Alice Schwarzer schreibt

Frankreich: Die Burka ist verboten

Die französische Konvertitin Anne mit Ehemann Lies Hebbadj und Anwalt. - Foto: Evrard/AFP/getty
Artikel teilen

Nicht zufällig zum Jahrestag der Französischen Revolution verabschiedete das französische Parlament mit großer Mehrheit ein Verbot der Burka. Die rechtlich vorsichtige Formulierung lautet: „Niemand darf im öffentlichen Raum eine Kleidung tragen, die dazu bestimmt ist, das Gesicht zu verhüllen.“ Die Sozialisten, Kommunisten und Grünen enthielten sich – bis auf 20 AbweichlerInnen – der Stimme. 82 Prozent aller FranzösInnen begrüßen das Burka-Verbot ebenso wie die Mehrheit der sechs Millionen MuslimInnen in Frankreich. Präsident Nicolas Sarkozy hatte das Gesetz vorangetrieben und erklärt, die Burka verstoße „gegen die Würde der Frau“. - Auch in Belgien wurde der Ganzkörperschleier verboten. In Deutschland scheint das Problem noch kein Thema zu sein.

Anzeige

Frankreich macht Ernst mit dem Verbot der Burka. Am 19. Mai 2010 verabschiedete die Regierung einen Gesetzentwurf, nach dem das Tragen der Burka im öffentlichen Raum mit einer Geldstrafe bis zu 150 Euro und/oder der Verurteilung zu einem Besuch eines Aufklärungskurses über die Bürgerrechte geahndet wird. Am 13. Juli wurde der Gesetzentwurf von der Nationalsversammlung verabschiedet. Und es besteht kein Zweifel daran, dass das Gesetz im September im Senat durchgeht.

Eine Vorstellung von der Würde des Menschen

Nicolas Sarkozy steht seit einem Jahr an der Spitze derer, die ein Burka-Verbot fordern. „Wir sind eine alte Nation, die sich einig ist in Bezug auf eine gewisse Vorstellung von der Würde des Menschen, insbesondere der Würde der Frau“, erklärte der Präsident. „Der Vollschleier, der das Gesicht verbirgt, verletzt unsere fundamentalen republikanischen Werte.“

Im Sommer 2009 war die Debatte von dem kommunistischen Bürgermeister André Gérin angestoßen worden. Ihm war mitten auf dem Marktplatz von Vénissieux eine Gestalt unter der Burka entgegengekommen. Gérin ging in die Offensive. Dieses Gewand sei „ein ambulantes Gefängnis“ erklärte der Bürgermeister. „Und die Burka ist nur die Spitze des Eisberges. In etlichen Vierteln unserer Stadt sind überhaupt keine Kontakte zwischen Männer und Frauen mehr möglich ohne Bespitzelung. Der Fundamentalismus ist eine wirkliche Bedrohung für uns alle.“

Damit sprach Monsieur Gérin den Französinnen und Franzosen aus dem Herzen. Eine überwältigende Mehrheit ist inzwischen für ein Burka-Verbot, und das nicht nur unter den Konservativen, sondern auch unter den Liberalen und Linken. Nicht zuletzt diese Stimmung ist es, die den angeschlagenen Präsidenten Sarkozy zum Durchgreifen in der Frage beflügelt.

Selbst die Sozialisten, die gegen ein Verbot der Burka sind, vertreten inzwischen die Auffassung, das Tragen des Ganzkörperschleiers sei „ein Verstoß gegen das Prinzip der Gleichheit von Männern und Frauen“. Dabei hatte Sozialisten-Chefin Martine Aubry noch vor kurzem erklärt, bei einem Burka-Verbot blieben die „burkatragenden Frauen zu Hause, und wir sehen sie nicht mehr“. Dass die gestandene Parteiführerin die Burkaträgerinnen schon jetzt nicht mehr sieht, ist ihr anscheinend noch nicht aufgefallen. Vielleicht, weil sie nicht genau genug hinsieht?

Für die deutschen Medien bisher kein Thema

Auch Belgien hat im Mai 2010 ein Burka-Verbot erlassen und in den skandinavischen Ländern wird es heiß diskutiert. In Deutschland allerdings scheint man das Burka-Problem bisher nicht sonderlich ernst zu nehmen, zumindest in den Medien nicht. So hatte die deutsche Berichterstattung über die französische Burka-Debatte fast unisono einen Ha-ha-ha-Tenor (SZ: „Schleierhafte Debatte“).

