Iran: Schleierhaft...

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Was Wunder, dass all diese Frauen sich zwar noch auf den gemeinsamen Nenner einigen konnten, im Iran sei es um die Emanzipation der Frauen nicht günstig bestellt, dass sie aber darüber hinaus sehr unterschiedliche Einschätzungen und Haltungen hatten und haben, im Iran wie im eigenen Land.

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Zum Eklat kam es dann durch die Schleier-Frage: Sollte die Delegation zum Empfang bei Ajatollah Chomeini auch selbst verschleiert gehen oder sollte sie nicht?

Nach einer ersten, sehr rasch heftig werdenden Debatte zeichneten sich zwei Lager ab, die sich bis zum Schluss konzessionslos gegenüberstanden: Die einen waren für den Schleier mit dem Argument, das sei schließlich hier so Sitte, und wir würden Millionen Iranerinnen sehr schockieren, wenn wir es wagen würden, dem Ajatollah unverhüllt entgegenzutreten.

Die anderen waren gegen den Schleier mit dem Argument, erstens seien wir keine Muselmaninnen und ja auch zu Hause unverschleiert, zweitens sei es ein Schlag ins Gesicht all der Frauen, die ja gerade auch gegen den Schleierzwang protestieren, wenn ausgerechnet wir uns dem jetzt beugten.

Mehr und mehr schälte sich heraus, dass hinter diesen Worten auch zwei politische Konzepte standen: Bei der ersteren Gruppe das Konzept "dem Volke dienen", nicht tun, was man selbst als richtig fühlt, sondern tun, was man von den anderen für erwünscht hält. Bei der zweiten Gruppe das feministische Konzept des von sich selbst Ausgehens, des sich nicht selbst Verleugnens und des Vertrauens selbst auf das Verständnis verschleierter Muselmaninnen.

Einen dramatischen Höhepunkt erreichte die Diskussion um den Schleier, als Leila, die ägyptische Regisseurin und einzige Muselmanin im Komitee, gegen zwei Uhr nachts in Tränen ausbrach und fast plädierte: "Ich flehe euch an, geht nicht im Schleier zu diesem Patriarchen. Wenn ihr das tut, trampelt ihr auf allen islamischen Frauen herum, die gegen diese Erniedrigung kämpfen." Die Lager blieben kontrovers. Schließlich resignierten die Frauen, die gegen den Schleier und in der Minderheit waren (wir waren sechs, ich gehörte dazu).

Drei Schleier-Befürworterinnen (eine Mitarbeiterin der linken Pariser Tageszeitung Liberation, Claire Briere; eine Redakteurin der linksliberalen französischen Wochenzeitschrift Le Nouvel Observateur, Katja Kaupp, und die undogmatische italienische Marxistin Maria-Antonietta Macciocchi) zogen am nächsten Morgen verschleiert nach Chom.

Der Schiitenführer ließ sie acht Stunden warten, empfing sie dann fünf Minuten lang, antwortete auf keine einzige der zuvor schriftlich auf Persisch eingereichten Fragen und verkündete lediglich: "Ich freue mich, dass sie den Kampf des iranischen Volkes unterstützen." Segnung. Abgang.

Als ich am Tag darauf Farideh, die aus Gläubigkeit auch während ihres vierjährigen Frankreichaufenthaltes nur im Schador auf die Straße gegangen war, von unserem Disput erzählte und sie nach ihrer Meinung fragte, fing Farideh an zu lachen und sagte: "Aber das ist ja lächerlich. Ihr seid doch gar nicht gläubig. Das erwartet doch niemand von euch."

Äußere Zwänge waren es wohl wenigstens in unserem Falle nicht. Eher innere.

 

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