Soll man dieses Kind kaufen können?

Foto: Judith Samen.
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"Wollen Sie ein Baby?“ Das fragt mich die Stand-Mitarbeiterin einer Samenbank beim Betreten der Messe „Kinderwunschtage“ in Köln. Es klingt, als hätte sie ein paar Exemplare in der Auslage liegen. Draußen schüttet es aus Eimern, hier in den Hallen des ehemaligen Paketzentrums im Kölner Norden ist es wie in der Parfümabteilung eines Kaufhauses. Hell, warm, gediegen. Doch hier liegt etwas anderes in der Luft.

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Die Messe gastiert jedes Jahr im Frühling und Herbst in Köln, München und Berlin und will „Wunscheltern helfen, ihren Traum wahr werden zu lassen“. Ich lächele der Frau von der Samenbank zu und deute an, mich zuerst umschauen zu wollen.

Es sind fast ausnahmslos Paare auf der Messe unterwegs, Hetero-Paare und auffällig viele homosexuelle Männer-Paare. Kaum ein Stand, von dem nicht ein kleiner Wonneproppen vom Werbeplakat lächelt, mit glücklichen Eltern, die mit ihren Händen ein Herz über dem Kopf ihres Babys formen.

An einigen Ständen herrscht gähnende Leere. Bei den Adoptionsagenturen zum Beispiel oder bei den Naturheilpraxen. Auch eine dreiköpfige Männergruppe, die über das Klinefelter-Syndrom aufklären will, hat keinen Zulauf. Ihr Werbebanner „Haben Sie zu kleine Hoden?“ ist vielleicht etwas direkt.

Die Samenbanken hingegen sind recht gut besucht. Aber so richtig Zulauf hat vor allem ein Typus Stand: der, der die Leihmutterschaft anbietet. Hygienisch chic, gestylte MitarbeiterInnen, moderne Designermöbel, in den Auslagen Kataloge mit Frauen, die wie Models aussehen. Über zwei Meter große Bildschirme flackern Videos mit Botschaften wie: „We help all families“, „Make your dream come true“ oder „Your Baby is on the way“.

"Nein, machen Sie sich keine Sorgen, die Leihmutter hat keinerlei Rechte!"

Die dazugehörigen Firmen kommen aus Spanien, Griechenland, den USA, Russland, England, aus der Slowakei und der Ukraine. Sie tragen Schlagworte im Namen wie „Reproduction“, „Ferticare“, „IVF“ (für in-vitro-Fertilisation) oder ganz offen „Surrogacy“: Leihmutterschaft.

Obwohl Leihmutterschaft in Deutschland verboten ist, nehmen die Firmen, die sie anbieten, rund zwei Drittel der „Kinderwunsch-Messe“ ein. Die Leihmutterschaft ist das Kerngeschäft dieser Messe, hier sitzt das Geld, der Rest ist Randgeplänkel. Das Geschäft mit den Kindern, die über eine Leihmutterschaft im Ausland nach Deutschland importiert werden, floriert.

Ich frage mich, ob zum Beispiel ein Unternehmen, das den in Deutschland verbotenen Organhandel betreibt, offen auf so einer Messe werben dürfte. „Zu 100 Prozent gesunde Nieren!“, „Jeder hat das Recht auf eine gesunde Leber, wir helfen ihnen“.

Ich nehme an diesem verregneten Sonntag an verschiedenen Seminaren dieser Unternehmen teil. Im ersten, „Leihmutterschaft in den USA und die rechtliche Situation für deutsche Staatsbürger“, referiert ein Berliner Anwalt für das „Utah Fertility Center“ darüber, wie rückständig Deutschland ja leider wegen seines „überholten Embryonenschutzgesetztes“ ist und verweist auf die Leopoldina. Die „Akademie der Wissenschaften“ sprach sich Ende 2019 dafür aus, die „rechtliche Situation der Eltern zu erleichtern, die ein von einer Leihmutter im Ausland geborenes Kind in Deutschland als ihr eigenes eintragen lassen wollen“.

Aber keine Sorge: „Die Rechtslage ist nicht mehr so schwierig. Wer sich für eine Leihmutter in den USA entscheidet, geht auf Nummer sicher. Die Elternschaft wird in Deutschland nahezu problemlos anerkannt. Nur die Standesämter machen manchmal Probleme, weil sie sich nicht auskennen“, beruhigt der Anwalt seine potenziellen Klienten. Er beruft sich auf ein Urteil vom Bundesgerichtshof im Dezember 2014.

