Alice Schwarzer schreibt

Ein tragischer Fall?

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Die Frau ist gegen „den Zwang zur Fremdbetreuung“ (will sagen: gegen mehr Krippenplätze) und gegen den „Arbeitszwang für die Mütter“ (will sagen: gegen Berufstätigkeit von Müttern). Sie behauptet, Kinder wollten nicht in Betreuungseinrichtungen und Mütter wollten nicht voll berufstätig sein (höchstens 20 Prozent). Sie stimmt Bischof Mixa zu und fordert zusammen mit christlichen Familienverbänden ein Taschengeld für Hausfrauen.

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Kurzum: Sie hat familien- und frauenpolitisch gesehen Positionen, die – um in klassischen Politkategorien zu reden – als eher rechts gelten. Und selbst die FAZ bezeichnet sie als „die Eva Herman der Linken“.Denn Christa Müller ist die dritte Frau des Chefs der Partei Die Linke, Oskar Lafontaine. Und nicht nur das. Sie ist auch die „familienpolitische Sprecherin“ dieser Partei im Saarland. Dort lebt sie als quasi alleinerziehende Mutter eines zehnjährigen Jungen und mit ihrer 90-jährigen Mutter (und zuvor auch mit der pflegebedürftigen Schwiegermutter) in einer Villa bei Saarlouis, derweil ihr Mann Berlin aufmischt.

Nun könnte man vermuten, die Frau fährt ganz einfach dieselbe politische Strategie wie ihr Mann: Sie grast den rechten Rand einer potenziellen WählerInnenschaft ab. Schließlich waren die Grenzen zwischen linkspopulistisch und rechtspopulistisch schon immer fließend. Und da wird auch was dran sein.Doch das allein ist es nicht. Da muss mehr passiert sein.

Erinnern wir uns: Noch vor zehn Jahren wurde Christa Müller an der Seite des SPD-Großministers für Wirtschaft und Finanzen als „Oskars Hillary“ bezeichnet und Lafontaines „Schattenfrau“ oder „Lady Macbeth“ genannt. Die BamS fragte gar tiefbesorgt: „Regiert Lafontaines Frau jetzt mit?“Zu der Frage gab es durchaus Anlass. Denn die als tüchtig und ehrgeizig bekannte Volkswirtin verpasste kaum eine Gelegenheit, ihre Kommentare zu politischen und wirtschaftlichen Fragen zu geben und öffentlich Ebenbürtigkeit mit ihrem Mann zu demonstrieren. Und als ihr Sohn ein Jahr alt war, veröffentlichte sie zusammen mit ihrem Mann ein Buch über Globalisierung.

Nach Lafontaines abruptem Abgang war er im Fernsehen dann strahlend mit Sohn Maurice auf den Schultern zu sehen. Der Mann schickte sich scheinbar an, mal kleinere Brötchen zu backen und seiner Frau Zeit zum Schreiben für das nächste Buch freizuschaufeln. Die Schlagzeilen aus dem Rotlichtviertel, wo Lafontaine gern gesehener Gast gewesen war, verstummten.

Am 20. August 2001, kurz nach dem Tod von Kanzlergattin Hannelore Kohl, gab Frau Müller der taz ein bemerkenswertes Interview. Sie spottete über die „altertümliche und konservative“ Rolle, die die Frau von Kohl lebenslang eingenommen habe und die nun auch Doris Schröder-Köpf spiele: „Sie ist aus dem Beruf ausgestiegen. Sie engagiert sich sozial, erfüllt ihre Pflicht als Frau des Bundeskanzlers, hübsch aussehend, nett angezogen, ruhig, zurückhaltend, im Hintergrund wirkend. (…) Das wird honoriert, auch in den Medien.“

Christa Müller hingegen ging in die Offensive. Sie beklagte sich, dass die Karriere einer Frau beendet sei, sobald sie einen bekannten Politiker heiratet und gab zu verstehen: „Ich war für diese Rolle wohl nicht so geeignet.“ Im Gegenteil: „Unsere Idealvorstellung war: Er hat sein politisches Amt, ich arbeite in seinem Stab …“

Nun aber saßen beide zuhause. Zur Zufriedenheit Müllers, denn: „Das Ende meiner Karriere, das habe ich so einigermaßen verkraftet. Aber als mein Mann Finanzminister war in Bonn und ich alleinerziehende Mutter in Saarbrücken: So eine Situation, die viele Politikerfrauen ein Leben lang ertragen, hätte ich auf Dauer nicht mitgemacht.“

Drei Jahre lang ging es gut. Für Christa. Dann fing Oskar an, bei der WASG und PDS zu maggeln – und schaffte es in gewohnt kurzer Zeit, den Laden unter dem neuen Label „Die Linke“ an sich zu reißen. Kein Zweifel: Das muss ihm jetzt einen Mordsspaß machen. Nicht nur wegen der Rache an der SPD. Auch wegen der Rückkehr in die Arena.

Und Christa? Die sitzt derweil im 740 Kilometer entfernten Eigenheim bei Sohn Maurice und Muttern. Sowas ist schon an sich schwer für eine Frau. Wie schwer aber muss es für eine Frau wie Christa Müller sein, die zu den besonders qualifizierten und besonders ehrgeizigen gehört. Und auch zu den besonders stolzen, früher. Aber das ist lange her.

Es muss bedrückend sein, Lichtjahre von den eigenen „Idealvorstellungen“ entfernt zu leben. Da helfen auch demonstrative Gesten der Unterwerfung und Selbstverleugnung nicht mehr.

Übrigens: Auf Anfrage von EMMA, ob der frauenpolitische Müller-Kurs jetzt Partei-Kurs sei, hatten die Herren aus dem Linken-Vorstand – Lafontaine, Gysi und Bisky – keinen Kommentar bzw. waren „in Urlaub“. Die Frauen der Linken hatten Zeit und gaben massenhaft Statements an die Presse, in denen sie versichern, dass die Auffassung von Frau Müller „in sehr deutlichem Widerspruch zur Linkspartei“ stehe.

Inzwischen fordert die Frauenorganisation der Partei, Lisa, den Rücktritt von Christa Müller. Und die frauenpolitische Sprecherin der Linken, Kirsten Tackmann, erklärte, Müllers „Ernährermodell“ sei nicht im Sinne der Partei und Ehemann Lafontaine solle „deutlich machen, wer für die Partei spricht“.

Eigentlich wollte EMMA Christa Müller in dieser Ausgabe zum „Pascha des Monats“ ernennen. Aber bei näherem Hinsehen wurden wir eines anderen belehrt: Christa Müller ist überhaupt nicht komisch. Sie ist der tragischste Fall des Jahres.

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