Das Gesetz schützt Zuhälter

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19. Oktober 2001. In Berlin knallen die Sektkorken. SPD-Frauenministerin Christine Bergmann und Grünen-Sprecherin Kerstin Müller stoßen an mit Bordell-Chefin Felicitas Weigmann. Grund der Freude: Die Reform des Prostitutionsgesetzes, nach der Prostitution von nun an nicht mehr als „sittenwidrig“ gilt und darum auch die „Förderung von Prostitution“ (durch Zuhälter und Bordellbesitzer) nicht länger strafbar ist.

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Vorgebliches Ziel der Reform: die Entkriminalisierung von Prostituierten, die Prostitution soll „ein Beruf wie jeder andere“ werden. Prostituierte sollen in Zukunft „Arbeitnehmerinnen“ sein und sich bei der Krankenversicherung und Rentenversicherung anmelden können.

30. Juni 2004. In Berlin treffen sich zu einem Hearing Hilfsorganisationen, Polizisten und Juristen und resümieren ihre Erfahrungen mit dem Menschenhandel mitten in Deutschland. Anlass: Die überfällige Verschärfung des Gesetzes gegen Menschenhandel. Es stellt sich heraus, dass Deutschland nicht nur innerhalb der EU das Schlusslicht ist bei der Verfolgung von Menschenhandel, sondern auch, dass das neue Prostitutionsgesetz den Kampf gegen Menschenhandel zunehmend erschwert.

Der Bamberger Generalstaatsanwalt Heinz-Bernd Wabnitz, schon durch seine Nähe zu Tschechien permanent mit dem Problem konfrontiert, klagt: „Durch die Reform wurde der Widerspruch geschaffen, Menschenhandel zu bestrafen, obwohl Prostitution jetzt eine rechtmäßige Dienstleistung ist. Von der Bordell- und Zuhälterszene ist der Druck weitgehend genommen. Die Zuhälter verschanzen sich hinter diesem Gesetz.“

Bundesversicherungsanstalt und Krankenkassen melden, dass die Anmeldungen von Prostituierten als Arbeitnehmerinnen „gegen Null tendieren“. Gleichzeitig ist die Verfolgung von Zuhältern und Menschenhändlern durch die Legalisierung der Prostitution fast unmöglich geworden.

15. Mai 2006. Auf Anfrage von EMMA berichtet die bayerische Justizministerin Beate Merk, aus deren Haus der Vorschlag zur Revision der Reform kommt: „Aufgrund der durch das Prostitutionsgesetz bewirkten Entkriminalisierung brach beispielsweise die Anklage einer Staatsanwaltschaft gegen den Betreiber mehrerer Bordelle und Wohnungen in sich zusammen, der das Tätigwerden von Prostituierten umfänglich geregelt und zu deren Überwachung Kameras und Monitore installiert hatte. Sichergestellte Einnahmen aus dem Bordellbetrieb in Höhe von über einer Million Euro mussten an ihn zurückgezahlt werden.“ Resignierter Kommentar des Staatsanwaltes: Das neue Gesetz „führt faktisch zu einem Schutz der Zuhälter und einer verstärkten Abhängigkeit der Prostituierten.“

26. April 2006. Das Kabinett nickt – auf der Basis einer Bundesratsinitiative – endlich ein Gesetz zur Bestrafung von Freiern von Zwangsprostituierten ab. Ihnen drohen in Zukunft Strafen von bis zu fünf Jahren Gefängnis – wenn der Gesetzentwurf auch im Bundestag durchkommt (wo es bei dem Thema vermutlich hoch hergehen wird). Doch den zweiten Teil des Gesetzentwurfes zur Reform der Reform wies das schwarz-rote Kabinett zurück – mit dem Hinweis, die angekündigte Begleitforschung zu dem neuen Gesetz läge ja noch nicht vor. Und die sei schließlich laut Koalitionsvertrag Voraussetzung für eine eventuelle Revision des Gesetzes.

Und nun wird es spannend: Die Resultate der Begleitforschung waren noch von der SPD-Frauenministerin Schmidt für Frühling 2005 angekündigt worden. Dann wurden sie auf Sommer 2005 verschoben, Begründung: Die Leiterin des Forschungsinstituts sei krank. Sodann wurden sie auf Herbst 2005 verschoben, dann auf März 2006 – und liegen immer noch nicht vor.

Auf Nachfrage teilte das Forschungsinstitut SoFFI K. in Berlin mit, es habe die Begleitstudie zur Veröffentlichung bereits im August 2005 beim Familienministerium abgeliefert (also einen Monat vor der Wahl). Beim Familienministerium jedoch heißt es im Mai 2006, die Studie sei „gerade erst fertig geworden“.

Juni 2006. Was ist da faul? Warum wird die Studie nicht veröffentlicht, obwohl sie seit einem Jahr vorliegt und ihre Ergebnisse dringlich erwartet werden? Soll die so nötige Revision des Gesetzes verzögert werden? Und wer hat daran ein Interesse? Auf jeden Fall die davon profitierende Zuhälterszene und die BordellbetreiberInnen. Bei ihnen bedankt sich das Forschungsinstitut auf seiner Homepage übrigens gleich an zweiter Stelle, direkt nach den Prostituierten. Der Dank dürfte gegenseitig sein.

Jetzt ist es an Frauenministerin von der Leyen, endlich Konsequenzen zu ziehen. Wetten, dass die Debatte noch höhere Wellen schlagen wird als die Vätermonate?!

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