Lydia Cacho: Gegen Menschenhandel

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Sie hätte es einfach gut sein lassen können und die Aufdeckung von Menschenhändlerringen und Pädophilen-Netzwerken anderen überlassen. Als sie 2005 in ihrem Buch „Die Dämonen von Eden“ die Verstrickung eines bekannten Unternehmers in einen Kinderpornografie-Ring aufdeckte, hat sie Todesdrohungen bekommen. Sie wurde mit Verleumdungsklagen überzogen und schließlich von einer Gruppe Polizisten entführt und vergewaltigt. Aber Lydia Cacho macht weiter.

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Die preisgekrönte Journalistin aus Mexiko, dem Land, das sich „in das Thailand ­Lateinamerikas verwandelt hat“, ist auf den Spuren der Frauen- und Kinderhändler um die ganze Welt gereist und hat die bedrückenden Ergebnisse ihrer Recherche jetzt in einem Buch veröffentlicht. Der Titel lautet schlicht: „Sklaverei“. Denn: „Die hochentwickelte internationale Sexbranche hat einen Markt geschaffen, auf dem schon bald mehr Sklaven verkauft werden als zur Zeit des afrikanischen Sklavenhandels vom 16. bis ins 19. Jahrhundert.“ Diese Sklaven sind meist Sklavinnen, egal, ob in Mexiko oder Thailand, Japan oder Palästina. Schließlich sind „nach den Regeln des ­Machismo Frauen keine Menschen, sondern Objekte, und selbst die Frauen in den Verbrecherorganisationen halten sich an die Gesetze der Misogynie und der Verachtung ihres eigenen Geschlechts.“

Um das globale System der Frauenverachtung aufzudecken, hat sich die 48-Jährige, die 2008 mit dem UNESCO-Preis für Pressefreiheit ausgezeichnet wurde, zu einer weltumspannenden Recherche aufgemacht.

Beim konspirativen Tee mit Mahmut von der türkischen „Sondereinheit zum Kampf gegen den Menschenhandel“ erfährt sie, warum die türkische Polizei immer weniger Fälle von Frauenhandel aus Russland, Georgien oder Moldawien aufdeckt. „Für die Chefs von Polizei und Armee ist die Prostitution ein Geschäft, und sie selbst sind die Kunden“, erklärt der Informant. Mahmut weiß auch, dass in Afghanistan nicht nur der Mohn, sondern auch der Frauenhandel blüht. „In ein paar Jahren wird die Öffentlichkeit Augen machen, welche Summen Terroristen und amerikanische Privatarmeen mit dem Verkauf von Frauen aus der Region verdient haben.“

In Tokio setzt sie sich auf die Spur der Yakuza, der japanischen Mafia, deren Haupteinnahmequelle der Frauenhandel ist. Sie schleicht sich in ein „Jugendbordell, dessen Besucher aussahen, als wären sie einem Manga-Comic entsprungen“. Sie besucht die Bars, in denen Rodha, eine junge Amerikanerin auf Japanreise, in die Fänge der Frauenhändler gerät. Die hatte sich als Tänzerin beworben. „Später, zu spät, habe ich erfahren, dass ich an diesem Abend den Käufern vorgestellt wurde“, erzählt sie. „Das Lokal war ein Club für Edelsklavinnen.“

Lydia Cacho gibt sich als Reiseunternehmerin, Tänzerin oder Nonne aus, um in als Spielsalons getarnte Bordelle zu ­gelangen oder sich von Puffmüttern ihre Geschäftsmodelle erläutern zu lassen.

Und sie besucht Orte, an denen den ­Opfern geholfen wird. Hier begegnet die Journalistin den Opfern, die noch lange brauchen werden, bis sie ihre Erlebnisse überwunden haben. „Sie wurden zu Prostituierten ausgebildet. Im Alter von neun oder zehn Jahren erklären sie mir mit ihrer zarten kindlichen Stimme, dass sie dazu geboren sind“, berichtet Cacho erschüttert. „Die Mädchen kreischen und klatschen mit ihren Händen aufs Wasser. Plötzlich ruft May laut: ‚That’s it, baby girl! Good job!“ Ich bin erstaunt. Der amerikanische Akzent ist perfekt.“

Prostitution ist keine „Sexarbeit“, sondern Sklaverei. Lydia Cacho kämpft mit ihr gegen die Verharmlosung des Sexkaufs und seine Legalisierung. und ihr Argument ist so einfach wie einleuchtend: „Irgendetwas sagt mir, dass die Legalisierung einer derart verabscheuungswürdigen Tätigkeit in einer von Ungleichheit geprägten Welt am Ende nur den Tätern nutzt und nicht den Opfern.“

Zum Weiterlesen: Lydia Cacho: „Sklaverei – im Inneren des Milliardengeschäfts Menschenhandel“ (Fischer Verlag, 19.95 Euro)

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