Flüchtlingsfrauen auf Bustour!

"Women in Exile"-Gründerin Elisabeth Ngari. - © Anja Weber
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Sie haben in den letzten Wochen viele Flüchtlingsheime besucht und dort mit den geflohenen Frauen gesprochen. Was haben die berichtet? 
Viele Frauen haben Angst. Angst davor, zurückgeschickt zu werden oder Angst vor der Zukunft: Wie sollen sie es schaffen, hier wieder ein ganz neues Leben anzufangen? Und sie haben Angst in den Heimen. Die Unterkünfte sind überfüllt, die Verhältnisse total beengt. Wir waren zum Beispiel in einem neuen Heim in Templin. Dort leben Familien in einem Raum, die voneinander nur durch einen Schrank getrennt sind. In einem Heim in Eisenhüttenstadt sind ganze Flure ohne Licht. Da trauen sich die Frauen nicht, zur Gemeinschafts-Toilette zu gehen. Die Frauen müssen sich Toiletten, Waschräume und Küchen mit vielen anderen Bewohnern teilen. Da gibt es Konflikte zwischen den Bewohnern, Gewalt und sexuelle Belästigung. „Women in Exile“ prangert das im übrigen schon seit Jahren an.

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Bei Belästigung sagt die Security: "Dann bleiben Sie halt in Ihrem Zimmer!"

Mit welchen Konsequenzen? 
Es ist schonmal ein Fortschritt, dass endlich darüber gesprochen wird. Journalisten kommen zu uns und wollen mit Frauen sprechen, die in den Heimen sexuelle Übergriffe erlebt haben. Aber die Frauen berichten uns, dass in den Heimen niemand eingreift. Wenn sie zur Security gehen, sagt man ihnen: „Halten Sie sich eben von den Männern fern, die Sie belästigen!“ Oder: „Bleiben Sie halt in Ihrem Zimmer und schließen sie es ab!“ Selbst die Polizei sorgt nicht dafür, dass die Frauen geschützt werden. Letzte Woche haben wir eine Frau auf die Polizeiwache begleitet, die von einem Mann angegriffen worden war. Die Polizei war zwar freundlich zu uns und hat den Täter wohl auch vernommen, aber die Frau sagte mir, sie habe ihn kurz darauf wieder im Heim gesehen.

Wie könnten die Frauen effektiv geschützt werden? 
Solange es keine klare Policy für den Umgang mit der Gewalt gegen Frauen in den Heimen gibt, will niemand etwas damit zu tun haben. Es muss also klare Richtlinien geben. Das Problem ist auch, dass die Frauen ihre Rechte nicht kennen. Die nehmen das einfach so hin. Die meisten sprechen ja noch nicht mal über die Übergriffe, unter anderem auch deshalb, weil sie Angst haben, dass sich ihre Chancen auf Anerkennung ihres Asylantrags verringern, wenn sie „Ärger machen“.

Die Frauen haben Rechte. Darüber müssen sie aufgeklärt werden!

Und nun?
Die Politik müsste zunächst zur Kenntnis nehmen, dass Asylbewerberinnen von Gewalt betroffen sind, natürlich auch durch ihre eigenen Ehemänner. Sie müsste in einem solchen Fall genauso in ein Frauenhaus gehen können wie jede andere Frau in diesem Land. Das ist wegen der „Residenzpflicht“ leider nicht möglich. Und den BetreuerInnen in den Heimen muss vermittelt werden, dass sie im Falle einer Belästigung oder Vergewaltigung genauso handeln sollten, als wenn die Tat einer anderen Frau in unserer Gesellschaft passiert wäre. Es gibt in Deutschland Gesetze zum Schutz von Frauen gegen Gewalt. Diese Gesetze gelten bei Flüchtlingsfrauen aber selten, sie werden einfach ignoriert, von allen Instanzen. Die Frauen müssen systematisch über ihre Rechte aufgeklärt werden. Sie müssen zum Beispiel wissen, dass es nichts mit den Erfolgsaussichten ihres Asylantrags zu tun hat, wenn sie sich gegen einen Übergriff wehren. Auch sollten Frauen und ihre Kinder so schnell wie möglich in Wohnungen untergebracht werden.

Nehmen die Frauen die Sprach- und Integrationskurse an?
Das würden sie, aber oft haben die Anbieter die Frauen nicht auf dem Schirm. Wenn man will, dass sie in einen Kurs kommen, muss man gleichzeitig Kinderbetreuung anbieten, so dass die Mutter sich vier oder sechs Stunden auf ihren Kurs konzentrieren kann – genau wie der Vater. Sonst passiert das, was wir oft beobachten: Die Frauen sind schon jahrelang im Land, sprechen aber kaum Deutsch. Es kommen nun viele Männer ins Land und in die Flüchtlingsheime, die ein sehr rückständiges Frauenbild haben. Darum muss man beiden, Männern wie Frauen, von Anfang an klar machen, dass Frauen Rechte haben! Das muss Teil der Sprach- und Integrationskurse sein: Frauenrechte sind Menschenrechte.

Hier geht es zur Internetseite von Women in Exile

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Frauen helfen Flüchtlingen. Foto: Christian Mang/imago
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