Ministerin Köhler ist zurückgetreten

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Wie bedeutsam es bei einer Handlung ist, ob sie von einer Frau oder einem Mann begangen wird, kann man (oder frau) durch einen einfachen Trick herausfinden: durch Umkehrung.

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Soll Wetterfee Claudia Kleinert doch einen rappelkurzen Rock tragen, wenn’s ihr Spaß macht? Stellen wir uns kurz Sven Plöger vor, wie er seinen Tagesthemen-Strömungsfilm in kurzer Hose präsentiert. Respekteinflößend, wie Marcel Reich-Ranicki den Deutschen Fernsehpreis abgelehnt hat? Lassen wir vor unserem geistigen Auge eine 89-Jährige mit Glasbaustein-Brille entstehen, die der Fernsehnation kampflispelnd deren Beschränktheit um die Ohren haut. Und stellen wir uns dann die Schlagzeilen am nächsten Tag vor.

Ist doch okay, dass Frauen- und Familienministerin Kristina Köhler jetzt Schröder heißt, weil Frauen es heutzutage nicht mehr nötig haben, ihren Emanzipationsgrad über den so ganz und gar nebensächlichen Namen zu demonstrieren? Denken wir einen Moment darüber nach, ob unser Ex-Kanzler Gerhard Köpf hätte heißen können. Oder unser Ex-Außenminister Joschka Barati. Abgesehen davon, dass die besagten Herren im Laufe ihres Lebens ihren Namen drei- respektive viermal hätten wechseln müssen, ist diese Vorstellung absurd. Selbst die naheliegendere Phantasie, dass der Kanzlerinnengatte Joachim Merkel hieße, funktioniert nicht mal im Ansatz – nicht zuletzt wg. demonstrativ verweigerter Anschmiegsamkeit des First Gentleman.

Auch im neuen Jahrtausend ist eben der Mann – um Simone de Beauvoir zu bemühen – kein relatives Wesen. Und, keine Frage, er soll das auch nicht sein, denn es ist kein erstrebenswerter Zustand.

Und die Frau? Die ist (zumindest in der westlichen Welt) nicht mehr annähernd so relativ wie 1949, als Beauvoir ihr „Anderes Geschlecht“ verfasste. 

Dr. Kristina Schröder geb. Köhler, die 32-jährige Bundesministerin, steht zum Beispiel karriere- und kontomäßig durchaus auf eigenen Füßen, um nicht zu sagen: Sie hat ihren Mann und Parteifreund, den Staatssekretär Ole Schröder, mit ihrem Megaspurt nach Berlin überholt. Und womöglich ist genau das der Punkt. Nicht nur bei Frau Schröder.

Fakt ist: Kristina Schröder geb. Köhler liegt im Trend. Rund 80 Prozent aller Ehefrauen in Deutschland nehmen, ganz wie die deutsche Frauenministerin, weiterhin den Namen ihres Ehemannes an. Sie tun das, wie eine EMMA-Umfrage in Standesämtern ergibt, in liberalen Großstädten wie Köln (77%) oder Leipzig (80%) nur geringfügig seltener als in kleineren Städten wie Offenburg (85%) oder Lübeck (86%). Nur jedes fünfte (Köln) bis zwölfte (Lübeck) Paar behält jeweils den eigenen Namen. Doch: So manche Ehefrau, die zunächst noch auf ihrem eigenen Namen besteht, knickt spätestens als Mutter ein. Sobald das erste Kind unterwegs ist und man dann doch einen gemeinsamen Familiennamen möchte, nämlich seinen. Aus dem Rostocker Standesamt hören wir die Geschichte einer Frau, die ihrem Mann zum zehnjährigen Ehejubiläum am Valentinstag ihre Namensaufgabe schenkte. Die Freude war groß. Bei ihm.

