NS-Verfolgung von Lesben wird weiter geleugnet

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Wirklich überraschend ist es nicht. Als EMMA im Sommer 2007 einen „halben Sieg“ verkündete – nämlich die Neuausschreibung des Homo-Mahnmal-Films in zwei Jahren – waren wir bereits skeptisch. Denn der Kompromiss, den Kulturstaatsminister Neumann in zähem Ringen mit den Schöpfern des Mahnmals und den Homo-Aktivisten ausgehandelt hatte, „gestattete“ es lediglich, in dem projizierten Video „auch Bilder von Frauen zu zeigen“. EMMA schrieb damals: „Zwingend ist das nicht. Und festgeschrieben schon gar nicht. Vor dem Hintergrund des bisherigen Verlaufs der Debatte ist darum anzunehmen, dass das Theater in zwei Jahren wieder losgeht.“

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Pünktlich zur Neuausschreibung ist es nun soweit. Das ist, wie gesagt, nicht überraschend. Verblüffend ist allerdings doch, mit welcher Penetranz die Initiatoren des Offenen Briefes an den Kulturstaatsminister weiterhin jede Verfolgung homosexueller Frauen in der Nazizeit leugnen. Es sei „historisch nicht zu belegen, dass lesbische Frauen im Nationalsozialismus individueller Verfolgung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung ausgesetzt gewesen seien.“ Mehr noch: Es sei „nicht ein einziger Fall einer lesbischen Frau historisch zu belegen, die aufgrund ihrer homosexuellen Veranlagung in die Verfolgungsmaschinerie der Nationalsozialisten geraten wäre.“ Diese Behauptung ist, gelinde gesagt, dreist.

Schließlich war es eine der ersten Amtshandlungen der Nazis, Lotte Hahm und Elsa Conrad, die Leiterinnen der Berliner „Damenclubs“ Violetta und Monbijou und Lesben-Aktivistinnen, zunächst ins Gefängnis und dann ins KZ zu transportieren. Zwar wurde der § 175, der männliche Homosexualität bis 1969 mit Gefängnis bedrohte, auch in Nazideutschland nicht auf Frauen ausgedehnt, die homosexuellen Frauen jedoch dennoch verfolgt.

So wiesen die Forscherinnen Claudia Schoppmann und Ilse Kokula in Gesprächen mit Zeitzeuginnen nach, dass Blockwarte und Nachbarn Frauenpaare bei der Gestapo denunzierten und die Gestapo Listen über lesbische Frauen führte. Und in den Konzentrationslagern gab es gezielte Gruppenvergewaltigungen homosexueller Frauen, die man zudem „besonders gern in Bordelle steckte“, weil sie dort „wieder auf Vordermann gebracht würden“, wie ein Zeitzeuge berichtet, der zehn Jahre lang in verschiedenen Konzentrationslagern interniert war.

„Wenn man die Frauen finden will, darf man sich eben nicht nur die Strafakten anschauen“, erklärten auch Bernhard Rosenkranz und Ulf Bollmann, die Macher der Ausstellung „Homosexuellen-Verfolgung in Hamburg 1919-1969“. Sie suchten auch in den Akten von Erziehungsheimen oder medizinischen Instituten und fanden zahlreiche Zeugnisse von Entmündigungen und Zwangssterilisationen lesbischer Frauen.

Doch auch die Strafakten des Hamburger Staatsarchivs ergaben auch ohne den § 175 Verurteilungen wg. weiblicher Homosexualität: „Um der Angeklagten klar zu machen, dass sie künftig ihre Neigungen in dieser Hinsicht im Zaume zu halten hat, glaubte das Gericht von einer Geldstrafe Abstand nehmen zu müssen und auf eine Haftstrafe von 1 Monat zu erkennen“, heißt es da zum Beispiel über die Angeklagte Thea Hasselfeldt. Im seit 1938 dem Deutschen Reich angeschlossenen Österreich galt der § 175 ohnehin ebenfalls für Frauen.

Umso erstaunlicher, dass Eberhard Zastrau, einer der Unterzeichner des Offenen Briefes und bis 2007 Mitglied des Internationalen Beirates der Stiftung Brandenburgischer Gedenkstätten, allen Ernstes wagt zu behaupten, Lesben seien in der Nazizeit schließlich lediglich „ihrer Zeitungslektüre verlustig gegangen“. Bedauerlich auch, dass Journalisten dieser so leichtfertigen Behauptung offenbar ohne jede eigene Recherche einfach folgen. Wie Jens Bisky, der in der Süddeutschen Zeitung vom 26. März befand: EMMA habe mit ihrer Kampagne „durch Lautstärke eine vernünftige Lösung verhindert“. Denn: „Ein lesbischer Kuss würde die Geschichte verfälschen und das Andenken der Opfer für gegenwärtige Zwecke instrumentalisieren.“

Übrigens verstößt das aktuelle Schwulen-Mahnmal gegen die Ausschreibung durch den deutschen Bundestag. Darauf weist jetzt nun auch noch einmal Kulturstaatsminister Bernd Neumann hin. Er zitiert: „Die zuständigen Sprecher aller Bundestagsfraktionen sprachen sich damals im Einvernehmen mit dem LSVD dafür aus, auch lesbische Motive in der Gestaltung des Denkmals zu ermöglichen. Sie bezogen sich dabei auf den Beschluss des Deutschen Bundestages vom 12. Dezember 2003, nach dem das Denkmal auch als gegenwarts- und zukunftsbezogene Mahnung zur Toleranz gegenüber gleichgeschlechtlichen Lebensformen gedacht ist: ‚Mit diesem Denkmal will die Bundesrepublik Deutschland die verfolgten und ermordeten Opfer ehren, die Erinnerung an das Unrecht wachhalten und ein beständiges Zeichen gegen Intoleranz, Feindseligkeit und Ausgrenzung gegenüber Schwulen und Lesben setzen.’“

Übrigens: EMMA fand von Anfang an die borniert-geschlechter-polarisierende Wahl zwischen Schwulen- oder/und Lesben-Mahnmal falsch. EMMA hat immer für ein geschlechtsneutrales Mahnmal plädiert, wie es zum Beispiel die Künstlerin Rosemarie Trockel für die Stadt Frankfurt realisiert hat (ein androgyner Engel). Erst als die beiden schwulen Künstler des Homo-Mahnmals mit ihrer platt-realistischen Version eines sich küssenden Männerpaares kamen, plädierten wir für eine Ergänzung durch ein Frauenpaar.

Bei der Verfolgung von Menschen im Dritten Reich nicht nur wegen ihrer „rassischen“ Zuordnung oder politischen Meinung, sondern auch wegen ihrer sexuellen Orientierung ging es den männerbündischen Nationalsozialisten um die Grundfesten ihres Konstrukts: die sexuelle Orientierung, die Zwangsheterosexualität. Ihre Erschütterung durch Männer wie Frauen wurde darum auf unterschiedlichste Weise hart sanktioniert – bis hin zu Internierungen ins KZ.

Diese historischen Fakten zu leugnen, heißt nicht nur, die Frauen (mal wieder) zu verschweigen – sondern ganz schlicht auch: den Kern des Problems nicht verstanden zu haben. Nicht zuletzt darum wird EMMA in diesem kleinlich-kläglichen Streit um das Homo-Mahnmal nicht zurückweichen.

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