Israel: Knesset für Freierbestrafung!

Aliza Lavie, Abgeordnete der linken Partei "Yesh Atid".
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Es war ein „historischer Moment“, sagt die Knesset-Abgeordnete Aliza Lavie. Denn es passiert selten, dass sich im israelischen Parlament die Parteien einig sind – oft trennen sie bekanntlich Welten. In dieser Frage jedoch stimmten sie alle dafür: Männer, die Frauen kaufen, sollen künftig bestraft werden! Und: Frauen und Männer in der Prostitution sollen beim Ausstieg unterstützt werden.

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Eine Überraschung war die Entscheidung der Knesset in erster Lesung allerdings nicht. Denn die beiden Gesetzentwürfe – der eine für die Freierbestrafung, der andere für die Ausstiegsprogramme – wurden von einer parteiübergreifenden Politikerinnen-Allianz aus Regierungsparteien und Opposition eingebracht: von Aliza Lavie von der liberalen Yesh Atid, Zehava Ga-Lon von der linken Meretz und Shuli Moalem-Refaeli von der nationalreligiösen Habayit Hayehudi. Und schon im Vorfeld hatten 71 Abgeordnete (von 120) ihre Zustimmung erklärt.

Seit zehn Jahren hatten die Politikerinnen Überzeugungsarbeit geleistet, um das so genannte Nordische Modell auch in Israel durchzusetzen. Seit Schweden 1999 als erstes Land der Welt Prostitution als Verstoß gegen die Menschenwürde verurteilt und das so genannte „Sexkaufverbot“ eingeführt hatte, folgten immer mehr Länder diesem Beispiel: In Norwegen, Island, Irland, Nordirland, Frankreich und Kanada macht sich strafbar, wer einen Menschen für Sex kauft. Die Prostituierten selbst wurden entkriminalisiert.

So soll es in absehbarer Zeit auch in Israel kommen. Vor einigen Monaten hatte Justizministerin Ayelet Shaked eine Untersuchung zum Thema in Auftrag gegeben. Die Ministerin, von Haus aus Elektrotechnikerin, will die Ergebnisse bald präsentieren. Schon jetzt aber ist sie absolute Befürworterin der Freierbestrafung. „So lange Prostitution nicht kriminalisiert ist, signalisieren wir unseren Kindern, dass sie okay ist.“

Das Gesetz wird dazu beitragen, die Nachfrage zu reduzieren: Sie treibt die Sex-Industrie an

Ministerin Shaked will nun selbst einen Gesetzentwurf einbringen. Inhaltliche Differenzen scheint es zwar keine zu geben. „Aber als Regierung bevorzugen wir ein Gesetz, das von der Regierung kommt“, erklärte die Justizministerin. Vermutlich wollten die drei Abgeordneten Lavie, Ga-Lon und Moalem-Refaeli mit ihren so genannten „Private Bills“, also den von ihnen eingebrachten Entwürfen, aufs Tempo drücken. Das hat funktioniert. Ministerin Shaked hat versprochen zu handeln.

„Das Gesetz wird dazu beitragen, die Nachfrage zu reduzieren, denn sie ist es, die diese ganze Industrie antreibt. Es wird außerdem helfen, die vielen Frauen und Männer, die aus der Prostitution aussteigen wollen oder ausgestiegen sind, wieder in die Gesellschaft zu integrieren“, sagt Aliza Lavie, die auch Sprecherin des Knesset-Komitees zur Bekämpfung von Menschenhandel und Prostitution ist. Geht es nach ihrem Entwurf, sollen Freier entweder eine Geldstrafe bekommen oder zum Besuch eines Kurses auf der so genannten „John’s School“ verdonnert werden (John = der englische Slang-Ausdruck für Freier).

Dass Israel die Freierbestrafung einführen wird, steht also außer Frage. „Die Unterstützung für das Gesetz aus Politik und Zivilgesellschaft ist beispiellos“, sagt Aliza Lavie. „Ich bin sicher, dass Israel spätestens im nächsten Jahr der Riege fortschrittlicher Staaten folgt.“ Bleibt also nur eine Frage: Wann folgt Deutschland?

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Kein Sexkauf in Irland!

