Die Bitterfotze

Artikel teilen

Nein, dies ist nicht die Fortsetzung von "Feuchtgebiete". Und es handelt sich bei der Wahl des, gelinde gesagt, ungewöhnlichen Titels auch nicht um ein PR-Kalkül. Im Gegenteil: Autorin Maria Sveland hat bei ihrem schwedischen Verlag Norstedts hart darum kämpfen müssen, ihr Buch "Bitterfotze" nennen zu dürfen. Verständlicherweise hatte man Angst, LeserInnen abzuschrecken. Dieses Risiko war Maria Sveland aber bereit einzugehen, um ein anderes zu vermeiden: "Sowohl ‚verbittert’ als auch ‚Fotze’ sind beides Wörter, die von Männern benutzt werden, um Frauen und Mädchen zu diffamieren. Ich habe erwartet, dass man mich genauso abstempeln würde. Ich habe mein Buch also so genannt, damit es niemand anderes tut."

Anzeige

Sicher ist unter den tausenden Briefen und E-Mails, die die Journalistin seit Februar 2007 als Reaktion auf ihren Roman erhielt, auch der eine oder andere unflätige. Aber die große Mehrheit der Schreiberinnen – und auch der Schreiber – bedankt sich bei ihr. Denn Maria Sveland hat mit "Bitterfotze" ausgesprochen, was schwedische Frauen offenbar bisher nicht auszusprechen wagten – und das nicht obwohl, sondern weil sie im Welt-Musterland des Feminismus leben: "Es ist traurig, aber das Mutterwerden scheint das schwierigste Gleichstellungsprojekt überhaupt zu sein." Auch in einem Land mit zwei Vätermonaten; auch mit einem Mann, der diese Vätermonate nimmt und der erklärtermaßen halbe-halbe machen will. 

Weil das so ist, ist Maria Svelands Protagonistin Sara "bitterfotzig". Will heißen: dauermüde, ausgelaugt, lustlos. Nach der Geburt ihres Sohnes Sigge ging es los. Die entzündeten Brüste, die schlaflosen Nächte, der Ehemann und Vater Johan bei einem Regieprojekt und nur am Wochenende zu Hause. Aber es wird auch nicht wirklich besser, als Johan seine Vätermonate nimmt. "Ich möchte auch Mann sein und erleben, wie es sich anfühlt, wenn die ganze Gesellschaft Beifall klatscht, weil ich knapp zwei Monate Elternzeit nehme, während niemand auch nur eine Augenbraue hebt, wenn meine Frau die restlichen zwölf nimmt", klagt Sara. Und stellt zu ihrer Verwunderung fest, dass es da noch einen entscheidenden Unterschied zu geben scheint zwischen Müttern und Vätern: Sara hat Schuldgefühle, Johan hat keine. Sie wacht auch in den Nächten von Sigges Geschrei auf, in denen Johan Babydienst hat – er nicht. Ist die Journalistin auf Dienstreise, schmollt Sigge, wenn sie wiederkommt – war Johan ein paar Tage weg, strahlt der Sohn den Papa an. "Sigge spürt dein schlechtes Gewissen", erklärt Vater Johan Mutter Sara. "Es bestätigt ihn, dass er im Recht ist, wenn er böse auf dich ist."

Also stellt Sara, die für einen einwöchigen Schlafurlaub (schlechtgewissig) nach Teneriffa geflüchtet ist, sich Fragen. Warum kann sie sich selbst als Teil eines emanzipierten Paares nicht vom gesellschaftlichen Muttermythos lösen? Hat sie mehr als ihr lieb ist von ihrer eigenen Mutter verinnerlicht, die ein gedemütigtes und abhängiges Leben an der Seite ihres Vaters führte? Kann eine Liebe unter diesen Umständen lebendig bleiben – oder fällt sie quasi zwangsläufig der "Bitterfotzigkeit" zum Opfer? Manchmal ein bisschen didaktisch, immer klug und oft anrührend – vor allem, wenn Sara über ihre Kindheitserlebnisse erzählt – versucht sich Sveland in Antworten – die sie sympathischerweise nicht immer hat.

Offensichtlich hat die Journalistin Maria Sveland, selbst Mutter zweier Söhne und offensichtlich wissend, worüber sie da schreibt, einen Nerv getroffen: den jener Frauen (und Männer?), die sich mehr oder weniger verzweifelt fragen, was in einer Gesellschaft mit gut ausgebildeten Müttern und erziehungswilligen Vätern verdammt noch mal immer noch so schwierig ist am wirklichen halbe-halbe Machen.

In Schweden avancierte "Bitterfotze" mit 150.000 verkauften Exemplaren rasch zum Bestseller. Die Vermutung, dass auch viele deutsche Frauen "bitterfotzig" genug sind, um dieses Buch zu verschlingen, liegt nahe. Zumal es auch Hoffung gibt. Denn: "Die Bitterfotze ist das Gegenteil einer weiblichen Märtyrerin. Die würde niemals eine Revolution anführen. Eine Bitterfotze hingegen schon."

Zum Weiterlesen:
Maria Sveland: Bitterfotze (Kiepenheuer & Witsch, 8.95 €)

Artikel teilen
 
Zur Startseite