Sexualgewalt: Sie wehren sich!
Maike, was ist passiert an eurer Universität?
Vor etwa zwei Jahren ging es los mit dem ersten großen Fall. Da sollte ein Dozent Professor werden, von dem es hieß, dass er schon mehrfach Frauen belästigt hätte. Das war an dem Institut kein Geheimnis. Eine Studentin hat dann mit sechs weiteren Frauen gemeinsam eine Sammelbeschwerde eingereicht. Es gab noch weitere Betroffene, aber die haben sich nicht getraut. Die Beschwerde wurde an den Personalrat und an die Personalabteilung weitergeleitet. Und die haben entschieden: Ja, es handelt sich um sexuelle Belästigung. Dem Dozenten wurde gekündigt. Aber die Uni hatte einen Formfehler gemacht. Daraufhin hat der Dozent gegen die Kündigung geklagt. Der Vertrag des Dozenten wurde zwar nicht verlängert, aber dafür hat er eine Abfindung und ein wohlwollendes Arbeitszeugnis bekommen. Er ist also sozusagen noch belohnt worden.
Was hätte passieren müssen?
Die Beschwerdestelle hätte damals den sieben Studentinnen raten müssen, dass jede von ihnen einzeln Beschwerde einreicht. Das wiegt schwerer, weil es eine Wiederholungstat ist. Was auch nicht bekannt war: Da einige der Studentinnen angestellt waren, hätten sie gleich zum Arbeitsgericht gehen können. Was uns aber bis heute am meisten ärgert: Die Universität ist nie wieder auf die Betroffenen zugegangen.
Und wie kann es weitergehen?
Ich bin mit einem zweiten Fall befasst. Es geht um eine Studentin, die Hilfskraft bei einem Professor war. Dieser Professor hat ihr zweideutige SMS und Mails geschickt. Er hat sie abends zu sich nach Hause eingeladen, angeblich um mit ihr über ihre Abschlussarbeit zu sprechen. Er hat versucht, sie anzufassen. Und er hat versucht, sie unter Druck zu setzen, damit sie ihn auf eine Exkursion begleitet. Auch diese Studentin hat Beschwerde eingereicht, im April 2014. Und sie hat bis heute nichts gehört. Schlimmer noch ...
... noch schlimmer?
Sie wurde zu einer Anhörung geladen, bei der sie sich rechtfertigen musste, warum sie nicht mehr für diesen Professor arbeiten will. Der Professor hat so getan, als wäre nichts. Sie hat dann durchgesetzt, dass sie mit einem anderen Aufgabenfeld am Institut betraut wird. Sie mußte unter Aufsicht eines wissenschaftlichen Mitarbeiters Exkursions-Dias des besagten Professors einscannen. Ihre Arbeit wurde ziemlich kontrolliert. Sie hat außerdem gar keinen Lohn mehr bekommen, obwohl sie weitergearbeitet hat. Ich bin selbst mit dieser Studentin durch die Uni geirrt, um irgendwo ihre Lohn-Forderung einzureichen. Wissen Sie, was die Mitarbeiterin der Beschwerdestelle damals zu uns gesagt hat? Sie habe Angst, den Brief entgegenzunehmen. Erst als die Betroffene sich einen Anwalt genommen hat, hat die Universität ihr einen Vergleich angeboten: Wenn sie in der Sache schweige und keine weiteren Vorwürfe erhebe, bekomme sie ihren Lohn. Sie brauchte ihr Geld - das waren weit über 1.000 Euro - und hat das deshalb unterschrieben. Bis heute hat sie keine Rückmeldung, was aus ihrer Beschwerde geworden ist und trotz Nachfrage noch kein Arbeitszeugnis.
Jetzt hat es allerdings eine Anhörung im Landtag von Sachsen-Anhalt gegeben in Sachen sexueller Belästigung an Hochschulen.
Endlich! Wir, also ich, die Studentin und auch das Bündnis, haben gemerkt, dass wir die ganze Zeit auf verschlossene Türen stoßen. Also haben wir uns mit diversen Politikerinnen getroffen, der Justizministerin von Sachsen-Anhalt, Angela Kolb, zum Beispiel. Und auch mit Leuten von SPD und Linke. Die Linke hat dann eine Kleine Anfrage gestellt, gleich in Bezug auf mehrere Hochschulen in Sachsen-Anhalt. Und so kam es zu der Anhörung im Landtag.
Und was hat die Anhörung gebracht?
Gute Frage! In Halle verschwindet weiterhin alles unter dem Tisch bzw. wird hin- und hergeschoben. Zum Beispiel wurde eine neue Richtlinie mit einem besseren Schutz für Studierende und eindeutigen Verfahrenswegen nicht wie geplant im Juni 2015 verabschiedet, sondern liegt jetzt angeblich beim Kanzler. Wir hoffen, dass das landesweite Hochschulgesetz bald geändert wird. Wann und von wem das bearbeitet wird, ist - wie so vieles - offen.
An der Uni Halle gibt es sogar einen „Arbeitskreis sexuelle Belästigung“. Wird der in solchen Fällen nicht sofort tätig?
Der Arbeitskreis ist eine Reaktion auf das Bündnis. Die haben sich anfangs sehr für die neuen Richtlinien und Verfahrenswege gegen sexuelle Gewalt eingesetzt. Aber seither ist nichts mehr passiert. Auch nicht mit der Umfrage, die letztes Jahr unter Studentinnen und Mitarbeiterinnen gemacht wurde.
Worum ging es in dieser Umfrage?
Die wurde offiziell im Frühjahr 2014 vom Gleichstellungsbüro und einer Soziologin durchgeführt. Ziel war, herauszufinden, ob sexuelle Gewalt verbreitet ist an unserer Uni. Die Umfrage wurde an alle Studierenden und Mitarbeiterinnen verschickt und jede hatte die Möglichkeit, sich zurückzumelden und individuelle Erfahrungen mitzuteilen.
Und dann?
Die Sache verlief im Sande. Erst hieß es, die Umfrage sei noch nicht ausgewertet. Dann hieß es, die Ergebnisse seien nicht aussagekräftig. Wir fordern deshalb eine Folgeumfrage.
Und was fordert ihr noch?
Dass auf den Schlüsselpositionen kompetentere Leute beraten! Dass die Universität endlich auf die von sexueller Gewalt Betroffenen zugeht! Und dass die vorliegenden Fälle im Detail aufgearbeitet werden. Ich wünsche mir auch, dass in den neuen Richtlinien eine eindeutige Handlungspflicht für alle drin steht, die mit dem Problem an der Universität befasst sind. Dass ein Register angelegt wird, in dem die Fälle erfasst werden. Damit schnell klar wird, ob jemand ein Wiederholungstäter ist. Denn dass es in Halle Übergriffe gegeben hat, ist seit Jahren bekannt, teilweise sogar dokumentiert. Aber keiner hat reagiert! Die Maßnahmen gegen sexuelle Gewalt dürfen nicht nur auf dem Papier existieren. Sie müssen umgesetzt werden!
Das Gespräch führte Alexandra Eul