Hier protestiert "Turn off the red light" vor dem Irischen Parlament gegen Prostitution, rechts Rachel Moran.
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Klarer hätte das Votum des Dáil Éireann, des irischen Unterhauses, kaum ausfallen können: 94 Abgeordnete stimmten dafür, dass es jetzt auch in Irland strafbar sein soll, einen Menschen für Sex zu bezahlen. Die Prostituierten hingegen werden gänzlich entkriminalisiert. Fünf Parteien, von Sinn Féin bis Labour, stimmten dafür, nur die (winzigen) Grünen und eine Handvoll Abgeordneter waren dagegen oder enthielten sich. Und schließlich bestätigte auch das irische Oberhaus, der Seanad Éireann: ­Irland bekommt das Sexkaufverbot!

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Was das emanzipierte Schweden schon 1999 eingeführt hatte, haben in den letzten Jahren immer mehr europäische Länder übernommen: Auch in Norwegen, Island, Nordirland und Frankreich gilt Prostitution heute als Verstoß gegen die Menschenwürde.

„Es ist großartig in einem Land aufzuwachen, in dem ein Mann nicht länger für mich, für dich oder irgendeine andere Frau oder einen Mann bezahlen kann“, jubelte SPACE international über den Beschluss des Parlaments. Die Organisation, in der ausgestiegene Prostituierte aus vielen Ländern gegen die Prostitution kämpfen, ist Mitglied der irischen „Turn Off the Red Light Campaign“. Diesem breiten Bündnis aus 72 Organisationen – vom Irish Feminist Network bis zum Gewerkschaftsbund, von den Pfadfinderinnen bis zum Landfrauenverband – und seiner jahrelangen beharrlichen Überzeugungsarbeit ist es zu verdanken, dass das irische Parlament schließlich für das Sexkaufverbot stimmte.  

2006 hatte die „Rotlicht aus“-Kampagne ihren Kampf für die Freierbestrafung begonnen. Sie gab Studien in Auftrag, lud schwedische PolitikerInnen ein und organisierte Anhörungen mit Betroffenen. Sie holten den Gewerkschaftsbund ins Boot, der sich der Kampagne anschloss und verkündete, „Sexarbeit“ niemals als „Beruf“ anzuerkennen.

Im Februar 2012 wurde das Land aufgeschreckt durch die TV-Dokumentation „Profiting from Prostitution“. In dem Film, der zur besten Sendezeit lief, deckte Reporter Paul Maguire mit Hilfe von fingierten Anzeigen auf, in welchem Ausmaß der irische Prostitutionsmarkt in der Hand von Zuhältern und Menschenhändlern ist. Wenige Monate später beginnt der Parlamentsausschuss für Justiz und Gleichberechtigung eine Recherche über Prostitution und bittet Prostituierte, über ihre Erfahrungen zu berichten. Über 850 Berichte gehen ein. Der Ausschuss empfiehlt die Freierbestrafung. 

Im Dezember 2013 beschließt Frankreich ein Sexkaufverbot, im Juni 2014 folgt Kanada und schließlich, im Juni 2015, Nordirland. Jetzt ist es auch in Irland soweit. Die „Sexual Offences Bill“ – das „Gesetz gegen sexuelle Vergehen“ – ist ein ganzes Gesetzespaket, das auch verschärft gegen Kinderpornografie oder sexuelle Belästigung im Internet vorgeht. Denn ganz wie die SchwedInnen, die ihr Sexkaufverbot 1999 als Teil ihres „Kvinnofrid“-Gesetzes für „Frauenfrieden“ verabschiedeten, betrachtet auch Irland Pros­titution als Gewalt gegen Frauen.

„Eine Menge Menschen, die für dieses Gesetz gesorgt haben, waren selbst in der Prostitution in diesem Land“, sagt Rachel Moran, die seit ihrem 15. Lebensjahr sieben Jahre lang in der Prostitution war und seither unermüdlich gegen diesen „sexuellen Missbrauch“ kämpft. „Die ‚Sexual Offences Bill‘ ist eins der am besten recherchierten Gesetze, das Irland jemals verabschiedet hat.“

Nachdem Mitte Februar auch das Oberhaus sein endgültiges Go gegeben hatte, twitterte Rachel: „Dieser neue Tag in Irland gehört nicht nur den Überlebenden der Prostitution. Er gehört jedem kleinen Mädchen, das in Irland aufwächst. Er gehört ihrer Zukunft“.  

 

 

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