Auch die Politik scheint sich bisher noch wenig Gedanken über das Kopftuch hinaus gemacht zu haben. Nur die liberale EU-Politikerin Silvana Koch-Mehrin, in Brüssel internationaler informiert, forderte das Verbot der Burka für ganz Europa, Argument: „Wer Frauen verhüllt, nimmt ihnen das Gesicht und damit ihre Persönlichkeit. Die Burka ist ein massiver Angriff auf die Rechte der Frau, sie ist ein mobiles Gefängnis.“ Und auch die CSU-Ministerin Haderthauer erklärte: „Das Tragen einer Burka raubt Frauen ihre Identität, würdigt sie zu gesichts- und körperlosen Schatten herab. Solche Herabwürdigungen haben bei uns keinen Platz. Das müssen wir deutlich machen, wenn notwendig auch mit einem Burka-Verbot in Deutschland.“

Bei der Schwesterpartei scheinen diese Bedenken noch nicht angekommen zu sein. Gleich drei prominente CDU-PolitikerInnen äußerten sich jüngst pro Burka: Innenminister de Maizière findet ein Burka-Verbot „nicht erforderlich und unangemessen“. Die Staatsministerin für Integration, Maria Böhmer, hat noch nie eine Burka in Deutschland gesehen. Und Ex-Bundespräsident Köhler mochte „die Diskussion nicht ideologisch führen, sondern aufklären.“

Vollverschleierte Autofahrerin war der Auslöser

Eigentlich ein guter Ansatz – wenn alle das so sehen würden. Das Fass zum Überlaufen gebracht hatte in Frankreich nämlich im April 2010 eine Autofahrerin im Niqab, einer Burka-ähnlichen Vollverschleierung, die eine Strafe von 22 Euro wegen „verkehrsschädigenden Verhaltens“ zahlen musste. Es handelte sich um Anne Hebbadj, die Frau eines Algeriers, der dank seiner Eheschließung mit Anne im Besitz der französischen Staatsangehörigkeit ist. Die vollverschleierte Anne Hebbadj ist Konvertitin, wie die Mehrheit der aktuell etwa 2000 Burka-Trägerinnen in Frankreich (!).

Als die Affäre publik wurde, sickerte durch, dass Annes Ehemann, Lies Hebbadj, wohl noch weitere drei Frauen und zwölf Kinder hat. Daraufhin wurde Hebbadjs Ausweisung wg. Polygamie in Erwägung gezogen. Der Algerier-Franzose verteidigte sich geschickt: Wer denn beweisen könne, dass er vier Mal verheiratet sei? Schließlich hätten französische Männer auch oft Geliebte – ohne deswegen der Polygamie bezichtigt zu werden.

Doch wer ist Lies Hebbadj? Er hat eine Metzgerei in Nantes und ist Anhänger der Tabligh-Sekte, einer wortgläubigen Missionarsbewegung, die sich der strikten Auslegung des Korans verschrieben hat. Hebbadj war schon mehrfach in Pakistan und wird seit Jahren vom französischen Geheimdienst observiert. Seine Frau Anne, eine eifrige Konvertitin, wird also kaum aus Naivität gehandelt, sondern bewusst provoziert haben. Übrigens: Alle Prozesse, die bisher in Europa im Kampf um Kopftuch bzw. Burka gelaufen sind, scheinen einen organisierten islamistischen Hintergrund zu haben.

Und was ist mit dem Vorwurf der Polygamie gegen Monsieur Hebbadj? Seine Antwort darauf wird einfach sein: Ein strenggläubiger Muslim heiratet nicht standesamtlich, sondern nur nach muslimischem Recht. Rein juristisch ist Hebbadj also vermutlich keine „Polygamie“ nachzuweisen. Und die vollverschleierte Anne hat er wahrscheinlich nur standesamtlich geheiratet, um die französische Staatsbürgerschaft zu erlangen. In Deutschland ist dieser Weg zur Erlangung der Staatsbürgerschaft übrigens in islamistischen Kreisen seit den 1980er Jahren eine regelrechte systematische Strategie.

