Abtreibung: Geschichten gesucht!
Die Idee kam Kristina Hänel vor anderthalb Jahren bei einem Besuch in Ravensbrück. Die Zahlen derjenigen zu lesen, die dort gestorben waren, war schrecklich. Aber was sie noch tiefer berührte, waren „die Gesichter der Frauen“, die sie dort sah. Und die Gießener Ärztin dachte sich: „Wir müssen die Gesichter der unzähligen Frauen zeigen, die an illegalen Abtreibungen gestorben sind, und ihre Geschichten erzählen.“
Hänel selbst hat schon viele dieser Geschichten gehört. Nachdem sie wegen Verstoßes gegen den §219 im vom Amtsgericht Gießen im November 2017 zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt worden war, schickten ihr viele Menschen Solidaritätsbriefe.
Briefe wie diesen: „Sehr geehrte Frau Hänel, bitte geben Sie nicht auf, haben Sie weiterhin Mut und Kraft für Ihre gute Sache! Meine Mutter ist 1954 mit 34 Jahren an einer Abtreibung gestorben, die sie selbst vornehmen musste, um – nach sechs Kindern – keine weiteren einem soziopathischen Vater auszusetzen. Ich grüße Sie mit großer Dankbarkeit.“
Und die Gießener Ärztin, die von der Anklage, dem Prozess und dem Medienhype regelrecht überrollt worden war, und die immer wieder gezweifelt hatte, wusste nun: „Der Schritt, an die Öffentlichkeit zu gehen, war richtig!“ Nie wieder sollten ungewollt schwangere Frauen in Deutschland an Abtreibungen mit Kleiderbügeln oder auf den Küchentischen von Kurpfuschern sterben wie es in Deutschland bis in die 1970er Jahre der Fall war. Bis die Frauenbewegung das mörderische Abtreibungsverbot zu Fall brachte – wenn auch nicht den gesamten §218.
https://twitter.com/haenel_kh/status/1148943130596708352
1976 kam die Indikationslösung, 1992 der „Kompromiss“, nach dem Abtreibung in Deutschland bis heute „rechtswidrig“ ist. Was das heißt, hat Kristina Hänel am eigenen Leib zu spüren bekommen. Die Informationen, die sie auf ihrer Website darüber gibt, dass und wie sie Abbrüche durchführt, sind - auch nach der „Reform“ des §219 – eine Straftat. Deshalb kämpft Kristina Hänel weiter. Vor Gericht sowieso. Hänel will bis vors Bundesverfassungsgericht, um das sogenannte „Werbeverbot“ abzuschaffen, dass in Wahrheit ein Informationsverbot ist. Aber eben auch, in dem sie zeigt, was passiert, wenn man Frauen die Möglichkeit nimmt, legal und sicher abzutreiben.
„Mir hatte zuvor in 30 Jahren niemand die Geschichten dieser Frauen erzählt“, sagt Kristina Hänel. Gemeinsam mit der Pro Choice-Gruppe Gießen plant sie nun die Ausstellung, die Ende September im Gießener Rathaus starten – und dann weiterwandern soll. Wer Geschichten von Müttern, Großmüttern, Tanten, Freundinnen kennt, die an Abtreibungen gestorben sind, kann sie schicken an: info@kristinahaenel.de