Susanne: Die Spielkameradin (Nr. 8)

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„Ich bin Theater-Pädagogin und Regisseurin, alleinerziehende Mutter und Nachbarin einer der größten Erstaufnahmeunterkünfte in Hamburg: den Messehallen. Hier sind in Halle B6 über 1.000 Flüchtlinge untergebracht. Wenn man das jeden Tag sieht, stellt sich gar nicht die Frage, ob man helfen möchte. Ich konnte nicht anders.

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Die Frage, ob man hilft, stellt sich gar nicht. Man kann nicht anders.

Es gibt eine gut organisierte Initiative im Karoviertel, ein kleiner Stadtteil direkt neben der Messe. Die bieten eine ganze Bandbreite an Hilfe an: von Kuchenbacken über eine Kleiderkammer und Übersetzungshilfen bis hin zu Kinderspielen. Und da bin ich dabei, mittlerweile im Orga-Team.

Wir haben ziemlich viele Spenden bekommen: Bobby-Cars, Lego, Puppen, Bälle, Bücher, all so was. Wir spielen zwei Mal am Tag drei Stunden mit den rund 100 Kindern, die hier untergebracht sind. Meistens sind die Racker sogar schon 15 Minuten vorher da und drücken ihre Nasen an die Türen zum Innenhof, weil sie es gar nicht erwarten können. Für die Eltern ist das eine große Entlastung, sie haben ja so mehr Zeit, sich um organisatorische Dinge zu kümmern. Wobei ... als ich letztens mit einem Jungen Ball gespielt habe, kam seine Mutter und sagte zu ihm: ‚Geh mal zur Seite!’ Und dann haben wir zwei erwachsenen Frauen zusammen Volleyball gespielt. Das war cool.

Ich bin selbst überrascht darüber, wie eng man in so kurzer Zeit mit manchen Menschen hier ist. Fast wie Freundschaften. Das letzte Wochenende, als tausende Flüchtlinge aus Ungarn nach Deutschland kamen, hat  bei einigen von uns auch gemischte Gefühle ausgelöst. Am Samstag hat die Ausländerbehörde deshalb nämlich 500 Flüchtlinge aus den Messehallen verlegt.

Wir haben davon gar nichts mitbekommen, sie waren einfach weg. Und die, von denen wir keine Handynummer haben, können wir auch nicht mehr erreichen und noch nicht einmal Tschüss sagen. Wir haben keine Ahnung, wie es ihnen geht und ob sie woanders gut untergekommen sind.

Natürlich ist so eine Erstaufnahmeunterkunft auch nicht darauf ausgelegt, dass die Menschen länger bleiben. Die meisten sind zwei bis drei Wochen hier. Manchmal, wenn ich in der Halle bin, denke ich: Was ist das groß! Auf der einen Seite sind Parzellen zum Schlafen aufgebaut, auf der anderen stehen Tische und Bänke, an denen die Leute essen können. Und dazwischen sind Teile mit grauen Stellwänden abgetrennt. Da fühle selbst ich mich ganz schön verloren.

Wir können kein Fünf-Sterne-Hotel aus der Halle machen

In Hamburg-Harburg hat ja gerade eine NDR-Journalistin verdeckt in einer Erstaufnahmestelle recherchiert und die schlechten Zustände beklagt. Klar, das alles hier möchte man Menschen eigentlich nicht zumuten. Andererseits denke ich: Wir können aus dieser Halle kein Fünf-Sterne-Hotel machen, selbst wenn wir es gerne wollten. Und den unglaublichen Andrang, den muss man erst mal bewältigen. Ich habe den Eindruck, dass sich jetzt, nach der ersten Euphorie über die Gastfreundschaft, ziemlich deutlich zeigt, dass es von staatlicher Seite her an allen Ecken und Enden an Geld fehlt. Und an Material. Das Kontingent an Lagerbetten zum Beispiel ist in ganz Deutschland leer. Es gibt einfach keine mehr. Ich bin da wirklich hin und her gerissen zwischen Kritik und Stolz, wie gut wir das trotz alledem hinbekommen.

