Sieg für Antje & MitkämpferInnen

Antje Grothus kämpft gegen die von RWE geplanten Abholzungen im Hambacher Forst. CARE/laif core/Oliver Tjaden - Foto: Hubert Perschke
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Der Krater ist gigantisch groß, braune Erde soweit das Auge reicht. Da, wo heute diese Mondlandschaft liegt, die ihr Verursacher, der Energieriese RWE, auf Neusprech „Terra Nova“ nennt, stand seit der Eiszeit, also seit 12.000 Jahren, ein Wald. Durch diesen Wald, den Hambacher Forst, ist Antje Grothus immer mit dem Fahrrad gefahren, wenn sie mit ihren zwei kleinen Töchtern zum Schwimmbad wollte. Das war 1994.

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5.000 Hektar war der Forst groß. Heute sind es noch 600.

Auf einer Karte, die sie auf ihrem Küchentisch ausgebreitet hat, zeigt sie, was heute von diesem Wald noch übrig ist. Über 5.000 Hektar war der Hambacher Forst mal groß, 80 Hektar werden jedes Jahr gefällt, das entspricht 112 Fußballfeldern. 600 Hektar sind noch da. Vor fünf Jahren haben Umwelt-AktivistInnen den Wald besetzt und Baumhäuser gebaut, um die von der Polizei flankierten Waldarbeiter davon abzuhalten, die Bäume zu fällen. Trotzdem ist es nicht einer dieser vielen Robin Hoods, der zum Gesicht der Kampagne für einen sofortigen Stopp des Braunkohle-Abbaus geworden ist, sondern Antje Grothus.

Das liegt zum einen daran, dass Grothus selbst am Rande des Kraters lebt. Vor 24 Jahren ist sie nach ihrem Ökotrophologie-Studium hierher gezogen, nach Kerpen-Buir. Ihr damaliger Mann hatte in Köln eine Stelle bekommen und sie wollten, dass ihre Kinder im Grünen aufwachsen. Antje Grothus’ Eltern hatten einen Gartenbaubetrieb, als Kind wollte sie Bäuerin werden. Und als Selbstständige, die für Kochbuch- und Gesundheitsverlage arbeitete, war sie nicht auf die Großstadt angewiesen. Der knapp 4.000 EinwohnerInnen zählende Kerpener Ortsteil Buir liegt im Herzen des rheinischen Braunkohlereviers.

Was das bedeutet, begriff Grothus erst, als die ersten Dörfer im Krater verschwanden. „Da habe ich verstanden, dass sich die Bagger langsam auf Buir zubewegen.“ Wenn so weitergerodet wird, wird der Krater eines Tages etwa 800 Meter Luftlinie von ihrem Haus liegen. Antje Grothus kennt die alten Leute, deren Dörfer als nächstes an der Reihe sein werden und die ihr sagen: „Wir warten mit der Umsiedlung, vielleicht haben wir ja Glück und erleben es nicht mehr.“

Aber es ist nicht nur die persönliche Betroffenheit, die Grothus, die 2006 die Bürgerinitiative „Buirer für Buir“ mitgegründet hat, zum Aushängeschild des Kampfes gegen den Krater macht. Sie kann aus dem Stand sämtliche Studienergebnisse referieren, die zeigen, „dass 75 Prozent der Braunkohlereserven liegen bleiben müssen, wenn Deutschland seine Klimaziele erreichen will“. Sie weiß, dass drei von vier Beschäftigten im Tagebau über 50 sind und entweder vom großzügigen Frühverrentungsprogramm der RWE aufgefangen würden oder in der „Nachsorge“ eingesetzt werden könnten, sprich: in der Rekultivierung der Mondlandschaft.

Denn selbstverständlich macht sie sich um diese Männer und ihre Familien Gedanken. Sie kommt selbst aus dem Ruhrpott, ihr Opa Fritz war in der Kohleforschung tätig, ihr Cousin war Steiger. Antje Grothus gehört nicht zu denjenigen, die Ideologie über Lebenswirklichkeit stellen. Deshalb ist sie dafür, „dass die RWE den Bergleuten mal reinen Wein einschenkt und ihnen erklärt, dass sie ein paar falsche Managemententscheidungen gegen den Einstieg in die erneuerbaren Energien getroffen hat“.

Ihr Großvater war in der
Kohleforschung,
ihr Cousin war Steiger.

Ihre Abneigung gegen ideologische Fanatiker gilt allerdings auch „für die Leute, die nur herkommen, um hier Randale zu machen“. Aber die Baumhausbewohner, die mit Hingabe jeden einzelnen Baum bewachen, die dürfen sich schon mal bei ihr waschen oder duschen. Auf den Internet-Seiten, in denen gegen sie „abgrundtief gehetzt wird“, heißt es dann schon mal anzüglich: „Jetzt badet sie zusammen mit den Aktivisten.“

Am 6. Juni ist Antje Grothus in die 31-köpfige Kohle-Kommission der Bundesregierung berufen worden. Die soll einen Fahrplan für den Kohle-­Ausstieg entwickeln und wird gegen den Opportunismus der PolitikerInnen anarbeiten müssen, die nicht wagen, den Konzernen und ihren Milliardenumsätzen Einhalt zu gebieten.

Ab 1. Oktober rücken die Rodungsmannschaften und -maschinen wieder an. Antje Grothus hofft, dass sie gestoppt werden. „Es kann doch nicht sein, dass wir in Berlin beraten und RWE hier Fakten schafft.“

Petition von Antje Grothus: Hambacher Wald retten & Klima schützen

 

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