Katharina Fritsch: Die Rattenkönigin

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Katharina Fritsch stellt im Düsseldorfer Ständehaus aus. Über ihre Arbeit, ihr Verhältnis zu Männern und zum Material sprach sie mit Susanne Bieber.

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Susanne Bieber In Tate Modern und in Düsseldorf wirst du das erste Mal die drei "bösen" Männer, den "Mönch", den "Doktor" und den "Händler", gemeinsam zeigen. Das sind sehr düstere und strenge Gestalten.
Katharina Fritsch Leider sind die bösen Männer noch in der Überzahl! Aber wenn es sie nicht gäbe, dann könnte ich keine Skulpturen machen, und das wäre auch langweilig (lacht). Das sind stereotype Gestalten, die ganz ins Groteske übersteigert werden, aber dennoch cool erscheinen. Nach außen wirken sie ganz gelassen, und im Inneren tobt es. Sie zeigen eine männliche Haltung, vor der man sich erschrecken soll.

Die Uniformen der Männer strahlen ebenfalls Macht aus.
Die Ambivalenz der Machtstrukturen, die sich an diesen Uniformen ablesen lässt, finde ich interessant. Kleidung ist sowieso ein ganz spannendes Kapitel, das vernachlässigt wird. Es ist interessant, wie sich Leute präsentieren, wie sich in der Kleidung Status spiegelt. In unserer Generation muss Kleidung natürlich immer gleich sexy sein, und das finde ich zu eindeutig und zu langweilig.

Der Mönch und seine Religion versprechen uns eigentlich Hoffnung und Halt, der Doktor soll für unser Wohlergehen sorgen und der Händler gute Ware verkaufen.
Meine Figuren sollen diese Standardtypen fortführen, aber nur auf eine völlig groteske Art und Weise: der Arzt, der seine Patienten zu Tode doktert; der Mönch, der so scheinheilig tut; und der Händler, der einen eiskalt über den Tisch zieht und einem Mist verkauft; der miese Dealer, der Drogendealer, der im Englischen einfach nur "Dealer" heißt. Im Deutschen ist der Dealer jemand, der Drogen verkauft, aber man benutzt das Wort im Englischen auch für den Galeristen (lacht).

Du setzt dich schon einige Jahre lang für die Gleichberechtigung der Frauen ein, hast dies aber bis jetzt nicht wirklich in deinen Arbeiten thematisiert.
Das stimmt, aber ich hatte schon immer Frank, also einen Mann, als Modell. Die Männer sind halt meine Musen.

Das weibliche Modell ist meistens dem männlichen sexuellen Blick ausgesetzt. Bei dir scheint das männliche Modell nicht zum sexuellen Objekt zu werden.
Ich würde keine splitternackten Männer fotografieren. Das wäre mir zu langweilig, und es gibt schon so viele Bilder dieser Art. Die Erotik liegt eher in den subtilen Bereichen, von denen man denkt, da ist überhaupt nichts, aber dann ist da doch was. Diese Spielchen dazwischen interessieren mich mehr.

Deine gegenständlichen Skulpturen haben eine visuelle, raumgreifende Präsenz.
Ich denke in Bildern. Es ist wichtig, dass meine Skulpturen nicht diesen Heavy-Metal-Charakter haben. Es geht mir nicht so sehr um die Skulptur als vielmehr um die dritte Dimension. Natürlich muss ich mit den Gesetzmäßigkeiten der Skulptur arbeiten, aber eigentlich würde ich sie gerne vergessen und einfach dreidimensionale Bilder machen. Meine Arbeit pendelt, denke ich, zwischen diesen beiden Polen hin und her. Man hat noch die Verbindung zum Realen, aber gleichzeitig auch zum Irrealen.

Siehst du eine Verbindung zwischen dem Surrealismus und deinen Arbeiten?
Ich bin sehr vom Surrealismus geprägt worden, aber ich habe darüber hinaus den Schritt zur Realität gemacht. Ich habe eine große Affinität zum Magischen des Surrealismus. Aber die bloße psychologische Interpretation der Surrealisten ist mir zu wenig.

