Schweiz liefert Polanski nicht aus

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Seit heute ist Roman Polanski ein freier Mann. Statt ihn, wie geplant, in die USA auszuliefern, ließ die Schweiz den in seinem Gstaader Ferienhaus mit Fußfesseln festgesetzten Regisseur frei.

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Der Pole mit der französischen Staatsangehörigkeit wird also in Zukunft in Europa nichts mehr zu befürchten haben – und Amerika wohl weiter meiden. Justizministerin Widmer-Schlumpf begründete die Freilassung mit einer „mangelnden Kooperation“ der US-Justizbehörden und dem „Vertrauen Polanskis in die Schweiz“. Wo er seit 2006 ein Chalet hat.

Der heute 76-Jährige war am 26. September 2009 auf Veranlassung der amerikanischen Justiz bei der Einreise in die Schweiz verhaftet worden. Polanski hatte sich 1977 für schuldig erklärt, mit einer 13-Jährigen Geschlechtsverkehr gehabt zu haben, saß 42 Tage in Untersuchungshaft und floh vor der Urteilsverkündung nach Europa. – Seither stellt er sich auf den Standpunkt, mit den 42 Tagen habe er seine Schuld verbüßt, denn der damalige – inzwischen verstorbene – Richter habe ihm zugesichert, er müsse nicht mehr ins Gefängnis.

Theoretisch könnte Roman Polanski die Schweiz nun auf Schadenersatz verklagen für die 289 Tage in Haft und Hausarrest. Sie „rechne aber nicht damit“, sagte die Justizministerin. Denn Polanski selber habe die Dauer des Hausarrestes zu verantworten, die durch die von ihm gewünschte genaue Überprüfung des Sachverhaltes in der Schweiz entstanden sei.

Im Mai dieses Jahres hatte eine weitere Frau Polanski vorgeworfen, sie als Minderjährige missbraucht zu haben: Die englische Schauspielerin Charlotte Lewis, 42, erklärte öffentlich, im Alter von 16 Jahren von Polanski in dessen Pariser Wohnung „auf schlimmste Art und Weise“ sexuell missbraucht worden zu sein. Lewis spielte damals eine Nebenrolle in Polanskis Film „Piraten“. Polanski stritt die Anschuldigung ab.

 

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