Al-Quaida Führer droht mit Racheakten

Nachdem Frankreich im Herbst 2008 erfolgreich das Kopftuch-Verbot in der Schule für Lehrerinnen und Schülerinnen verabschiedet hatte, drohte der Al-Quaida-Führer Abou Moussab Abdoul Wadoud offen: „Wir werden uns im Namen der Ehre unserer Töchter und Schwestern an Frankreich rächen.“ Und er fuhr fort: „Heute ist es der Tschador, morgen ist es der Niqab.“ Seine Prophezeiung ist nun in Erfüllung gegangen. Jetzt ist es der gesichtsverdeckende Niqab. Und morgen? Morgen die ganze Welt?

Doch Präsident Sarkozy, der als Sohn eines Ungarn und einer griechischen Jüdin selber einen „Migrationshintergrund“ hat, ließ sich nicht einschüchtern. Die eher linke Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch allerdings warnte vor einem Burka-Verbot: Damit „stigmatisiere“ man die Frauen nur. Außerdem sei das Burka-Tragen ein „Menschenrecht“. Und Amnesty International erklärte, ein Verbot, das Gesicht zu verhüllen, würde „die Grundrechte von Frauen verletzen“, denn der Ganzkörperschleier sei „Ausdruck ihrer Identität und ihres Glaubens“.

Die Musliminnen in der französischen Politik, wie die (Ex)Staatssekretärinnen Fadela Amara oder Rama Yade, sehen das ganz anders. Amara, Franco-Algerierin, ist zuständig für die Vorstädte und Gründerin der Musliminnen-Organisation „Ni putes ni soumises“ (Weder Hure noch Unterworfene). Sie plädiert uneingeschränkt für ein Verbot der Burka, die für sie ein „sichtbarer Ausdruck der Fundamentalisten in unserem Land“ ist. Für die afrikanisch-stämmige Ex-Staatssekretärin Yade ist die „menschenverachtende Burka“ gar der „reine Hohn“.

Diese Musliminnen, die ja die ersten Opfer der Islamisten auch innerhalb ihrer eigenen Community sind, haben in Frankreich die Mehrheit der nichtmuslimischen Frauen an ihrer Seite. Als eine der ersten erhob die Philosophin Elisabeth Badinter – die sich bereits zur ersten Schleieraffäre in Frankreich, die 1989 ebenfalls von aktiven Islamisten inszeniert worden war, engagiert geäußert hatte – ihre Stimme: „Sind wir in Ihren Augen so verachtenswert und unrein, dass Sie jeden Kontakt, jede Beziehung mit uns verweigern, bis hin zu einem kleinen Lächeln?“, fragte sie in einem Offenen Brief die Burka-Trägerin. Und fuhr fort: „In Wahrheit nutzen Sie die demokratischen Freiheiten, um die Freiheit abzuschaffen. Das ist eine Ohrfeige für alle Ihre unterdrückten Schwestern, denen für diese Freiheiten, die Sie so verachten, die Todesstrafe droht.“

Wir dürfen gespannt sein, wie es weitergeht. Auch in Deutschland.
 

Weiterlesen
Alice Schwarzer (Hrsg.): „Die große Verschleierung – für Integration, gegen Islamismus“ erschienen bei KiWi.

Artikel teilen

EU-Gerichtshof bestätigt Burka-Verbot

Lies Hebbadj und seine vollverschleierte Ehefrau Anne Hebbadj waren Auslöser für das Burka-Verbot..
Artikel teilen

In Frankreich ist das Kopftuch in der Schule seit 2008 verboten. Und im Jahr 2010 erließ das laizistische Land ein Gesetz, das vorschreibt: "Niemand darf im öffentlichen Raum eine Kleidung tragen, die dazu bestimmt ist, das Gesicht zu verbergen." Im Visier waren Burka und Niqab. Dagegen klagte eine bisher nur als "S.A.S." bekannte Französin in Straßburg. Ihr Argument: Das Burka-Verbot verstößt gegen die "Religions- und Meinungsfreiheit".

Anzeige

Der Europäische Gerichtshof verwarf jetzt die Klage und erklärte Frankreichs Burka-Verbot für gesetzeskonform. Das könnte Folgen für ganz Europa haben.

