Knesset für Freierbestrafung!

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Es war ein „historischer Moment“, sagt die Knesset-Abgeordnete Aliza Lavie. Denn es passiert selten, dass sich im israelischen Parlament die Parteien einig sind – oft trennen sie bekanntlich Welten. In dieser Frage jedoch stimmten alle anwesenden 74 Abgeordneten dafür: Männer, die Frauen kaufen, sollen künftig bestraft werden! Und: Frauen und Männer in der Prostitution sollen beim Ausstieg aktiv unterstützt werden.

Eine Überraschung war die Entscheidung der Knesset in erster Lesung nicht. Denn die beiden Gesetzentwürfe – der eine für die Freierbestrafung, der andere für die Ausstiegsprogramme – wurden von einer parteiübergreifenden Politikerinnen-Allianz aus Regierungsparteien und Opposition eingebracht: von Aliza Lavie (Foto Mitte) von der liberalen Yesh Atid, Zehava Ga-Lon von der linken Meretz und Shuli Moalem-Refaeli von der nationalreligiösen  Habayit Hayehudi. Und schon im Vorfeld hatten 71 Abgeordnete (von 120) ihre Zustimmung erklärt.

Menschenhandel und das Betreiben von Bordellen ist in Israel schon heute strafbar. Seit zehn Jahren kämpfen Politikerinnen darum, das so genannte Nordische Modell auch in Israel einzuführen. Seit Schweden 1999 als erstes Land der Welt Prostitution als Verstoß gegen die Menschenwürde verurteilt und das so ­genannte „Sexkaufverbot“ eingeführt hatte, folgten immer mehr Länder diesem Beispiel: In Norwegen, Island, Irland, Nord­irland, Frankreich und Kanada macht sich heute strafbar, wer einen Menschen für Sex kauft. Die Prostituierten selbst wurden immer gleichzeitig entkriminalisiert.

So soll es in absehbarer Zeit auch in ­Israel sein. Vor einigen Monaten hatte Justizministerin Ayelet Shaked (Foto) eine Untersuchung zum Thema in Auftrag ­gegeben. Die Ministerin will die Ergebnisse demnächst präsentieren. Sie ist eine ­absolute Befürworterin der Freierbestrafung und erklärte: „Solange Prostitution nicht kriminalisiert ist, signalisieren wir unseren Kindern, dass sie okay ist.“

Ministerin Shaked wird auch selbst einen Gesetzentwurf einbringen. Inhaltliche Differenzen scheint es zwar keine zu geben. „Aber als Regierung bevorzugen wir ein Gesetz, das von der Regierung kommt“, erklärte die Justizministerin. Vermutlich wollten die drei Abgeordneten – Lavie, Ga-Lon und Moalem-Refaeli – mit ihren so genannten „Private Bills“, also den von ihnen eingebrachten Entwürfen, aufs Tempo drücken. Das hat funktioniert. Ministerin Shaked hat versprochen zu handeln.

„Das Gesetz wird dazu beitragen, die Nachfrage zu reduzieren, denn sie ist es, die diese ganze Industrie antreibt“, erklärte Aliza Lavie, die auch Sprecherin des Knesset-Komitees zur Bekämpfung von Menschenhandel und Prostitution ist. „Es wird außerdem helfen, die vielen Frauen und Männer, die aus der Prostitution aussteigen wollen oder ausgestiegen sind, wieder in die Gesellschaft zu integrieren.“ Geht es nach Lavies Entwurf, sollen Freier entweder eine Geldstrafe erhalten oder zum Besuch eines Kurses auf der so genannten „John’s School“ verdonnert werden (John = der englische Slang-Ausdruck für Freier).

Dass Israel die Freierbestrafung einführen wird, steht also außer Frage. „Die Unterstützung für das Gesetz aus Politik und Zivilgesellschaft ist beispiellos“, sagt Aliza Lavie. „Ich bin sicher, dass Israel spätestens im nächsten Jahr der Riege fortschritt­licher Staaten folgt.“
Bleibt also nur eine Frage: Wann folgt Deutschland?

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