Lubna Hussein: Ganz schön mutig

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Die sudanesische Journalistin Lubna Hussein war keine Unbekannte in ihrem Land, inzwischen kennt die ganze Welt sie. Am 3. Juli war sie im Restaurant "Kauka Baschart" in Khartum, wo sie zusammen mit einem Dutzend anderer junger Frauen war, von hereinstürmenden Religionspolizisten festgenommen worden. Das Vergehen der Frauen: Sie trugen Hosen. Und das sei verboten, da laut des Paragrafen 152 des Strafgesetzbuches das "Tragen unschicklicher Kleidung die öffentliche Moral verletzt".

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Lubna Hussein und die anderen wurden zur Polizeistation geschleppt. Zehn der eingeschüchterten Frauen bekannten sich "schuldig" und wurden zwei Tage später mit je zehn Stockhieben und einer Geldstrafe von umgerechnet 100 Dollar bestraft. Nicht so Lubna Hussein. Sie bestand, zusammen mit zwei weiteren Frauen, auf einen Anwalt und einen Gerichtsprozess. Und sie informierte via E-Mail über 500 Menschen, darunter Journalisten, Diplomaten und Vertreter von NGOs. "Ich will, dass die Leute endlich erfahren, was sich hier täglich abspielt!", erklärte sie. Das Auspeitschen von Frauen wegen des Tragens von Hosen hat im Sudan schon Tausende getroffen. Lubna will erreichen, dass dieses Gesetz, das noch dazu gegen die Verfassung ist, endlich beseitigt wird. Ihr geht es um die Eingriffe der Religionspolizei in die persönliche Freiheit und Menschenwürde von Frauen.

Das Vorgehen der Polizei ist einschüchternd willkürlich. Wahllos taucht sie bei privaten Partys oder öffentlichen Zusammenkünften auf und verhaftet die Frauen wegen "ungebührlicher Kleidung". Lubna hatte vor einiger Zeit sogar das Joggen am Ufer des Nils aufgeben müssen, weil schon ihre Trainingshose Unmut erzeugte.

Es kam für Lubna Hussein nicht infrage, die ihr persönlich vom Richter am ersten Prozesstag gebaute Brücke zu begehen. Sie sei doch Angestellte der Presseabteilung der UNO-Mission in Sudan; und daher genieße sie, wie alle Mitarbeiter der Vereinten Nationen, Immunität gegen Strafverfolgung. Nichts da, erwiderte sie. Sie beharrte auf dem Prozess – und gab dafür sogar ihren UNO-Job zeitweilig auf, um wie alle Frauen in ihrem Land behandelt zu werden. Lubna: "Ich will für die Rechte der Frauen aufstehen! Und jetzt, wo die Augen der Welt auf diesen Fall gerichtet sind, habe ich die Chance, die Aufmerksamkeit auf die Not der Frauen in Sudan zu lenken."

Daraufhin vertagte der Richter das Verfahren erst einmal um einen Monat. Denn Lubna Hussein ist kein unbeschriebenes Blatt. Ihr verstorbener Mann, Abdul Rahman Mukhtar, war der Gründer der angesehenen sudanesischen Tageszeitung "El Sahafa". Darin zog die studierte Wirtschafts- und Kommunikationswissenschaftlerin in ihrer Kolumne "Männergespräche" gegen Doppelmoral und Frauendiskriminierung zu Felde. Sie wurde wegen ihrer kritischen Äußerungen schon während des Studiums verhaftet.

Die Muslima ist koranfest. "Der Islam verbietet Frauen nicht, Hosen zu tragen", argumentiert sie. "Die Stelle zeigen Sie mir mal." Und selbst im Strafgesetzbuch wird nicht ausgeführt, was "unzüchtige Kleidung" sei. Hosen sind dort nicht erwähnt. Also obliegt es der Auslegung. Es gehe auch überhaupt nicht um Religion, sondern darum, wie Frauen in der islamischen Gesellschaft behandelt werden, erklärt die Streitbare.

Das hatte sich auch bei der Verhaftung der Frauen im Juli mal wieder gezeigt. Die Frauen wurden von der Polizei geschlagen, obwohl der Islam dies "nur" dem eigenen Vater, Gatten oder Bruder zugesteht, nie aber einem Fremden. Und dann wurden sie zusammen mit Männern in eine Zelle gesperrt, was der Geschlechtertrennung des Islam widerspricht. Und schließlich wurden sogar ihre mitverhafteten Gefährtinnen aus dem christlichen Süden des Landes mit Stockschlägen bestraft, obwohl die Scharia, das islamische Gesetzeswerk, für sie auch im Sudan nicht gilt.

Die Reaktionen in Sudan auf den Hussein-Prozess sind kontrovers. Auf der einen Seite erschienen Dutzende von solidarisierenden Frauen in Hosen vor dem Gerichtssaal und bekundeten ihre Sympathie mit Lubna. Die Polizei trieb sie mit Tränengas auseinander. Auf der anderen Seite wettern Imame in den Moscheen gegen die "Unbotmäßigkeit dieser Frau".

Lubna Hussein schläft inzwischen bei Familienangehörigen und Freundinnen, jede Nacht an einem anderen Ort. Nachdem ein Motorradfahrer ihr angedroht hatte, sie werde enden "wie die Ägypterin". Gemeint ist damit die libanesische Sängerin Suzanne Tamim, deren ägyptischer Freund ihr, als sie ihm den Laufpass gab, von einem Auftragsmörder die Kehle durchschneiden ließ.

Das sudanesische Regime ist verunsichert. Denn einerseits gibt es zwar wie in Saudi- Arabien und Iran hier eine Religionspolizei, doch andererseits zählt Sudan zu den relativ moderaten islamischen Ländern. Frauen haben hohe Posten in Regierung und Verwaltung inne. Und so manches Mal sieht die Religionspolizei auch weg. Doch seit der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag einen Haftbefehl gegen Präsident Omar al Bashir wegen Kriegsverbrechen in Darfur erlassen hat, machen die Hardliner mobil. Sie verdammen den Westen und so ist die "westliche" Lubna Hussein für sie zum Exempel geworden.

Doch Lubna Hussein hält durch. Sie will ihren Fall bis vors Verfassungsgericht bringen, wenn nötig. Was auch geschehe, sie werde weiter für die Rechte der Frauen eintreten. "Ich würde nicht nur die angedrohten 40, sondern 40.000 Stockschläge auf mich nehmen", erklärte sie. Unterstützung bekommt sie durch viele Briefe und E-Mails muslimischer Frauen aus der gesamten islamischen Welt.

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