Ihr Job: Die Eisbären retten!

Wildbiologin Sybille Klenzendorf im ewigen Eis. Foto: Kt Miller
Artikel teilen

"Es ist die Anmut und die Wucht der Eisbären, die mich immer wieder faszinieren“, sagt sie, „die Art, wie sie – anders als alle anderen Bären – nahezu leichtfüßig über das Eis sprinten, grazil durchs Wasser tauchen und sich majestätisch bis zu drei Metern aufrichten können.“

Anzeige

Um die 26.000 soll es noch geben, Tendenz sinkend. Wenn es mit der Klima-Erhitzung ungebremst weiter geht, sieht die Prognose schlecht aus. In 80 Jahren wäre die Art ausgerottet. Denn das Eis, auf dem sie Robben jagen, schmilzt jedes Jahr früher. Das führt dazu, dass die Weibchen nicht fett genug werden und immer weniger Nachwuchs haben. So ist der Eisbär das tierische Symbol für die globale Erderwärmung geworden.

Dass ich eine Frau bin, ist in der Fachwelt weniger ein Problem als in den Teams vor Ort

Sybille Klenzendorfs Aufgabe ist es, das größte Landraubtier der Welt vor dem Aussterben zu retten. Sein größter Feind ist der Mensch.

Die 49-Jährige ist „Programmleiterin für Artenschutzwissenschaft und Monitoring“ beim WWF, Eisbären sind das Spezialgebiet der Biologin aus Forst bei Karlsruhe. Mehrfach im Jahr reist sie für ein paar Wochen nach Spitzbergen, Alaska, Kanada und Russland, um Feldforschung zu betreiben. Wäre nicht Corona, würde Sybille gerade durch die sibirische Tundra streifen.

Wenn es wieder soweit ist, jagt die Mutter von drei Kindern mit dem Schneemobil über das Packeis der Arktis, schläft in voller Montur in spartanischen Holzhütten, isst wochenlang Tütensuppe. Ein Job für eine Frau? „Ja, selbstverständlich!“ sagt Sybille. Das ist für die Fachwelt weniger ein Problem als in den Teams vor Ort. „Als ich für den WWF das Tiger-Programm in Asien koordiniert habe, war ich als Frau allein auf weiter Flur. Meine erste Amtshandlung bestand darin, weitere Frauen in den Beruf zu holen. In Indonesien habe ich zum Beispiel dafür gesorgt, dass mehr Frauen als Männer mit mir ins Feld gegangen sind.“

Oft hilft ihr in männerdominierten Gesellschaften der Doktortitel, noch öfter das praktische Know-How: „Fallen aufbauen, vom Bärenfangen erzählen. So habe ich mir in Russland Respekt verschafft.“

In die Wiege gelegt wurde Sybille die Arbeit mit Wildtieren nicht gerade: „Meine Mutter war Verkäuferin, mein Vater in der Verwaltung bei der Bundeswehr. Beide haben mit Tieren nicht viel am Hut gehabt.“ Sybilles Leidenschaft geweckt haben zwei Männer aus dem Fernsehen: Heinz Sielmann und Bernhard Grzimek mit ihren Dokumentarfilmen.

Fallen aufbauen, vom Bärenfangen erzählen, so verschaffe ich mir Respekt

In den Schulferien fuhr Sybille ins Allgäu, um auf dem Bauernhof zu arbeiten, fast wäre sie Tierärztin geworden. Doch dann wurde der Vater in die USA versetzt – für die Tochter eine einzigartige Möglichkeit, in Washington „Wildlife Science“ zu studieren. Ihre Diplomarbeit schrieb sie über die „Wiedereinführung der Braunbären in Österreich und die Folgen für die Menschen“, ihre Doktorarbeit über „Die Jagd auf Schwarzbären in Virginia“. Sie erzählt: „Das war für mich als Frau in den USA leichter als in Deutschland, in meinem Jahrgang waren viele Frauen.“

22 Jahre lang arbeitet sie als Wildbiologin direkt in den Wildnissen dieser Erde. Sie forscht zu Nashörnern, Tigern, Elefanten und Eisbären. Der König der Arktis wird schließlich ihre Königsdisziplin. In Alaska forscht sie zum Umgang der Menschen mit dem Raubtier, entwickelt Konzepte, um Zusammentreffen zu vermeiden und die Population zu schützen.

Einen Angriff hat sie noch nie erlebt. „In solch eine Situation darf man sich gar nicht erst bringen, bei einem Eisbären ist dann alles zu spät. Er sieht uns Menschen als Beute. Braunbären hingegen haben mich schon öfter bedroht, aber das waren nur Bluff-Angriffe. Da muss man gute Nerven haben und entschlossen stehen bleiben.“

2007 übernahm Sybille die Artenschutz-Abteilung des WWF in Washington. Sechs Jahre später zog es sie zurück in die Heimat nach Forst. Ihre drei Kinder sollten in Deutschland aufwachsen. Sybilles Mann, ein Ingenieur, übernimmt die drei, wenn die Mutter auf Eisbärenjagd geht. Die vier wären wohl auch nicht gut beraten, sich mit Sybille anzulegen.

Artikel teilen

Auf der Jagd nach Plastik

Melanie Bergmann bei Forschungen in der Arktis. Foto: AWI
Artikel teilen

Seevögel, die verhungern, weil unverdauliches Plastik ihre Mägen füllt. Meeresschildkröten, die sich mit Plastikschnüren strangulieren. Meeressäuger, die an Plastik, das sie für Beute halten, ersticken und noch dazu chemische Weichmacher im Blut haben. Korallen und Schwämme, denen das Licht und Sauerstoff fehlen, weil Plastik den Meeresboden bedeckt. Der Bilder sind viele. Eines schrecklicher als das andere.