Ist es die Materialität deiner Skulpturen, die dieses Oszillieren zwischen Realem und Irrealem ermöglicht?
Die Materialität ist nicht wichtig. Die Oberflächenbearbeitung spielt eine bedeutende Rolle, und Anstriche, das heißt Farben, müssen genau gewählt werden. Oft haben meine Skulpturen eine matte Oberfläche, sodass jegliche Reflexion der Umgebung verschwindet. Das verstärkt den Eindruck einer nicht greifbaren Erscheinung.

Arbeitest du über längere Zeiträume hinweg mit den gleichen Leuten zusammen? Die deine Arbeit kennen und ganz genau wissen, was du möchtest?
Mit Frank arbeite ich natürlich schon lange zusammen. Im Moment habe ich drei bis vier Assistenten und einen Stuckateur. Ich könnte durchaus mehr gebrauchen. Die Stuckateure spielen auch eine sehr wichtige Rolle. Sie sind von Anfang an in den technischen Prozess involviert.

Zuerst entsteht also ein Gipsnegativ.
 ... und das ist immer sehr interessant. Abgüsse machen finde ich spannend. Das ist eine tolle Form, weil man in der negativen Form die positive sehen kann. Diese Negativ-positiv-Beziehung hat etwas Geheimnisvolles, was mich fasziniert.

Dieses Unangreifbare ist inhaltlich auch in deinen Arbeiten zu finden.
Ja, Form und Inhalt spielen immer ineinander und bilden eine Einheit. Dann gießt der Stuckateur von der Negativform ein Positiv, und so bekommen wir die Kopfform und die Hände. Diese Formen müssen überarbeitet werden, aber das geht meistens recht schnell. Schwierig sind natürlich Ganzkörperabgüsse. Das haben wir einmal mit Frank gemacht, und dabei ist er beinahe gestorben. Er bekam keine Luft mehr, weil er zu viel Gips auf der Haut hatte und wir auch seine Kleidung imprägniert hatten. Die Haut konnte natürlich nicht mehr atmen, und Frank ist in der Gipshülle blau angelaufen, sein Kopf sackte nach vorne. Ich meinte, man sollte die Gipsform jetzt mal abnehmen, aber der Stuckateur wollte die Form nicht zerstören. Aber dann habe ich doch darauf bestanden, und Frank ist gerade noch gerettet worden (lacht).

Frank muss ja allerhand mitmachen ...
... ja, der Arme. Seitdem mache ich die Ganzkörperabgüsse nur noch mit Puppen.

Berechnest du die Figuren auch mit mathematischen Mitteln?
Ich gehe schonvor bestimmten Proportionen aus, aber man kann nicht bloß rein mathematisch vorgehen. Ich mache das nach Augenmaß, das geht schneller. Am Schluss wird die Skulptur von mir farbig angemalt und gespritzt, aber das ist nicht mehr so viel Arbeit. Am schlimmsten ist die endlose Gipsmodelliererei. Damit quäle ich mich rum, mit Ärmellängen oder wie die Hände am Körper sitzen müssen. Ich kann mich mit ein paar Zentimetern verrückt machen. Es muss alles stimmen. Dass ich diese Gratwanderung zwischen dem "Realen" – dem, was möglich ist – und dem Visionären" – dem, was man machen könnte – machen muss, ist ein ganz wichtiger Aspekt meiner Arbeit.

Es ist offensichtlich, dass du die scheinbare Mühelosigkeit, mit der deine Werke auftreten, gerade durch einen langen, arbeitsintensiven Prozess erreichst. Ich nehme an, dass sich die Arbeit besonders vor Ausstellungseröffnungen häuft.
Das ist immer unglaublich stressig.

Die Interview-Auszüge sind dem Katalog "Katharina Fritsch" entnommen (Verlag Hatje Cantz).

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