Susanne: Die Spielkameradin
„Ich bin Theater-Pädagogin und Regisseurin, alleinerziehende Mutter und Nachbarin einer der größten Erstaufnahmeunterkünfte in Hamburg: den Messehallen. Hier sind in Halle B6 über 1.000 Flüchtlinge untergebracht. Wenn man das jeden Tag sieht, stellt sich gar nicht die Frage, ob man helfen möchte. Ich konnte nicht anders.
Die Frage, ob man hilft, stellt sich gar nicht. Man kann nicht anders.
Es gibt eine gut organisierte Initiative im Karoviertel, ein kleiner Stadtteil direkt neben der Messe. Die bieten eine ganze Bandbreite an Hilfe an: von Kuchenbacken über eine Kleiderkammer und Übersetzungshilfen bis hin zu Kinderspielen. Und da bin ich dabei, mittlerweile im Orga-Team.
Wir haben ziemlich viele Spenden bekommen: Bobby-Cars, Lego, Puppen, Bälle, Bücher, all so was. Wir spielen zwei Mal am Tag drei Stunden mit den rund 100 Kindern, die hier untergebracht sind. Meistens sind die Racker sogar schon 15 Minuten vorher da und drücken ihre Nasen an die Türen zum Innenhof, weil sie es gar nicht erwarten können. Für die Eltern ist das eine große Entlastung, sie haben ja so mehr Zeit, sich um organisatorische Dinge zu kümmern. Wobei ... als ich letztens mit einem Jungen Ball gespielt habe, kam seine Mutter und sagte zu ihm: ‚Geh mal zur Seite!’ Und dann haben wir zwei erwachsenen Frauen zusammen Volleyball gespielt. Das war cool.
Ich bin selbst überrascht darüber, wie eng man in so kurzer Zeit mit manchen Menschen hier ist. Fast wie Freundschaften. Das letzte Wochenende, als tausende Flüchtlinge aus Ungarn nach Deutschland kamen, hat bei einigen von uns auch gemischte Gefühle ausgelöst. Am Samstag hat die Ausländerbehörde deshalb nämlich 500 Flüchtlinge aus den Messehallen verlegt.
Wir haben davon gar nichts mitbekommen, sie waren einfach weg. Und die, von denen wir keine Handynummer haben, können wir auch nicht mehr erreichen und noch nicht einmal Tschüss sagen. Wir haben keine Ahnung, wie es ihnen geht und ob sie woanders gut untergekommen sind.
Natürlich ist so eine Erstaufnahmeunterkunft auch nicht darauf ausgelegt, dass die Menschen länger bleiben. Die meisten sind zwei bis drei Wochen hier. Manchmal, wenn ich in der Halle bin, denke ich: Was ist das groß! Auf der einen Seite sind Parzellen zum Schlafen aufgebaut, auf der anderen stehen Tische und Bänke, an denen die Leute essen können. Und dazwischen sind Teile mit grauen Stellwänden abgetrennt. Da fühle selbst ich mich ganz schön verloren.
Wir können kein Fünf-Sterne-Hotel aus der Halle machen
In Hamburg-Harburg hat ja gerade eine NDR-Journalistin verdeckt in einer Erstaufnahmestelle recherchiert und die schlechten Zustände beklagt. Klar, das alles hier möchte man Menschen eigentlich nicht zumuten. Andererseits denke ich: Wir können aus dieser Halle kein Fünf-Sterne-Hotel machen, selbst wenn wir es gerne wollten. Und den unglaublichen Andrang, den muss man erst mal bewältigen. Ich habe den Eindruck, dass sich jetzt, nach der ersten Euphorie über die Gastfreundschaft, ziemlich deutlich zeigt, dass es von staatlicher Seite her an allen Ecken und Enden an Geld fehlt. Und an Material. Das Kontingent an Lagerbetten zum Beispiel ist in ganz Deutschland leer. Es gibt einfach keine mehr. Ich bin da wirklich hin und her gerissen zwischen Kritik und Stolz, wie gut wir das trotz alledem hinbekommen.
Was mich auch beschäftigt: Unsere Regierung trägt ja eine Mitverantwortung für die Situation in den Ländern, aus denen diese Menschen flüchten müssen. Und dann kommt ein kleines Mädchen aus Syrien zu dir und drückt dir ein Bild in die Hand, das es für dich gemalt hat ... Da geht eigentlich nur eins: Weitermachen!“
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Refugees welcome - Karoviertel