Und jetzt sind wir schon wieder bei der Umkehrung. Umgekehrt nämlich tun sich Männer mit dieser Art Präsent äußerst schwer. Die Zahl der Ehegatten, die bei der Trauung den Namen ihrer Frau annehmen, liegt durchweg im einstelligen Prozent-Bereich. Zieht man davon noch die Träger peinlicher Namen wie „Fick“, „Stoffel“ oder „Hasenfratz“ ab, bleiben nur sehr sehr wenige männliche Exemplare übrig, die bereit sind, ihren Namen auslöschen zu lassen. Was ja eigentlich auch nur zu verständlich ist.

„Der Geburtsname eines Menschen ist Ausdruck der Individualität und Identität“, stellte 1991 das Bundesverfassungsgericht fest, als es seine Entscheidung verkündete, die Frauen und Medien damals als „bahnbrechend“ feierten: Das Recht von Ehefrauen auf den eigenen Namen. Dieses Recht nämlich ist genauso hart erkämpft wie alle anderen Rechte, die Frauen heutzutage in Ehen haben.

Nur kurz zur Erinnerung: Bis 1958 fiel das Vermögen einer Frau mit der Trauung automatisch an den Ehemann, sie durfte ohne Einverständnis des Mannes weder ein eigenes Konto besitzen noch ein Rechtsgeschäft abschließen, also zum Beispiel einen Kühlschrank kaufen. Einen Beruf ausüben konnte sie nur, wenn der Gatte es erlaubte (bis 1975). Der hatte außerdem das Aufenthaltsbestimmungsrecht für sie (bis 1975) sowie das Recht, sie ungestraft zu vergewaltigen (bis 1995). Konsequenterweise verloren Frauen neben ihren bürgerlichen Rechten mit der Eheschließung auch ihren Namen.

Selbstverständlich stand eine Reform des Namensrechts auf der To Do-Liste derjenigen, die ab 1949 versuchten, dem Grundsatzartikel 3 „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ zur tatsächlichen Umsetzung zu verhelfen. Im Jahr 1976, auf dem Höhepunkt der Frauenbewegung, musste das Bundesverfassungsgericht sich zum ersten Mal mit der Namensfrage befassen. Es entschied: Die automatische Übernahme des Mannesnamens verstößt gegen das Grundgesetz. Immerhin sind Frauen und Männer ja gleichberechtigt. Also darf ein Ehepaar auch den Namen der Frau als gemeinsamen Ehenamen annehmen. Aber: Kann sich das Paar nicht für einen Namen entscheiden, wird automatisch der des Mannes genommen. Die RichterInnen begründeten diesen Beschluss folgendermaßen: „Der Frau ist ein Namenswechsel im Zweifel eher zumutbar, da sie als die zumeist Jüngere vor der Heirat weniger lang im Berufsleben stand, nachher zur Versorgung der Kleinkinder oft einige Jahre aus dem Beruf ausscheidet sowie überdies in ihm häufig weniger hohe Positionen einnimmt als im Durchschnitt der Mann.“ Es verwundert nicht, dass nach diesem Urteilsspruch 98 Prozent aller Ehenamen die des Mannes waren.

15 Jahre später mussten die RichterInnen erneut entscheiden. Viele erboste potenzielle Ehefrauen und ihre solidarischen potenziellen Ehemänner, darunter auch EMMA-Autorin Kerstin Klamroth und ihr Lebensgefährte (und heutiger Chrismon-Chefredakteur) Arnd Brummer, hatten sich inzwischen zum „Interessenverband Namensrecht“ zusammengeschlossen und klagten, was das Zeug hielt. Ihr Ziel: Frau und Mann sollten ihren eigenen Namen behalten können. Denn: „Beide Namen sind prinzipiell gleichwertig, so wie die Personen, die sie führen.“

Die Reaktion der Parteien klaffte erwartungsgemäß auseinander: Während die Grünen dafür plädierten, den gemeinsamen Ehenamen gänzlich abzuschaffen, weil alles andere sowieso bedeute, dass der Name des Ehemannes Standard bleibe (womit sie Recht hatten), sahen CDU/CSU die „Einheit der Familie“ in größter Gefahr. Es nützte nichts. Das Bundesverfassungsgericht entschied: Jeder Mensch, ob männlich oder weiblich, hat das Recht, seinen oder ihren Namen zu behalten. Die automatische Übernahme des Mannesnamens sei „mit dem Grundgesetz nicht vereinbar“ und „nicht durch objektive Unterschiede zwischen den Geschlechtern gerechtfertigt“.