Das Gesetz war nicht zufällig am 13. Juli 2011 - dem Vorabend des Jahrestages der französischen Revolution - von einer überwältigenden Mehrheit des Parlaments, von rechts bis links, bestätigt worden (bis auf die Grünen).

Ein Verstoß gegen das Prinzip der Gleichheit

Zurzeit sind 2000 Frauen in Frankreich davon betroffen, schätzt das Innenministerium, die Mehrheit sind Konvertitinnen, die mit Muslimen verheiratet sind - meist aktive Islamisten. Im ersten Jahr nach Inkrafttreten des Burka-Verbotes waren 300 trotzdem in der Öffentlichkeit vollverschleierte Frauen verwarnt worden. Denn der Ganzkörperschleier ist "ein Verstoß gegen das Prinzip der Gleichheit von Männern und Frauen".

Das Fass zum Überlaufen gebracht hatte in Frankreich im April 2010 eine Autofahrerin im Niqab, einer Burka-ähnlichen Vollverschleierung, die eine Strafe von 22 Euro wegen „verkehrsschädigenden Verhaltens“ zahlen musste. Es handelte sich um Anne Hebbadj (Foto), die Frau eines Algeriers, der dank seiner Eheschließung mit Anne im Besitz der französischen Staatsangehörigkeit ist. Die vollverschleierte Anne Hebbadj ist Konvertitin.

Als die Affäre publik wurde, sickerte durch, dass Annes Ehemann, Lies Hebbadj, wohl noch weitere drei Frauen und zwölf Kinder hat. Daraufhin wurde Hebbadjs Ausweisung wg. Polygamie in Erwägung gezogen. Der Algerier-Franzose verteidigte sich geschickt: Wer denn beweisen könne, dass er vier Mal verheiratet sei? Schließlich hätten französische Männer auch oft Geliebte – ohne deswegen der Polygamie bezichtigt zu werden.

Doch wer ist Lies Hebbadj? Er hat eine Metzgerei in Nantes und ist Anhänger der Tabligh-Sekte, einer wortgläubigen Missionarsbewegung, die sich der strikten Auslegung des Korans verschrieben hat. Hebbadj war schon mehrfach in Pakistan und wird seit Jahren vom französischen Geheimdienst observiert. Seine Frau Anne, eine eifrige Konvertitin, wird also kaum aus Naivität gehandelt, sondern bewusst provoziert haben. Übrigens: Alle Prozesse, die bisher in Europa im Kampf um Kopftuch bzw. Burka gelaufen sind, scheinen einen organisierten islamistischen Hintergrund zu haben.

Bewusste Provokation
von Islamisten

Und was ist mit dem Vorwurf der Polygamie gegen Monsieur Hebbadj? Seine Antwort darauf wird einfach sein: Ein strenggläubiger Muslim heiratet nicht standesamtlich, sondern nur nach muslimischem Recht. Rein juristisch ist Hebbadj also vermutlich keine „Polygamie“ nachzuweisen. Und die vollverschleierte Anne hat er wahrscheinlich nur standesamtlich geheiratet, um die französische Staatsbürgerschaft zu erlangen. In Deutschland ist dieser Weg zur Erlangung der Staatsbürgerschaft übrigens in islamistischen Kreisen seit den 1980er Jahren eine regelrechte systematische Strategie.

Nachdem Frankreich im Herbst 2008 erfolgreich das Kopftuch-Verbot in der Schule für Lehrerinnen und Schülerinnen verabschiedet hatte, drohte der Al-Quaida-Führer Abou Moussab Abdoul Wadoud offen: „Wir werden uns im Namen der Ehre unserer Töchter und Schwestern an Frankreich rächen.“ Und er fuhr fort: „Heute ist es der Tschador, morgen ist es der Niqab.“ Seine Prophezeiung ist nun in Erfüllung gegangen. Jetzt ist es der gesichtsverdeckende Niqab. Und morgen? Morgen die ganze Welt?

Wie Frankreich hat auch Belgien seit 2011 ein Burka-Verbot - und das deutsche Bundesland Hessen.

Weiterlesen
Große Verschleierung - Für Integration, gegen Islamismus (KiWi, Hrsg. Alice Schwarzer). - Im EMMA-Shop kaufen

Alice Schwarzer über Burka, Gottesstaat und die Emanzipation der Frauen

 

 

Weiterlesen
 
Zur Startseite