In der Tat hatte der Bundesgerichtshof ein Urteil des kalifornischen Superior Court anerkannt, nach dem zwei deutsche homosexuelle Lebenspartner als rechtliche Eltern eines durch Leihmutterschaft geborenen Kindes anerkannt wurden und als solche ins Geburtenregister eingetragen wurden. „Sicherheit kostet“, lacht der Anwalt. Er verweist warnend auf die Unsicherheit, die Länder wie die Ukraine oder Rumänien, also die Discount-Konkurrenten, so mit sich bringen.

Dann werden noch per Foto-Show Eizell-Spenderinnen vorgestellt, die dem Otto-Katalog entsprungen sein könnten. Tolle Haare und perfektes Make-Up, mal verträumt am Strand, mal verspielt auf der Blumenwiese. Der Mann vor mir im Publikum legt den Arm um die Schultern seines Partners. Ein anderer fragt nach den „ungefähren Kosten“ für eine Leihmutter. Tonya vom Institut gibt coronabedingt per Video-Schalte aus den USA Auskunft: „Wir versuchen alles, um eine Familie zu schaffen. Die Preise variieren. Genauere Infos gibt es an unserem Stand.“ Viele der Stände haben ein kleines Séparée für diese „intimen“ Fragen.

Foto: Shotshop/IMAGO.
Foto: Shotshop/IMAGO.

Mein nächstes Seminar hat „Legale Leihmutterschaft in einem EU-Land“ zum Thema. Ein in Bonn promovierter griechischer Professor für reproduktive Medizin preist die Vorteile der Leihmutterschaft in Griechenland an. Sein Institut „SFS“ ist eine der größten Reproduktionskliniken in Europa, „mit 3.000 Zyklen im Jahr“. Der Professor stellt die Inkubatoren für Embryonen vor, verweist auf die hohe Erfolgsquote seines Instituts in Athen. Nach Griechenland kämen in erster Linie Frauen, die krankheitsbedingt selbst keine Kinder kriegen könnten.

Leihmutterschaft ist in Griechenland gesetzlich klar geregelt, verankert im Familienrecht, in Artikel 1458 des Zivilgesetzbuchs. Eine gewisse Tradition hat sie unter Familienangehörigen. Schwestern, Cousinen, Mütter können dort das Kind ihrer unfruchtbaren Verwandten gebären. Dann ist eben die Großmutter nochmal die leibliche Mutter, wenn es bei der Tochter nicht wuppt.

Obwohl Griechenland eine so „liberale Gesetzgebung“ hat, sind homosexuelle Paare als Kunden von Leihmüttern ausgeschlossen. Aber, „das ändert sich in zwei Jahren“, versichert der Professor, der Anfang mit der „altruistischen Leihmutterschaft“ durch eine Verwandte ist ja gemacht. „Wunscheltern“ müssten zudem keinen Wohnsitz in Griechenland haben, den hätte ja die Leihmutter, die sonst aber keine Rolle spiele. „Sie wird nicht in die Geburtsurkunde eingetragen, das Gerichtsverfahren zur Anerkennung der Elternschaft kann direkt in Griechenland abgeschlossen werden.“

Weitere Vorteile, die laut Professor für Griechenland sprechen: „Wir haben eine wirklich alte Kultur, Athen ist sehr schön, tolle Restaurants. Wir sind nur drei Flugstunden von Deutschland entfernt und: Wir sind viel billiger als die USA.“ Hellas! Ich könnte einen Ouzo gebrauchen.

"Das ist die Zukunft! Sie wollen doch ein gesundes Baby?"

An einem Stand aus den USA wird über die Einschränkungen beim Baby-Kauf im Ausland durch Corona referiert. Ob es besser wäre, mit dem ganzen Vorhaben noch zu warten bis die Pandemie vorbei sei, fragen zwei Männer, die sich für eine Leihmutter in den USA interessieren. „Nein, auf keinen Fall. Es gibt ja Skype. Schieben Sie Ihren Herzenswunsch nicht auf. Dann haben Sie Ihr Baby im Arm, wenn Corona Geschichte ist“, erklärt der Referent zielstrebig. Corona dürfte den US-Baby-Markt getroffen haben, entnehme ich seiner Unentspanntheit. Sonst so prognosenstark hält auch er sich beim „Kostenvoranschlag“ bedeckt, „die Preise variieren, nähere Infos am Stand“.

