Freierbestrafung in Frankreich

Ausstellung "Sex For Sale“ in der Photobastei Zürich mit Bettina Flitner u.a.
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Vor der Abstimmung hielt die französische Frauenministerin Laurence Rossignol eine Ansprache an die Abgeordneten und erklärte: „Sexuelle Dienste kaufen, das ist Gewalt gegen Frauen in der Prostitution.“ Und sie fuhr fort: „So lange man in einer Gesellschaft Frauenkörper kaufen kann, wird es keine Gleichheit von Männern und Frauen geben.“

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"Sexuelle Dienste kaufen - das ist Gewalt gegen Frauen in der Prostitution"

Das sah die überwältigende Mehrheit der Abgeordneten der französischen Nationalversammlung genauso. Sie verabschiedete am Abend des 7. April ein Gesetz, das diejenigen bestraft, die diese Gewalt ausüben und als Kunden den Markt mit der Ware Frau überhaupt erst schaffen: die Freier.

Mit einer überwältigenden Mehrheit von 68 zu 12 stimmten die Abgeordneten für den Gesetzentwurf der Sozialisten, der auch von den meisten konservativen Abgeordneten unterstützt wurde. Ab jetzt gilt im Land von Irma la Douce: Wer eine Frau zum sexuellen Gebrauch kauft, muss eine Geldstrafe von 1500 Euro zahlen, bei Wiederholung 3750 Euro. Zudem können Freier in einen Sensibilisierungs-Kurs geschickt werden.

Im Gegenzug werden die Prostituierten selbst in Frankreich komplett entkriminalisiert: Der „passive Kundenfang“ steht nicht mehr, wie bisher, unter Strafe. Außerdem Teil des Gesetzespakets: JedeR Prostituierte hat künftig das Recht auf professionelle Unterstützung beim Ausstieg. 4,8 Millionen Euro zahlt der Staat dafür jährlich in einen Fonds. Ausländische Frauen und Männer bekommen nach dem Ausstieg ein Aufenthaltsrecht, das zunächst auf ein halbes Jahr befristet ist, aber verlängert werden kann. Und: Die ohnehin scharfen Gesetze gegen Frauenhändler und Zuhälter werden erweitert, damit u.a. auch Websites mit Sitz im Ausland gesperrt werden können.

Ohne Sexkäufer würde das Geschäft mit der Ware Frau nicht existieren

„Ein historischer Tag für die Frauenrechte!“ jubelt die Europäische Frauenlobby (EWL), die 2007 die Kampagne „Für ein Europa ohne Prostitution!“ gestartet hatte und seither dafür kämpft, dass alle europäischen Staaten das „Nordische Modell“ übernehmen.

„Mit der Freierbestrafung hat Frankreich den Weg gezeigt, den wir in ganz Europa gehen wollen: die Abschaffung des Systems Prostitution“, erklärte die EWL-Vorsitzende Viviane Teitelbaum. Bereits 1999 war Schweden mit der Einführung der Freierbestrafung vorangegangen, es folgten Norwegen und Island. Nordirland führte das Sexkaufverbot im Juni 2015 ein, in Irland liegt ein entsprechender Gesetzentwurf der Justizministerin seit September 2015 auf dem Tisch.

„Wir haben gewonnen!“ freut sich auch Rosen Hicher. Nach 22 Jahren in der Prostitution kämpfte die Französin seit Jahren gegen die Verharmlosung und Gesellschaftsfähigkeit der Prostitution und für die Freierbestrafung. An ihrer Seite: das Netzwerk „Abolition 2012“, ein Zusammenschluss von rund 60 (Frauen)Organisationen. Rosen, die auch Mitglied des internationalen Aussteigerinnen-Netzwerks SPACE international ist, erklärte: „Frankreich hat klar gemacht, dass das Geschäft mit der Prostitution ohne die Sexkäufer nicht existieren würde.“

Dieses ebenso einfache wie einleuchtende Prinzip wollen deutsche PolitikerInnen bis heute nicht verstanden haben. Während Frankreich Prostitution grundsätzlich als „Gewalt gegen Frauen“ wertet, hat das Berliner Kabinett nach dem nahezu unbrauchbaren „Prostituiertenschutzgesetz“ nun auch noch ein völlig zahnloses Gesetz zur Bekämpfung des Menschenhandels verabschiedet.

Die Mehrheit der Armutsprostitu-
ierten sind vom neuen Gesetz nicht erfasst

Kernstück: Die Bestrafung von Freiern von Zwangsprostituierten. Die aber ist leider reine Symbolpolitik. Denn zunächst muss die Polizei nachweisen, dass es sich bei der Frau um eine „Zwangsprostituierte“ handelt. Das allein ist schwer genug. Dann aber müsste dem Freier auch noch nachgewiesen werden, dass er von dem „Zwang“ gewusst hat. Das ist praktisch unmöglich.

Vor allem aber: „Zwangsprostituierte“ im engeren Sinn sind heute in Deutschland nur wenige Prozent der Frauen. 90 Prozent der Frauen in der Prostitution dürften Armutsprostituierte sein, die nicht Opfer eines direkten, aber eines indirekten Zwanges sind. Die Mehrheit der Prostituierten, die oft kein Wort Deutsch können, nicht selten von ihren eigenen Familien geschickt und von Bordell zu Bordell verladen werden, sind von dem neuen Gesetz nicht erfasst.

Die Trennung von allgemeiner „Prostitution“ und verschärfter „Zwangsprostitution“ ist unrealistisch – und vor allem ein Propaganda-Instrument der Pro-Prostitutionslobby. Von der lässt sich die Partei des sozialdemokratischen Justizministers Maas, der für das neue Gesetz verantwortlich zeichnet, seit der Reform des Prostitutionsgesetzes 2002 bekanntermaßen nur allzu gern beraten. Für die französische Frauenministerin ist Prostitution „ein Verstoß gegen die Menschenwürde“. Vive la France.

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