Anzeige

„Die Forschung wirkt wie eine Taschenlampe, mit der wir Lichtstrahlen ins Dunkel der Ozeane werfen. Erfasst und erforscht ist erst ein Bruchteil der Folgen, doch die Schäden müssen als Warnsignal für ein weit größeres Ausmaß verstanden werden" sagt Dr. Melanie Bergmann, Meeresbiologin am Alfred-Wegener-Institut, dem Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung. Sie hat an der neuen Studie federführend mitgearbeitet und kämpft seit über zehn Jahren wie kaum eine andere dafür, dass der Plastikmüll endlich verringert wird.

Die Bilder vom Meeresboden der Arktis waren ihre Initialzündung

Melanie Bergmann gilt als "Deutschlands größte Plastik-Forscherin". Seit 2011 ist unser Müll ihr Hauptgebiet, sie erforscht unter anderem die großen Müllstrudel im Nordpazifik. Die Bilder, die sie über mehrere Jahre vom Meeresboden in der Arktis machte und die von Jahr zu Jahr mehr Müll zeigten, waren ihre Initialzündung - und der Anlass für viele Forschungsinstitutionen, dem Plastik auf den Grund zu gehen.

Und die neuesten Ergebnisse der Meeresbiologin sind niederschmetternd. Zwischen 86 und 150 Millionen Tonnen Kunststoff liegen der Studie zufolge im Ozean. Besonders schlimm ist die Lage im Mittelmeer, im Gelben sowie im Ostchinesischen Meer. Auch in der Tiefsee sammle sich immer mehr davon. Der Müll werde bei Hochwasser von Deponien weggespült - oder oft auch direkt ins Meer gekippt. Mikroplastik gelange auch über das Abwasser in die Meere. Zwar hielten moderne Klärwerke bis zur 97 Prozent der Partikel zurück, aber in einer Stadt wie Berlin oder Hamburg bedeute selbst ein Prozent immer noch eine große Menge, so Bergmann.

Sie gehört zu den wenigen NaturwissenschaftlerInnen, die gehypte Projekte wie „The Ocean Cleanup“ kritisieren. Die riesigen Meeresfilter sollen Plastik an der Meeresoberfläche einsammeln, wurden medial schnell als Heilsbringer für die Ozeane hingestellt. Einsammeln, fertig. Dabei liegt der meiste Müll am Boden.

Bergmann ist fest davon überzeugt, dass die 600 Meter langen Fangarme mehr zerstören, als sie retten können. Sie erzählt: „Solche Strukturen, die an der Wasseroberfläche treiben, ziehen eine bestimmte Community von Tieren an, zum Beispiel Fische, die dort Schutz suchen. Die Fangarme des Ocean Cleanup werden auch sie zusammentreiben und fangen, genauso wie wunderschöne Nacktschnecken und Segelquallen. Außerdem ist viel von dem Müll besiedelt. Wird er beseitigt, werden auch die Tiere beseitigt.“

Bergmann und ihre Kollegin und Leiterin des Alfred-Wegener-Instituts, Antje Boetius, kämpfen für „Vermeiden statt einsammeln“. Strände und Flussufer müssten vom Müll befreit werden, damit er nicht mehr ins Meer gelange. Und natürlich müsse der weltweite Konsum von Plastik dringend gedrosselt werden, denn auch er trägt zum Klimawandel bei. Die weltweite Plastikproduktion aber hat in den vergangenen Jahren zwischen 1970 und 2013 um unfassbare 620 Prozent zugenommen. Bergmann: "Und der Mikroplastik-Gehalt wird sich in den kommenden 30 Jahren noch mehr als verdoppeln!"

Das, was du da unten erlebst, verändert dich, du willst plötzlich helfen!

Bergmann und Boetius versuchen immer wieder, Menschen auch durch Bilder der Schönheit der Meere zu einem vernünftigeren Handeln zu bringen. Ihre Aufnahmen der Tiefsee sind spektakulär. "Das, was du da unten erlebst, verändert dich“, erzählt Antje Boetius. „Das ist, wie wenn man ins All fliegt und unsere kleine blaue Kugel von oben sieht. Du willst ihr plötzlich helfen.“

Wenn Deutschlands bekannteste Tiefsee- und Polarforscherin für Tauchgänge in ihre kleine Glaskapsel steigt und hunderte Meter hinab in die Dunkelheit gleitet, weiß sie nie, was ihr begegnen wird. Boetius entdeckt Dinge unter Wasser, die noch kein Mensch auf dieser Welt gesehen hat: Vulkane in der Arktis, gigantische Gebirge und Schluchten, ganze Landschaften aus Seeanemonen. Bizarre Lebewesen, leuchtende Fische mit riesigen Fangzähnen und gelatinösen Gliedern. Und die „Methan-Fresser“. Mikroorganismen, die das Methan im Meeresboden filtern. Es wäre eine Katastrophe, würden die mikrometerkleinen Wesen an ihrer Arbeit gehindert. „Wenn große Mengen Methan hochsteigen würden, gäbe es eine katastrophale Verstärkung der Erderwärmung“, sagt Boetius.

Der WWF, der die neue Plastik-Studie beim Alfred-Wegener-Institut in Auftrag gegeben hat, fordert ein verbindliches globales Abkommen, um die unwiderrufliche Vermüllung der Weltmeere zu stoppen, bevor ökologische Kipppunkte überschritten werden. Melanie Bergmann: "Es eilt!"

Weiterlesen
 
Zur Startseite