Als nächstes frage ich an einem ukrainischen Stand – die Ukraine ist aktuell das Zentrum des europäischen Babyhandels für Leihmutterschaft, ein Baby kostet dort um die 50.000 € –, ob ich denn sicher sein könnte, dass die Leihmutter keinen Rückzieher macht und das Baby nicht doch noch behalten will. „Nein, keine Sorge, die Leihmutter hat keinerlei Rechte. Das Baby wird per Kaiserschnitt entbunden, und Sie bekommen es direkt auf den Arm“, beruhigt mich der Standbetreuer. Ich deute an, ethische Bedenken zu haben. Muss ich nicht: „Machen Sie sich keine Gedanken, es ist eine Win-Win-Situation für jeden! Die Leihmutter hat kein Interesse an dem Kind, sie schenkt Leben und verbessert finanziell damit ihr eigenes. Und Sie haben endlich ein gesundes Baby, eine Familie!“ Er kommt mir vor wie ein Gebrauchtwagenhändler. „Und Sie verdienen ja auch ein bisschen was dran, nicht wahr?“, kann ich mir nicht verkneifen.

"Die Preise variieren, nähere Infos am Stand."

Für den Kinderbeauftragten der Ukraine ist Leihmutterschaft übrigens „Sklaverei“. 2020 haben Leihmütter aus der Ukraine rund 1.500 Kinder ausgetragen, mindestens 137 davon haben einen Elternteil mit deutscher Staatsbürgerschaft.

Eine andere Mitarbeiterin des Standes zieht mich vertraulich zur Seite und versichert mir, dass „alle Leihmütter kein Interesse am Kind haben und die Schwangerschaft wie eine Art Brutzeit betrachten“. Leihmutterschaft wäre ein „echt entspannter Job“. „Das sind junge Frauen Mitte 20, die sind nicht so verkopft“, sagt sie, jede Frage der Moral mit wegwischenden Handbewegungen pulverisierend. Ob sie Kinder hat, frage ich sie. Und ja, sie hat zwei Mädchen. „Hätten Sie Ihre Schwangerschaften als Brutzeit betrachten können?“, frage ich sie nüchtern. „Nein“, sagt sie und kommt ins Stocken, „aber da ist ja jede Frau anders, und das gehört schließlich zur Selbstbestimmung, freie Entscheidungen zu treffen.“ Das Argument kenne ich schon, aus der Prostitution.

Dann frage ich die Stand-Mitarbeiterin einer russischen Agentur für Leihmutterschaft, wie es denn wäre, wenn sich während der Schwangerschaft herausstellt, dass das Kind behindert sein könnte. „Kein Problem“, sagt sie, „wird abgetrieben und der neue Versuch ist günstiger.“ „Und die Leihmutter?“, frage ich, mein Entsetzen unter der Corona-Maske verbergend. „Was soll mit ihr sein?“, fragt die Russin lapidar, „Ist alles im Vertrag“.

Eine Mitarbeiterin von der Konkurrenz gegenüber wirbt für Zypern, weil „Zypern total auf Nummer sicher geht, so von wegen Behinderung“. Das „North Cyprus Fertility Center“ stellt zum Beispiel für einen Versuch gleich zehn Embryonen her. Zwei werden der Leihmutter eingesetzt, der Rest wird „entsorgt“. Die KundInnen können sich die „besten zwei“ aussuchen. Und auch das Geschlecht könne ausgewählt werden. Auf Gender-Selektion steht in Deutschland übrigens Gefängnis, aber das nur nebenbei.

„Zehn Embryonen, Gender-Selektion, ist das nicht irgendwie Frankenstein?“, frage ich ungläubig. Die Mitarbeiterin lacht, „Nein, das ist die Zukunft! Sie möchten doch ein gesundes Baby, oder?“.

Mein letztes Seminar an diesem Tag trägt den Titel „Erfahrungsbericht Leihmutter“ und wird veranstaltet von einem Institut aus San Diego. Der dazugehörige Stand war mir bereits aufgefallen. Dort tummelten sich viele gutaussehende junge Männer. Ich bin gespannt auf die Leihmutter. Ist es eine aus dem Katalog? Wird sie auf ethische Fragen eingehen? Die habe ich nämlich auf der ganzen Messe noch nirgendwo entdeckt. Ich bin inzwischen die einzige Frau im Publikum, um mich herum sitzen ausschließlich schwule Paare. Gutaussehend, geschniegelte Klamotten, iPads zum Mitschreiben. Power-Couples.

