Ask Alice!

Ask Alice: Ablenkungsmanöver?

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du analysierst in deinem Brief an mich die Verhältnisse und Mechanismen schon selber sehr genau. Es ist ganz einfach eine Machtfrage. Das starke Geschlecht hat - immer noch - die Macht, also auch die Definitionsmacht. Selbst wenn die ins Wanken geraten ist, ja gerade darum stärker denn zuvor. So ist das Verhältnis zwischen den Geschlechtern doch immer noch ein Machtverhältnis: siehe Geld, siehe Top-Etagen, siehe Gewalt. Siehe Kommunikation - vor allem dann, wenn es um eine Kommunikation geht, die an eben diesen Machtverhältnissen rüttelt.

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Du weißt das. Und eigentlich brauchst du meinen Rat gar nicht. Du hast das richtige Gespür für solche Ungleichsituationen und die Spielchen dieser Jungs.

Was ich dir sagen kann, und das ist eigentlich gar nicht tröstlich: Mir persönlich ist es lebenslang, bis heute, nicht anders gegangen. Obwohl ich als konfrontationsstark, redegewandt und intelligent gelte, hat sich diese Art von Männern (zum Glück nicht alle!) nie gescheut, mich von oben herab zu behandeln: mich nicht ausreden zu lassen, abzuschweifen, mich lächerlich zu machen.

Achte mal darauf, wie ich in Talkshows behandelt werde. In der Tat ist es so, dass ich in der Regel erst nach mehreren Anfragen eine Sendung zusage. Einfach, weil ich weder Zeit noch Lust habe, in diesen Talkrunden ohne Grund zu hocken und nur gehe, wenn es auch einen inhaltlichen Anlass gibt. Wenn ich dann also in so einer Sendung bin, hat die Redaktion mich vorher für gewöhnlich mehrfach eingeladen, bevor ich komme. Und dann? Dann werde ich oft behandelt wie ein lästiger Eindringling. Ausreden darf gerade ich fast nie. Ich werde auch seltener als die anderen aufgefordert, etwas zu sagen. Und ich werde auffallend häufig von dem Moderator/der Moderatorin respektloser behandelt als die anderen Gäste.

Jetzt sagt sicher so mancher: Die Schwarzer spinnt doch! Die ist ja paranoisch! Ausgerechnet die. Die redet doch ohne Ende.

Ja? Dann empfehle ich einfach mal die eine oder andere linguistische Analyse mancher Sendungen. So was ist in den feminismusbewegten 1980er Jahren noch gemacht worden: Zeiten stoppen; registrieren, wer wem zustimmt, wer wen einbindet; Körpersprache analysieren etc.

Du siehst, du bist nicht allein.

Doch was kann ich dir raten? Ruhig Blut zu bewahren. Nicht immer in die Konfrontation zu gehen, sonst reibst du dich zu sehr auf. Auch mal einfach durchwinken. Aber da, wo es darauf ankommt, deine Frau zu stehen! In aller Klarheit und Entschiedenheit.

Wichtig ist auf jeden Fall, dass du dich von diesen Machtspielchen nicht irritieren lässt, dass du nicht resignierst und vor allem: du dir deine Lebensfreude nicht ankratzen lässt.

Das wünscht dir
deine Alice Schwarzer

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