Im Gegensatz zur akzeptierenden Bestandsaufnahme der Geschlechterungerechtigkeiten von 1976 erklärten die RichterInnen 1991: „Das verfassungsrechtliche Gebot verlöre seine Funktion, für die Zukunft die Gleichberechtigung der Geschlechter durchzusetzen, wenn die vorgefundene gesellschaftliche Wirklichkeit hingenommen werden müsste.“

Knapp 20 Jahre später haben Frauen die gesellschaftliche Wirklichkeit noch weitergehend verändert. Wir haben eine Kanzlerin und Vätermonate, die Vergewaltigung in der Ehe ist inzwischen auch verboten. Und noch etwas: Der gute alte Stammhalter ist immer öfter eine Stammhalterin. Weil immer mehr Paare Kinder bekommen, ohne zu heiraten, nämlich aktuell jedes dritte, tragen immer mehr Kinder den Namen ihrer Mutter.

Könnte es nun sein, dass Frauen nicht trotz, sondern wegen dieser massiven Umbrüche dem Verlust ihres Namens – dieser symbolischen Verschleierung – aus Angst vor Liebesentzug wieder häufiger zustimmen? Denn wie wir den Zahlen entnehmen, ist das Phänomen ja keinesfalls nur in niederbayerischen Weilern zu beobachten, wo Frauen mit Flechtzöpfen den Hoferben einer alten Bauerndynastie ehelichen, sondern auch und gerade bei modernen Frauen, die die höchsten Gipfel der Emanzipation erstürmt haben. Wie zum Beispiel unsere Frauenministerin. Die ist nicht nur promovierte Politologin und jüngste Bundesministerin Deutschlands, sondern, wie die Süddeutsche Zeitung bemerkte, die „einzige Ministerin in der Geschichte der Bundesrepublik, die in ihrer Amtszeit ihren Namen änderte“.

Warum Kristina Schröder geb. Köhler diesen Rekord aufstellt, erklärte die Bunte unmissverständlich auf dem Cover: „Für ihn“. Die Zeit brachte die Sache angesichts eines Hochzeitsfotos, auf dem die Ministerin ganz in Weiß inclusive Schleier ihren Ole anlächelt (während der ganz unrelativ zu Boden blickt) auf den Punkt: „Wer das Hochzeitsfoto sieht, käme nicht auf die Idee, dass sie das höhere Amt bekleidet.“ Und genau das ist offenbar die Absicht. Die von Kristina Schröder – und vielen anderen Geschlechtsgenossinnen. Es tun, aber so tun, als sei es nicht so.

Haben Frauen es heutzutage also wirklich nicht mehr nötig, ihren Emanzipationsgrad über den so ganz und gar nebensächlichen Namen zu demonstrieren? Doch, haben sie. Denn sie haben es offenbar nötig, ihren Ehegatten deren schwächelnde Machtfülle in Gesellschaft und Beziehung mit dieser Versöhnungsgeste abzusoften und der Schmach des Überholtwerdens nicht noch eine weitere hinzuzufügen. Motto: „Schatz, ich bin zwar Ministerin (Managerin, Schulleiterin, Filialleiterin …) und verdiene mehr als du, aber du musst dir keine Sorgen machen: Schau, wir tragen deinen Namen.“

Dass dieser Tauschhandel eine Mogelpackung ist, liegt auf der Hand. Dass Männer und Frauen ihn trotzdem eifrig betreiben, zeigt, wie hoch der Symbolgehalt der Sache ist.

Fazit: Frauen haben die Namensnummer erst dann nicht mehr nötig, wenn Männer es nicht mehr nötig haben, ihre schwächelnde Machtfülle in Gesellschaft und Beziehung damit zu kompensieren, dass sie in der Außendarstellung weiterhin als Familienoberhaupt firmieren. Und das kann dauern.

In EMMA zum Thema
Die Geschichte des Kampfes um das Namensrecht (EMMA 5/91)

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