Herein kommt dann aber keine Leihmutter, sondern Daniel (Name von der Redaktion geändert). Ein hübscher Kerl Mitte 30. Er schiebt einen Kinderwagen vor sich her. Darin schlummert seine Tochter. Ein ebenfalls gutaussehender Mitarbeiter des Instituts gibt vor, selbst auch ein „happy gay dad“ mittels Leihmutterschaft geworden zu sein. Er preist Daniel als guten Freund an, die Community lächelt. Dann erzählt Daniel. Sein Mann und er haben sich vor drei Jahren für ein Kind via Leihmutterschaft in den USA entschieden. Und die gute Nachricht: „Wir sind wieder schwanger!“. Beistimmendes Lächeln in der Runde. Daniel kann also „frisch“ berichten, wie das Baby-Shoppen im Ausland so funktioniert.

Erst müsse man sich eine Eizellenspenderin suchen, dann entscheiden, wer den Samen spendet, damit der Embryo entsteht. Und dann wählt man eben die Leihmutter aus. Vorsicht ist geboten: „Ich kann nur jedem raten, alles vertraglich zu fixieren, da steht einem das Institut zur Seite. Was ist zum Beispiel, wenn es Zwillinge sind? Seid ihr bereit, auch zwei Kinder zu nehmen oder will man reduzieren?“ Sprich, einen Embryo abtreiben. Daniel ist sehr für Sicherheit, deswegen haben er und sein Mann sich für die USA entschieden. Ein Mann aus dem Publikum stellt die Kostenfrage. Die variiert natürlich, aber Daniel wird konkreter. „Es kommt auf euch an, auf das, was ihr wollt. Die reinen Kosten für das Prozedere mit dem Institut liegen bei 150.000 Dollar.“ Aber da fehlten noch die Flüge in die USA, die Unterbringung, wenn es auf die Geburt zugeht, die rechtliche Absicherung. „Es ist auch nicht jedermanns Sache mit einem Neugeborenen einen Langstreckenflug zu machen“, erzählt Daniel.
Bei ihm und seinem Mann hätte es länger gedauert. Das Mädchen kam zwei Monate zu früh und musste auf der Intensiv-Station versorgt werden. Zum Glück hatte die deutsche (!) Krankenversicherung die Kosten von 650.000 Dollar übernommen. Das Gericht in Kalifornien hat Daniels Mann als „Vater“ und „Daniel“ als Mutter in die Geburtsurkunde eingetragen. „Das ist dort durchstandardisiert“, sagt er. In Deutschland müsse man dann halt noch eine Nachbeurkundung beantragen. Ja und dann, dann sei alles endlich ganz normal.

Daniel: "Nehmt ihr auch zwei Kinder oder wollt ihr reduzieren?"

Normal? Normal ist für mich an diesem Tag gar nichts. Ich kann nicht fassen, wie offen über das Geschäft mit Babys und ihren Müttern „referiert“ wird – mitten in einem Land, das dieses Geschäft ausdrücklich verbietet. Auf den hier beschriebenen „Kinderwunschtagen“, wie die Reproduktionsmedizinlobby ihre „Publikumsevents“ nennt, wird Kinderhandel angebahnt, der nach der Haager Konvention für Adoptionsverfahren international geächtet werden sollte. Sogar die deutsche Politik unterhöhlt deutsches Recht.

Die FDP, die schon bald wieder eine größere Rolle im Bundestag spielen könnte, wirbt offen und flankiert von einer überwiegend homosexuell geprägten Lobby für das Geschäft mit Frauen und Kindern. Der erste Schritt, nach griechischem Modell: Familienangehörige sollen durch „altruistische Leihmutterschaft“ Kinder für homosexuelle Paare austragen dürfen. Die FDP-Bundestagsabgeordnete Katrin Helling-Plahr nennt das „Leihmutterschaft aus Nächstenliebe“ und rührt, wo sie kann, die Werbetrommel. Ihrer Meinung nach habe der „Staat kein Recht, dieses Glück zu verhindern“.

Nein. Niemand hat das Recht auf ein Kind. Niemand hat das Recht einen anderen Menschen zu kaufen. Kinder und Frauen sind keine Ware.

ANNIKA ROSS

IM NETZ: www.stoppt-leihmutterschaft.at

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