Ich hätte so gern...

Artikel teilen

Ich war während der Schwangerschaft meiner Frau Denise vollzeitbeschäftigt, bei einem Arbeitgeber, der sich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf groß auf die Fahnen schreibt. Da ich von dem Kind, das ich in die Welt setze, auch etwas haben wollte, ging ich zu meinem Personalchef, um das Thema Elternzeit zu besprechen. Er erklärte, ich würde mir meine Karriere versauen. Und ich habe ihn dann gefragt, welche Position er mir anbieten könne, wenn ich nicht in Eltern-Teilzeit ginge. Er antwortete: „Ja, so konkret kann ich Ihnen das nicht sagen.“

Anzeige

Also teilte ich meinem direkten Vorgesetzten mit, was ich vorhatte, und der sagte: „Das ist Ihr Privatvergnügen. Die Projekte werden nicht reduziert, die Abendtermine müssen Sie trotzdem wahrnehmen.“ Ursprünglich wollte ich 25 Stunden die Woche arbeiten, aber er bestand auf 30 Stunden. Ich ließ mich rechtlich über www.zeitzeichen-rlp.de beraten (ein Informationsbüro in Trier, gefördert vom Fami­lienministerium des Landes Rheinland-Pfalz). Sie informierten mich über die Fristen, die ich einhalten musste, welche Teilzeitmöglichkeiten es gab und dass der Arbeitnehmer den Antrag nicht ablehnen kann. Also beantragte ich Elternzeit.

Am 27. Februar 2008 wurde unsere Tochter geboren, am 1. März fing meine Elternzeit an. Denise hatte für die Zeit ein Forschungsstipendium, sonst wäre es bei uns finanziell gar nicht gegangen, bei den Gehältern, die heute Hochschulabsolventen gezahlt werden. Wir wussten nicht, was es wird, das war bei den Ultraschalluntersuchungen nicht zu sehen. Wir ließen uns überraschen – von unserer Tochter Greta.

Für mich hat das mit dem Vatersein so richtig angefangen, als ich auch etwas anderes tun konnte, als Windeln zu wechseln, nämlich Füttern. Da hat man als Vater eine richtige Aufgabe. In der Elternzeit habe ich versucht, auch alleine etwas mit meiner Tochter zu unternehmen. Das hab’ ich sehr genossen. Denise fuhr einmal mit ihrer Schwester weg, damit die Mama nicht immer da ist und auch ein bisschen Zeit für sich hat.

Wenn ich in der Stadt mit dem Kinderwagen bin, gucken viel mehr Leute nach mir. Ich achte jetzt selber auch mehr darauf, aber ich sehe selten Männer mit Kinderwagen, ich sehe nur Pärchen.

Da ich bei der Arbeit der erste war, der überhaupt Elternzeit genommen hat, haben meine Kollegen fleißig Sprüche geklopft. Mein oberster Chef – vier Kinder – hat vor einem anderen Kollegen über mich Witze gemacht: „Der Schultz geht seinen Vaterpflichten nach, ich hab ihn mit einem Kinderwagen in der Stadt gesehen.“

Diese Diskrepanz, sich nach außen ­familienfreundlich darzustellen – weil man so das Image aufpoliert und in die Presse kommt – und nicht vor der eigenen Haustür zu kehren, hat mich dazu veranlasst, mich nach einem neuen Job umzusehen.

Während der Elternzeit hab ich versucht, die Arbeit, die ich vorher in 45 oder 50 Stunden gemacht habe, in 30 Stunden zu erledigen – denn das Arbeitspensum war ja dasselbe wie vorher. Das führte dazu, dass ich seit 15 Jahren erstmals wieder Asthma bekam. Ich sagte mir: „Ich mache die fünf Jahre für die Betriebsrente voll, danach bewerbe ich mich woanders.“ In der Elternzeit wollte ich nicht wechseln, denn dann hätte der neue Arbeitgeber diese Vereinbarung nicht übernehmen müssen.

Jetzt arbeite ich wieder Vollzeit, aber leider in einer anderen Stadt, und zurzeit bin ich nur am Wochenende zu Hause. Bei meiner neuen Arbeit herrscht ein ganz ­anderes Klima: Viele meiner neuen Kollegen nehmen sich Elternzeit, denn das bindet die Mitarbeiter ans Haus, das motiviert.
Zwei Wochen, nachdem ich mit dem neuen Job angefangen hatte, bekam ­Denise frühzeitige Wehen vor der Geburt unserer zweiten Tochter. Als sie krankgeschrieben wurde, mussten alle Schwiegereltern abwechselnd einspringen, denn ich war von Montag bis Freitag weg. Da hatte ich Gewissensbisse: „Hab ich den richtigen Schritt getan, hätte ich nicht bei meiner Familie bleiben sollen?“

Jetzt ist Antonia auf der Welt, und mir fällt es jeden Sonntag Abend extrem schwer wegzufahren. Unter der Woche telefonieren wir morgens um 6.30 Uhr, kurz bevor ich zur Arbeit muss, dann sagt Greta „Hallo Papa“. Ich habe zu Denise gesagt: „Wenn ich da bin, dann mache ich alles außer Nägel schneiden.“ Aber im Moment macht Denise das meiste alleine. Ich würde gerne darüber verhandeln, ob ich meine 40 Stunden von Montag bis Donnerstag arbeiten kann, also zehn Stunden pro Tag. Damit ich am Freitag zu Hause bin.

Aber wir warten jetzt meine Probezeit im neuen Job ab – und finden hoffentlich bald eine neue Bleibe für die gesamte Familie. Doch das entscheidet man nicht so leicht, wenn man schon eine Tagesmutter, eine gute Kinderärztin und solche Dinge gefunden hat. Das gibt man nicht so leicht auf. Wir wollten auf jeden Fall eine Tagesmutter haben, sobald abgestillt ist, damit wir beide arbeiten können, am besten Teilzeit.

Meine Sicht auf Kinder hat sich durch das Vatersein geändert. Wenn ich in der Stadt oder beim Kinderarzt sehe, wie andere mit ihren Kindern umgehen, geht mir das sehr nahe. Die Nachrichten über Kindesmisshandlungen und verhungerte Kinder lese ich gar nicht erst. Und mit Einladungen, wo nachmittags die Kleinen willkommen sind und abends die Großen alleine feiern – „Kinder nicht erwünscht“ sozusagen – punktet man bei mir nicht.

Viele sagen, mit Kindern würde es so stressig werden. Aber ich habe das Gefühl, das Leben wird ruhiger und abwechslungsreicher. Mit Kindern kann man nicht planen. Da nimmt man sich einfach nicht so viel vor.

Aufgezeichnet von Nikola Richter

 

Artikel teilen
 
Zur Startseite