Prostitution: Geht's noch, Ver.di?
Sogenannte „Zimmermädchen“ arbeiten in Deutschland oft unter „prekären“ Bedingungen. Sie schuften für Dumpinglöhne ohne geregelte Arbeitszeiten, werden schlecht behandelt und herumkommandiert. Die meisten kommen aus Osteuropa, sprechen kaum Deutsch und kennen ihre Rechte nicht. Viele arbeiten für Subunternehmen, weshalb die Hotels bei der Ausbeutung ihrer Zimmermädchen nicht so genau hinschauen.
Nun nehmen wir mal an, die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) gäbe ein Statement dazu heraus, wie man die Arbeitsbedingungen der Zimmermädchen verbessern kann. Und wen holt sie dazu ins Boot? Frauen aus Rumänien, die für 1,80 Euro pro Zimmer durchs Hotel hetzen? Nein. Die Gewerkschaft fragt eine Hotelbesitzerin. Die verdient ausgezeichnet und macht sich in ihren Zimmern nur noch ganz selten die Finger schmutzig. Sie erklärt: Das Problem seien gar nicht die schlimmen Arbeitsbedingungen, sondern dass Zimmermädchen in der Bevölkerung ein so schlechtes Ansehen genössen.
Total unglaubwürdig? Stimmt.
Aber genau so hat es die Gewerkschaft ver.di gemacht: Kürzlich hat der „Bundesfrauenausschuss“ der Dienstleistungsgewerkschaft das Statement „Sexarbeit ist Arbeit“ herausgegeben. Darin sind Prostituierte „Soloselbstständige“ und ihr größtes Problem, dass ihnen die „Freiwilligkeit der Berufswahl abgesprochen“ wird. Dass 95 Prozent der Prostitution in Deutschland Armuts- und Elendsprostitution ist, fehlt im Paper der Gewerkschaft ebenso wie die Frage, ob Sexualität tatsächlich eine „Dienstleistung“ und Frauenkörper tatsächlich eine – täglich zigfach penetrierte – Ware sein sollten. Das „Nordische Modell“, das Prostitution als Verstoß gegen die Menschenwürde betrachtet und deshalb die Käufer ächtet und bestraft, wird von ver.di folgerichtig in Bausch und Bogen verdammt.
Das verwundert nicht, wenn man weiß, wer bei ver.di Ansprechpartnerin für den Bereich „Sexuelle Dienstleistungen“ ist: Johanna Weber, ihres Zeichens Sprecherin des „Berufsverbands erotische und sexuelle Dienstleistungen“ (BesD) und Domina mit eigenem Studio und einem Stundensatz von 300 Euro. Der BesD vertritt mit seinen nach Selbstangabe 976 Mitgliedern maximal 0,4 Prozent der mindestens 250.000 Frauen, die sich in Deutschland prostituieren (müssen). Das hindert aber den „Bundesfrauenausschuss“ nicht zu behaupten: „Wir als ver.di-Frauenrat vertreten die Interessen unserer in der Sexarbeit tätigen Kolleg*innen.“ Nein, lieber ver.di-Frauenrat, ihr vertretet die Interessen einer Handvoll Spitzenverdienerinnen, die nicht selten selbst BordellbetreiberInnen sind.
Nun hat sich eine zweite Gewerkschaft vor den Karren der Pro-Prostitutionslobby spannen lassen: der Deutsche Journalisten-Verband (DJV). Allen Ernstes hat der DJV, genauer: der „Fachausschuss Chancengleichheit und Diversity“, eine „Handreichung Sexarbeit“ herausgegeben. Mitarbeit: Jay Stark, Escort und engagiert im BesD.
Statt „Milieu“ („wird oft mit Ausbeutung, Drogen und organisierter Kriminalität in Verbindung gebracht“) sollen Journalisten den neutralen Begriff „Branche“ verwenden.“ – Statt „Ausstieg“ („zeigt die Branche in einem voreingenommenen/negativen Licht“) solle lieber vom „Umstieg“ die Rede sein. Und wer schreibt, dass es sich bei den selbsternannten Sprecherinnen der „Branche“ eben nicht um die bitterarmen Rumäninnen auf dem Straßenstrich handelt, sondern um privilegierte Lobbyistinnen, wendet eine „antidemokratische Strategie“ an, so die „Handreichung“.
Die in der Broschüre zitierten „sexarbeitenden Personen“ sagen Sätze wie diese: „Sexarbeit ist nicht das Problem. Sondern die Lösung.“ Oder: „Sexarbeit schafft für Frauen ein Angebot für positive Erlebnisse. Sie kann ein Schutzraum sein für Opfer sexualisierter Gewalt.“ Und der DJV bedankt sich beim „Fachausschuss Chancengleichheit und Diversity und dem BesD für diesen wertvollen Brückenschlag.“ Liebe KollegInnen vom DJV, merkt ihr eigentlich noch was?
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