Saudi-Arabien: Freie Fahrt für Frauen!

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Gestern haben die Frauen in Saudi-Arabien getanzt und ganz gewiss viele YouYou ausgestoßen, die traditionellen Freudenträller der Araberinnen. Der mächtige und reformentschlossene Kronprinz Muhammad Bin Salman (KMS) kündigte an, dass das Fahrverbot für Frauen in Saudi-Arabien aufgehoben werde. Ab Frühling 2018 soll es ernst werden.

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Der Schritt war überfällig. Aber die Beharrungskräfte in dem wahabitischen Land sind stark. Prompt wurde nicht nur auf Twitter gepöbelt, die „Ehre der muslimischen Männer“ gehe zu Grunde, und es seien „sexuelle Auswüchse“ der Frauen zu befürchten; auch die Religionsgelehrten bäumen sich auf. Einer war sich laut FAZ gar nicht zu blöd zu argumentieren, Frauen hätten nur ein Viertel des Gehirns von Männern und könnten schon deshalb nicht Autofahren.

Doch der Fortschritt wird nicht aufzuhalten sein, nicht zuletzt, weil Saudi-Arabien nicht mehr ganz so offensichtlich gegen die elementaren Menschenrechte der Hälfte der Bevölkerung verstoßen will, nicht zuletzt, um weiter im internationalen (Wirtschafts)Konzert mitspielen zu dürfen.

Da müsste allerdings noch einiges passieren. Seit 1990 kämpfen saudische Frauenrechtlerinnen nicht nur gegen das Fahrverbot, sondern gegen ihre gesamte Entrechtung. Der wahabitische Staatsislam schreibt ihnen unter Androhung drakonischer Strafen nicht nur die Verhüllung vor, sondern ihr ganzes Leben.

Frauen in Saudi-Arabien sind rechtlos, haben einen Vormund

Frauen sind in Saudi-Arabien Unmündige, haben lebenslang einen Vormund und dürfen ohne ihn kein Bankkonto eröffnen, keine Verträge schließen, keinen Pass beantragen, nicht reisen und schon gar nicht heiraten. Der Ehemann kann sie verstoßen, die Kinder bleiben bei ihm, sehen darf sie sie nur mit seiner Zustimmung.

Darüber hinaus sind Frauen in der Öffentlichkeit auf die permanente Begleitung eines „Sittenwärters“ angewiesen (und sei es der eigene Sohn) und dürfen ohne ihn keinen Schritt tun. Denn in Saudi-Arabien ist das islamische Familienrecht besonders drakonisch, in abgeschwächter Form gilt das jedoch bis heute in allen Ländern, in denen der Islam Staatsreligion ist.

Es bleibt also noch einiges zu tun. Doch erst einmal herrscht große Freude bei den Saudi-Frauen. Eine, die sich ganz besonders freut, ist Manal Al Sharif: Sie war die erste Frau, die es 2011 gewagt hatte, sich ans Steuer zu setzen, damals noch verschleiert. Sie kam ins Gefängnis und flüchtete ins Exil. In der nächsten EMMA-Ausgabe erscheint ein Porträt von Manal.

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Im Exil vor den Islamisten

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Diese Woche habe ich in einer Wohngemeinschaft im französischsprachigen Montreal, mitten in dem alternativen Künstlerviertel Mile End verbracht. Zusammen mit einem Künstler aus Israel und einem Musiker aus Syrien. Der eine aus Haifa, der andere aus Damaskus. Zwei Städte, die eigentlich nur 270 Kilometer voneinander entfernt sind. Wären die beiden nicht nach Kanada ausgewandert, hätten sie sich vermutlich nie kennen- und vielleicht sogar hassen gelernt. Heute sind sie Freunde und leben gemeinsam in einer hellen Wohnung in einer wildblumengesäumten Nebenstraße. Die Haustür steht den ganzen Tag offen, so wie man sich das in Kanada immer vorgestellt hat. "Wir sind der lebende Beweis, dass es funktioniert", sagt der Israeli.

