die erste offen homosexuell lebende Regierungschefin. Auf Island hebt nur niemand auch nur eine Augenbraue deswegen, weder die KollegInnen in der Politik, noch die Presse und am allerwenigsten das liberale isländische Völkchen selbst.

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"Was die Isländer interessiert ist, wem sie nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch, dem vollständigen Vertrauensverlust gegenüber der Politik überhaupt noch trauen können und nicht, mit wem die Regierungschefin in der Nacht unter die Bettdecke kriecht", wies vor kurzem Ingo Sigfusson, ein politischer Journalist des staatlichen Fernsehsenders RUV, in einem Interview die Kollegen von der BBC zurecht.

80 Prozent aller 320.000 IsländerInnen, so ergab eine Umfrage wenige Tage nach Johannas Ernennung Anfang Februar, haben volles Vertrauen in ihre neue Regierungschefin. Das ist in Island zum jetzigen Zeitpunkt mehr als verwunderlich. Nach dem finanziellen Zusammenbruch der isländischen Krone, der drei großen Banken und damit verbunden der gesamten isländischen Wirtschaft, steht das Land vor dem ökonomischen Aus. Windige Spekulationen hatten über Nacht aus dem einstigen Boomland am Polarkreis eine traurige Insel mit galoppierender Inflation, steigender Arbeitslosigkeit und hoch verschuldeten Bewohnern gemacht. Selbst die Rentenfonds in den drei größten Banken sind verspekuliert worden.

Möglich war das ganze durch eine unheilige, gierige Allianz von Bankern, Managern und Politikern. Die gekaufte Presse schwieg dazu. "Meine Zeit wird kommen!" schrie vor 15 Jahren eine wütende blonde Frau mit Brille, nachdem sie den Kampf um den Parteivorsitz der Sozialdemokratischen Partei knapp verloren hatte. Sie hieß Johanna.

Geboren wurde sie 1942 in Reykjavik. Sie machte Abitur und hat, das kann man nicht so genau den altisländischen Quellen entnehmen, entweder ein bisschen Wirtschaft studiert oder sich gleich zur Stewardess bei der staatlichen isländischen Fluggesellschaft Lofleidir ausbilden lassen. Auf jeden Fall flog sie erst einmal herum. Nebenbei heiratete sie das erste Mal und bekam zwei isländische Jungs. In der Zeit begann Johanna auch, sich in der Gewerkschaftsbewegung zu engagieren. Kurz darauf entschloss sie sich zu etwas Bodenständigerem und wechselte zu einer Kartonagenfabrik in der kleinen Hauptstadt, wo sie das Büro schmiss.

Als Johanna 1978 zum ersten Mal als Abgeordnete für die Sozialdemokraten im ehrwürdigen "Althingi", dem isländischen Parlament saß, fuhr sie noch in ihrem alten Wagen ins Büro, statt den ihr nun zustehenden Dienstwagen in Anspruch zu nehmen. Das änderte sich auch nicht, als sie 1987 ihren ersten Ministerposten als Sozialministerin antrat.
Johanna ist eine der am längsten im Parlament aktiven PolitikerInnen Islands und sie ist eine, von der bekannt ist, dass sie sich immer um die Belange der so genannten kleinen Leute kümmerte. Frauen und deren Rechte waren ihr schon immer ein besonderes Anliegen.

Als Johanna 1994 für den Vorsitz der Partei kandidierte und nicht gewann, trat sie kurzerhand aus der sozialdemokratischen Partei aus, die ihr so lange politische Heimat gewesen war, und gründete zusammen mit anderen Frauen eine neue Splitterpartei. Prompt konnte sie bei den nächsten Wahlen Sitze erringen und wieder ins Parlament einziehen. "Sie ist die einzige von der Politiker-Bagage, der wir nach wie vor vertrauen und die sich für die Menschen hier einsetzt", sagen viele Isländer.

Nun ist Johannas Zeit gekommen. Am 25. April sind Neuwahlen angesagt. Die "Pfannenrevolution" führte Ende Januar zum Rücktritt einer korrupten, verantwortungslosen Regierung. Mit Töpfen, Pfannen, Trillerpfeifen und Trommeln gingen wütende IsländerInnen das erste Mal seit sechzig Jahren auf die Straße und erzwangen den Neuanfang.
Johanna holte in ihre Übergangsregierung, die aus Sozialdemokratischer Allianz und der Grünen Linkspartei besteht, fünfzig Prozent Frauen. Nachdem Männer Island an den wirtschaftlichen Abgrund gebracht haben, soll nun eine Frau den verfahrenen isländischen Karren wieder flott machen.

Schon hört man in den Straßen Reykjaviks: "Unsere Nachbarn haben Obama, wir haben unsere heilige Johanna."

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