World Wide Women!

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Wenigstens darin sind die Menschen sich irgendwie einig: Wir sind ZeugInnen eines Wandels vom Ausmaß der Industriellen Revolution. Die Art, wie wir leben, arbeiten, wie wir konsumieren, kommunizieren, ja selbst wie wir uns verlieben – im digitalen Zeitalter ist alles anders. Früher gab es nach dem Aufstehen Kaffee. Heute gibt es nach dem Aufstehen Internet. Hurra, rufen die FuturologInnen und sehen uns schon auf dem Weg in die Unsterblichkeit: Sei es durch digitale Klone unserer selbst oder Mini-Roboter, die unsere Zellen putzen, sodass wir 300 Jahre alt werden.

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Na und? fragen die Abgeklärten, für die Digitalisierung auch nichts Anderes ist als die Erfindung des Buchdrucks anno dazumal. Und den haben wir schließlich auch überstanden. Oh nein! jammern die ApokalyptikerInnen. Schon jetzt ist der Mensch eine gläserne Marionette der Internet-Giganten geworden! Die Maschinen werden die Macht übernehmen!

Und während die FuturologInnen jauchzen, die Abgeklärten gähnen und die ApokalyptikerInnen bibbern, „schießt sich“ gerade mit Sicherheit irgendwo eine Frau ein Paar Stiefel auf Zalando. Denn viele Frauen erleben den technischen Fortschritt vor allem als lawinenartiges Wachstum im Kleiderschrank.

Früher gab es nach dem Aufstehen Kaffee, heute gibt es Internet!

Und darüber hinaus? Darum geht es in dem Dossier „World Wide Women“ in EMMA November/Dezember 2015. Denn auch wenn heute die Männer im Silicon Valley die Zukunft unter sich ausmachen, haben Frauen die Computergeschichte geprägt. In diesem Jahr jährt sich der Geburtstag von Augusta Ada Lovelace zum 200. Mal. Ada entwickelte schon 1843 ihre Theorie der „Analytical Engine“. Heute gilt Ada Lovelace deshalb als die Pionierin der Computer-Technik, das Heinz Nixdorf MuseumsForum in Paderborn widmet ihr eine ganze Ausstellung.

„Lovelaces Vision, dass die Maschine so Komplexes wie Sprache oder Musik verarbeiten könne, sollte sich erst Ende des 20. Jahrhunderts bewahrheiten“, schreibt Judith Rauch in EMMA.

Und Ada ist nicht die einzige. Viele technologische Prinzipien, die wir heute ganz selbstverständlich nutzen, wurden von Frauen auf den Weg gebracht. Mehr über diese Vordenkerinnen ebenso im Dossier. Ausgabe bestellen

Weitere Themen im Dossier der November/Dezember EMMA:

Sind wir noch zu retten?
Die Big-Data-Kritikerin Yvonne Hofstetter kennt die Antwort. Die Juristin entwickelt seit über 15 Jahren Systeme mit Künstlicher Intelligenz. Im EMMA-Interview erklärt sie Risiken und Chancen der smarten Technik.

World Wide Women!
Von New York bis Nairobi: Diese Frauen programmieren die Zukunft – oft gegen massive Widerstände. EMMA hat sie getroffen.

(Sexual-)Gewalt im Internet
Die UNO veröffentlichte einen kritischen Report gegen Cyber-Gewalt – und musste ihn nach wenigen Tagen wieder zurück ziehen. Was war bloß passiert?

Das Darknet ist eine Chance!
Findet die Berliner Autorin Andrea Hanna Hünniger. Und will zukünftig selbst öfter anonym surfen. Wir sind gespannt auf die Reaktionen der Leserinnen und Leser auf ihren Bericht. 

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New York: Die Hackerin

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Rund 4.800 Kilometer vom Silicon Valley entfernt, in Manhattan unweit der Lower East Side, sitzt die bitforms gallery, das künstlerische Zuhause von Addie Wagenknecht. In Innsbruck hat die 34-Jährige ihren zweiten Wohnsitz. Im Internet ihren dritten. Addie Wagenknecht hat außerdem ein internationales Kollektiv aus Hackerinnen, Forscherinnen und Künstlerinnen initiiert. Das „Deep Lab“. Fernziel: mehr Vielfalt in der Tech-Kultur. Ihre Themen sind: Überwachung, Kunst, Feminismus und, klar: Hacken – im technischen wie sozialen Sinne. Addie, selbst Mutter von drei Kindern, hat den Müttermythos gehackt. Zu ihren bekanntesten Arbeiten zählt die „Optimization of Parenthood“, ein Roboterarm, der eine Kinderwiege anschiebt. Auch Addies Interesse für die Überwachungskultur kommt nicht von ungefähr. Fremde Männer, die ihr auf der Straße hinterher pfeifen. Oder: fremde Männer, die ohne ­Ankündigung in ihrem Atelier auftauchen. Die neue Überwachung via Internet folgt im Grunde genau dieser alten patriarchalen Logik, sagt sie. 

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Addie, wie kam es zur Gründung von Deep Lab?
Ich habe damals von einem befreundeten Professor in New York das Angebot bekommen, mit ihm gemeinsam etwas zum Thema Überwachung zu machen, er hatte ein Budget. Da war ich gerade in Paris bei einem Graffiti-Projekt. Wie immer der gleiche Bro-Club: nur weiße Männer – und ich. Und da dachte ich: Warum verwende ich nicht das Geld und bringe die brillantesten Frauen zusammen. Ich wollte einen Girls-Club!

Mit welchem Ziel?
In Amerika gibt es eine starke Kriminalisierung von Hackern. Aber wir brechen ja nicht in Banken ein, sondern wollen Positives schaffen, Menschen das Gefühl geben, dass sie selbst smart genug sind, sich vor Überwachung zu schützen zum Beispiel. Vor allem Frauen müssen das begreifen. Viele denken: Ich weiß nicht, wie ich mit der Skriptsprache PHP eine Webseite programmiere; und ich weiß nicht, wie ich meine Daten verschlüssele. Und ich antworte: Ich kann dir das innerhalb von zehn Minuten erklären. Bei Typen ist es ja oft so, dass sie das für dich erledigen – aber sie erklären es nicht.

Worum geht es noch?
Um Vielfalt. Nur wenn mehr Frauen, mehr Homo-, Bi- und Transsexuelle, mehr Schwarze und überhaupt Menschen aus unterschiedlichen ­Ländern Teil der Tech-Community werden, können wir dieser Filter-­Bubble entkommen, in der alles von weißen Männern bestimmt wird. Das ist die einzige Perspektive, die wir bisher im Bereich Software- und Hardware-Entwicklung haben. Und: Nur durch Vielfalt können wir mitbestimmen, wie unsere Daten gesammelt werden und warum. Typisch, dass genau dieser Bereich von Männern besetzt wird. Und so ist die ­kaputte Kultur entstanden, die wir jetzt haben.

Das Porträt ist in dem Dossier "World Wide Women!" über Frauen und Technologie in der November/Dezember EMMA erschienen. Zur Dossier-Übersicht

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