Union & SPD für Freier-Bestrafung

Artikel teilen

Die Verurteilung der Menschenhändler soll nicht länger von der Aussage des Opfers abhängig sein. Das war bisher ein großes Problem, da die mit psychischer und physischer Gewalt bedrohten, oft hilflosen Opfer nur in den seltensten Fällen überhaupt wagten, auszusagen. Zudem soll das Aufenthaltsrecht der Opfer verbessert, soll ihnen Betreuung und Beratung zur Verfügung stehen.

Anzeige

Ganz grundsätzlich will das neue Prostitutionsgesetz die Deregulierung der Reform von 2002 zurückdrehen und "umfassend überarbeiten". Ebenso sollen die "ordnungsbehördlichen Kontrollmöglichkeiten" verbessert werden - was allerdings eher ein Rückschritt wäre. Denn das würde bedeuten, dass die Kontrolle der Bordellbetriebe in Zukunft unter die Zuständigkeit der Ordnungsämter fielen - doch die sind dem (semi)kriminellen Milieu von Menschenhändlern, Zuhältern und Bordellbetreibern alles andere als gewachsen. Zuständig sein müsste die Polizei.

Dennoch ist diese Absichtserklärung der zukünftigen Koalition ein enormer Fortschritt. Zu verdanken ist sie vor allem dem Protest der vergangenen Wochen aus der Bevölkerung, ausgelöst durch den von EMMA lancierten "Appell zur Abschaffung der Prostitution".

Die jetzt verkündeten Maßnahmen sind allerdings nur ein erster Schritt gegen das Elend von hunderttausenden Armuts- und Zwangsprostituierten in Deutschland. Neun von zehn Prostituierten wollen aussteigen - sie sollten das auch in Deutschland endlich tun können!

Einen Wermutstropfen allerdings gibt es bei der geplanten Bestrafung der Freier von Frauen in Zwangslagen. Die gibt zwar das richtige Signal: Nämlich dass Frauenkauf kein Kavaliersdelikt, sondern ein Verstoß gegen die Menschenwürde ist. Doch sie ist nicht mehr als ein symbolisches Signal.

Gerade erklärte die finnische Justizministerin Anna-Maja Henriksson den Bankrott der in Finnland 2006 eingeführten Bestrafung der Freier von Zwangsprostituierten. Denn die "Zwangsprostitution" ist quasi unbeweisbar, weil gerade ihre Opfer oft kein Wort der Landessprache können, hilflos und abhängig sind, bedroht werden. Darum schlägt Henriksson jetzt die Bestrafung aller Freier vor, also ein konsequentes Prostitutionsverbot nach dem schwedischen Modell.

Die französische Frauenministerin Najat Vallaud-Belkacem sieht es ebenso. Ab dem 28. November wird das Parlament das von ihr vorgeschlagene Verbot der Prostitution inklusive der Bestrafung der Freier diskutieren. Denn die Kunden sind es ja, die den Prostitutionsmarkt überhaupt erst schaffen.

Die Prostituierten bleiben bei allen Modellen straffrei. Im Gegenteil: Beratung und Ausstiegshilfen für sie sollen intensiviert werden.

Artikel teilen

Parteien-Basis mobilisiert!

Fraktionsvorsitzender Björn Thümler mit MdL Angelika Jahns beim Unterzeichnen.
Artikel teilen

Fraktionsvorsitzender Thümler ließ persönlich die Unterschriftenliste kursieren – alle 54 Abgeordneten haben ihren Namen unter den Appell gesetzt. Denn in der Messestadt Hannover ist das Prostitutionselend besonders groß und unübersehbar. Besonders schockierend sind die sogenannten „Lovemobile“, sprich: Wohnwagen, in denen Frauen entlang den Bundesstraßen und auf Parkplätzen ihren Körper verkaufen. Die hygienischen sowie die Sicherheitsbedingungen sind in diesen isolierten Wohnungen besonders desolat. „Die CDU-Fraktion geht davon aus, dass auch die Wohnmobil-Prostitution vom Menschenhandel betroffen ist. Deshalb haben wir bereits am 15. August beantragt, dass seitens der Niedersächsischen Landesregierung eine umfassende Untersuchung dieser unter besonders unwürdigen Umständen stattfindenden Form der Prostitution in Auftrag gegeben wird“, so Thürmer. Auch 30 Gleichstellungsbeauftragte hatten in einem Offenen Brief an Innenminister Boris Pistorius (SPD) die Eindämmung der „Lovemobile“ gefordert. „Es ist unverantwortlich, dass als Frauenbild vermittelt wird: Frauenfleisch ist käuflich“, erklärte Anne Behrends, Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Stade.

Anzeige

Auch dass viele Bordelle des Hannoveraner Steintorviertels fest in der Hand der Hells Angels sind, dürfte zum Widerstand der quasi benachbarten CDU-Landtagsfraktion geführt haben. Und was sagt die SPD unter Ministerpräsident Stefan Weil dazu? Die hält sich derzeit noch bedeckt.

In der 20.000 EinwohnerInnen-Stadt Waldbröl im Kraft-Land NRW hingegen gibt es bei dem Problem Prostitution keine parteipolitischen Schranken. „Einstimmig und ohne Wenn und Aber hat sich der Waldbröler Stadtrat der EMMA-Resolution angeschlossen, mit der eine dringende Änderung des 2002 beschlossenen Prostitutionsgesetzes gefordert wird“, berichtete die lokale Oberbergische Volkszeitung. Die Initiative war von der SPD ausgegangen, deren Antrag in diesem Sinne am Wochenende auch beim Bundesparteitag der Sozialdemokraten diskutiert wurde.

SPD, Grüne und CDU sind sich einig. Die stellvertretende Bürgermeisterin Christel Kirsch (SPD) erklärte entschlossen: „Das Thema steht zwar auf der Agenda der Koalitionsverhandlungen. Das sollte uns aber nicht daran hindern, auch an der Basis Dampf zu machen!“ Der örtliche SPD-Vorsitzende Jürgen Hennlein unterstützt die engagierte Leiterin des Waldbröler Jugendzentrums, und auch die in der Kreisstadt mehrheitliche CDU sowie die kleine grüne Fraktion sind dabei.

Zusammen mit der Gleichstellungsbeauftragten Carmen Munoz-Berz plant Bürgermeister Peter Koester (CDU) auch eine Aufklärungskampagne für die Bevölkerung. Denn auch im ländlichen Oberberg werden die Armuts- und Zwangsprostituierten von Bordell zu Bordell geschoben, so lange sie „Frischfleisch“ sind. Wo sie dann landen, das weiß niemand. Denn in Deutschland sind seit der Reform von 2002 die Frauen in der Prostitution noch nicht einmal mehr registriert.

Nicht nur in Waldbröl wird sich das hoffentlich ändern!

Weiterlesen
 
Zur Startseite