Was mich auch beschäftigt: Unsere Regierung trägt ja eine Mitverantwortung für die Situation in den Ländern, aus denen diese Menschen flüchten müssen. Und dann kommt ein kleines Mädchen aus Syrien zu dir und drückt dir ein Bild in die Hand, das es für dich gemalt hat ... Da geht eigentlich nur eins: Weitermachen!“

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Refugees welcome - Karoviertel

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Birte: Die Informantin (Nr. 1)

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„Angefangen hat alles im Oktober 2014. Ich hatte mich als Journalistin schon länger über den zündelnden Ton gewundert, in dem eine Lokalzeitung über Flüchtlinge berichtet und habe das Thema deshalb sehr genau verfolgt. Und schließlich wollte ich selbst etwas darüber schreiben, am liebsten sogar mithelfen in einer Flüchtlingsorganisation. Also habe ich mich auf die Suche nach einem Projekt in meiner Umgebung gemacht. Und nichts gefunden. Ich habe mich bei Bekannten und KollegInnen umgehört. Und die hatten alle das gleiche Problem: Sie wollten helfen – wussten aber nicht wie und wo. Also habe ich entschieden: Ich schaffe diese zentrale Informationsstelle. Ich habe einen Wordpress-Blog aufgesetzt und so „Wie kann ich helfen?“ ins Leben gerufen. Um Projekte in ganz Deutschland vorzustellen, die Flüchtlingen helfen. Menschen, die ebenso helfen wollen, finden auf dem Blog die Infos, die sie brauchen. Das ist in dieser Form bisher einmalig.

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Die pauschale Ablehnung des Ostens finde ich beunruhigend

Innerhalb von wenigen Tagen sind die Zugriffzahlen explodiert. Obwohl anfangs gar nicht so viel drauf stand auf meinem Blog. Die ersten Projekte musste ich mir noch mühsam zusammensuchen. Heute gibt es eine Übersichtskarte, auf der ich über 350 verlinkt habe. Initiativen aus ganz Deutschland schreiben mich an. Und ich suche selbst gezielt weiter. Zurzeit in genau den Orten, in denen es Aktionen gegen Flüchtlinge gibt, in Leipzig und in Nauen zum Beispiel. Denn auch in diesen Städten gibt es ja Leute, die in der Flüchtlingshilfe engagiert sind. Die kommen bloß in den Medien nicht vor. Da sehen wir gerade dauernd die Bilder von den brennenden Flüchtlingsheimen und der angeblich schweigenden Masse. Das führt leider auch zu einer pauschalen Ablehnung des Ostens, was ich ähnlich beunruhigend finde. 

Ich selbst bekomme gelegentlich E-Mails von Männern und Frauen, die mir die Sache mit den Flüchtlingen mal ganz grundsätzlich erklären wollen. Oft auch in diesem typischen Pegida-Ton. Ich erhalte auch Hilferufe von Flüchtlingen, die Probleme bei ihren Asylverfahren haben oder abgeschoben werden sollen. Aber da kann ich natürlich nichts tun. Das ist manchmal sehr bedrückend. Dafür bin ich oft beeindruckt von den vielen schönen Ideen, die Menschen haben. Was mir allerdings fehlt, sind mehr Projekte für Frauen. Klar, für viele ist es schwierig, nachzuvollziehen, was diese Frauen auf der Flucht erleben: Sexuelle Gewalt oder die vielfache Belastung. Sie müssen sich ja trotzdem um alles und jeden kümmern: die Kinder, die Männer, die Versorgung der Familie. Für sich selber haben sie keine Zeit. Viele kommen völlig traumatisiert hier an.

Was mir fehlt, sind mehr Projekte für Flüchtlingsfrauen

Ich wünsche mir deshalb mehr Solidarität von Frauen mit den Flüchtlingsfrauen. Damit sie hier frei leben können. Ich kämpfe selbst eigentlich schon seit der Schulzeit für Gleichberechtigung und führe auch noch ein zweites Blog: „Thea“. Darin geht es um feministische Themen: geschlechtergerechte Sprache und die Darstellung von Frauen in den Medien. In meinen Zwanzigern habe ich in Neuseeland am Theater gearbeitet, ich weiß also selbst, wie es sich anfühlt, die Ausländerin zu sein. Heute verdiene ich mir meinen Lebensunterhalt als Texterin, vor allem in den Bereichen Kultur, Tourismus, Natur und Umweltschutz. Gerade nimmt mich die Flüchtlingssache aber ganz schön in Anspruch. Mein Ziel? Alle Projekte in Deutschland erfassen. Dann erst höre ich auf!“

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