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In Montreal ist gerade CSD-Saison und die Stadt ist voll mit Menschen in bunten Outfits und mit bunten Ideen. Hier wird eine Regebogenfamilie geplant (zwei lesbische Frauen, ein schwuler Mann), dort über gender-neutrale Mode und fluide Geschlechterrollen diskutiert (von einem queeren Mann im schicken Blümchenkleid). Wer wie ich das frankophone Québec erreicht, der merkt aber auch, dass die weltoffene Idylle und das perfekte Image, das Kanada nach außen präsentiert, Risse hat. Manche der Jüngeren wünschen sich eine größere Souveränität des frankophonen Teils gegenüber dem anglophonen Kanada - bis hin zur Unabhängigkeit.

Niemand weiß das so gut, wie Djemila Benhabib, die ich vor drei Tagen besucht habe. Die in Algerien aufgewachsene Intellektuelle ist vor 23 Jahren als scharfe Kritikerin des radikalisierten Islams ins Exil geflüchtet. Erst nach Frankreich und dann nach Kanada. Heute lebt Djemila in Trois-Rivières, einer der ältesten Industriestädte Kanadas, hält Vorträge und Seminare, schreibt und ist politisch engagiert (u.a. in der Parti Québécois, die ein unabhängiges Québec fordert).

An dem Tag, an dem wir in ihrem Garten ein köstliches Mittagessen zu uns nehmen, ist Djemila bester Laune. Sie hat gerade einen Rechtsstreit gegen eine Koranschule gewonnen, die sie wegen angeblicher Beleidigung verklagt hatte. Die Feministin hatte in einem Radiointerview u.a. kritisiert, dass die Koranschule minderjährigen Mädchen vorschreibt, den Hidjab zu tragen - und "rein" zu bleiben. "Als ich nach Kanada gezogen bin, hätte ich niemals gedacht, dass ich mich auch hier mit solchen Themen rumschlagen muss - aber jetzt agitieren die Islamisten auch hier“, sagt sie fast resigniert.

Aber Djemila will nicht schweigen. Sie hat das ja alles schon mal erlebt, Anfang der 1990er Jahre in Algerien. "Mein Leben in Algerien war ein Traum. Ein schönes Land, eine tolle Familie, wir haben es geliebt zu essen und zu trinken“, sagt Djemila. „Und dann kamen die Islamisten - und das hat alles verändert. Ich frage mich bis heute: Wie kann es sein, dass wir diesen Tsunami, der da auf uns zugerollt kam, nicht rechtzeitig gesehen haben?“

Ensaf, Djemila und Alex.
Ensaf Haidar, Djemila Benhabib und Alex Eul.

Am nächsten Tag besuchen wir zusammen Ensaf Haidar, die Frau des seit fünf Jahren inhaftierten und gefolterten saudi-arabischen Bloggers Raif Badawi. Ensaf und ihre drei Kinder haben in Sherbrook Zuflucht gefunden. Seither kämpft sie für Raifs Freilassung, Tag für Tag.

"Das Problem ist nicht nur die saudische Regierung. Sondern auch die kanadische. Theoretisch verteidigen sie Raif, aber in der Praxis tut sie zu wenig, um ihn zu befreien", klagt Ensaf. Sie und Djemila sind sich einig: Fünf Jahre reichen, es muss endlich etwas passieren.

"Raifs Zustand ist sehr kritisch", sagt seine Frau, und auch sie sieht sehr erschöpft aus. Währen des EMMA-Gesprächs (das wir demnächst veröffentlichen werden) klingelt ihr Handy, es ist Raif. Ensaf verschwindet kurz. Später wird sie auf Facebook posten: "Wenn der Mensch, den du liebst, dir sagt, dass er auf die grauenvollste Art und Weise misshandelt werden wird - was antwortest du dann?“

Alexandra Eul berichtet im Rahmen des Arthur F. Burns Fellowship aus Kanada.

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