Monika Bütler: Die Berechnende

© Dominic Buettner
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Wenn sie doch nur in die Politik wollte! Wobei: Verdenken kann man es ihr nicht, dass sie keine Lust hat auf diese Spielchen, auf dieses Genormte, auf dieses Parteibuch-Denken. Monika Bütler, 56, Professorin für Volkswirtschaft an der renommierten Handelshochschule St. Gallen (HSG), ist ideologiefrei, unabhängig und einer der brillantesten Köpfe der Schweiz. Und dieser Kopf eben, der ist sehr eigen. Darum ist es womöglich doch ganz gut, wenn sie als Außenstehende mitredet. Gewicht hat das, was sie sagt, sowieso.

Für ein Treffen bleibt nur Zeit morgens um 7.45 Uhr in ­einem Café am Zürcher Hauptbahnhof, weil sie knappe 40 Minuten später den Zug nach St. Gallen erwischen muss. Monika Bütler lebt mit ihrem Mann und den beiden Söhnen, 13 und 15, in Zürich; ihr jüngerer Sohn ist gerade im Spital, sie hat wie ­immer eine Menge zu tun, aber sie schaut während des ganzen Gesprächs nicht einmal auf die Uhr. Den Espresso trinkt sie doppelt und schwarz.

Die Professorin ist nicht nur einschüchternd klug: zunächst Studium der Mathematik und Physik, dann der Volkswirtschaft, Doktorat und Habilitation, danach arbeitete sie am Lawinenforschungsinstitut in Davos, war Direktorin des Schweizerischen Instituts für Empirische Wirtschaftsforschung, ist Mitglied des Bankrats der Eidgenössischen Nationalbank und sitzt in mehreren Verwaltungsräten. Sie sagt auch, was sie denkt. Oder sie schreibt es.

Und ja, mitunter geht sie auch mit den Frauen hart ins Gericht. Nämlich dann, wenn sie vor allem den gut ausgebildeten unter ihnen vorwirft, ins klassische Rollenmodell zurückzufallen, sobald Kinder da sind. Das Geld, das die Ausbildung gekostet hat und dann nicht in Form von Steuern zurückkommt, sei verschwendet und das wiederum der Gesellschaft gegenüber, die das Studium finanziert habe, unfair. Das hören sie nicht gern, die Akademikerinnen, die lieber Hausfrauen sind, aber es ist nun mal so, dass Schweizer Frauen nur gerade mit 24 Prozent zum durchschnittlichen Haushaltseinkommen beitragen; in keinem anderen Land außer den Niederlanden arbeiten die Frauen so häufig mit so wenigen Stunden in Teilzeit wie in der Schweiz.

Nach solchen Äußerungen gibt’s dann wieder Haue; interessanterweise aber, sagt Monika Bütler, nicht von den Frauen selbst, „sondern von deren Ehemännern“. Dabei, zuckt sie die Schultern, sei ihr völlig egal, wie eine ihr Leben lebe. Sie fordert bloß mehr Konsequenz.

Das wird Bütler übelgenommen, dabei argumentiert sie messerscharf und, natürlich, immer mit Fakten. Auch bei der Quote, die sie ablehnt. Aus dem Stegreif zeigt sie mit Zahlen aus Norwegen auf, dass deren Einführung „rein gar nichts gebracht“ habe. „Sie führt oft bloß dazu, dass Unternehmen Frauen auf unwichtige Listen setzen, um sich mit ihnen als Feigenblatt zu schmücken.“ Allerdings: Das Gerede von den „Quotenfrauen“ sei kein Argument gegen die Quote. Ihr wurde damals beim ­Abschluss des Physik-Studiums gesagt, sie habe halt einfach dem Professor schöne Augen gemacht. Sie seufzt. „Diesen Vorwurf gab es immer schon, dafür braucht es die Quote nicht.“

Sie sei schon als Kind eckig gewesen, sagt Monika Bütler, dabei ist an ihr überhaupt nichts Eckiges. Sie ist das, was man eine elegante Erscheinung nennt, ihr Blick ist warm. Aber es ist ja noch nicht lange her, dass ein Mädchen bereits deshalb als unpassend empfunden wurde, wenn es die Mathematik schneller als alle Buben der Klasse begriff. „Blaustrumpf“ nannten die Freundinnen ihrer Mutter deren Tochter, und es ärgerte sie, weil klar war, dass da nicht Bewunderung für das begabte Mädchen mitschwang, sondern eher Missbilligung, dass da eine nicht ihrer Rolle entsprechend gerne singt oder näht und dazu stets höflich lächelt.

Womöglich stammt sie daher, diese komplette Abwesenheit von Gefallsucht, womit Bütler nie in die klassischste aller Frauenrollen getappt ist. „Dabei dachte mein Mann“, lacht sie, „als er mich vor 24 Jahren kennenlernte, ich sei schüchtern.“ Denn selbst sie musste lernen, „dass man mitunter laut sein muss, damit man gehört wird“. Bewusst geworden ist ihr das während des Ökonomie-Studiums, „einer Macho-Hochburg“, wo etwa bei Gruppenarbeiten ganz einfach klar war, dass der Kommilitone die überraschenden Gedanken gehabt hatte und nicht sie. Also ­begann sie, nicht nur eckig zu sein, sondern mitunter auch laut.

Genau deshalb beunruhigt sie der Backlash. „Die Buben sind heute an den Schulen die Verlierer, weil die Mädchen angepasster sind und besser ins System passen. Bloß: Just dieses Angepasste erweist sich spätestens im Studium als Bumerang“, sagt die Wirtschafts-Professorin. Weil man den Mädchen suggeriere, wenn sie nur schön fleißig seien, käme der Erfolg sozusagen von alleine. „Ich erlebe viele Studentinnen, die an der Uni scheitern, weil sie einfach nur brav sein wollen.“ Junge Männer hingegen kämen mit Widerstand besser zurecht und reüssierten deshalb auch häufiger.

Monika Bütler arbeitete immer viel, 70 Stunden pro Woche waren üblich, und das jahrelang. Jetzt hat sie zurückgeschraubt, nach fünf Jahren als Dekanin an der Handelshochschule auf 50 Prozent reduziert. Aber sie ist ja auch noch Verwaltungsrätin und schreibt zusammen mit ihrem Mann einen eigenen Blog (batz.ch). Es gibt sie immer noch, die „älteren Herren“, die die Beiträge ihres Mannes – er ist ebenfalls Wirtschafts-Professor, ­allerdings an der Uni Zürich – als glaubwürdiger erachten. Monika Bütler lächelt. Es kümmert sie nicht.

Bettina Weber

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