Männerbünde und Evangelikale

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Gleich in ihren ersten Amtstagen errichtete Ministerin Schröder, die bisher noch nicht aufgefallen ist durch frauenpolitische Offensiven, ein Referat für eine „Gleichstellungspolitik für Jungen und Männer“. In ihrem Spiegel-Interview vom 8. November 2010 erklärte sie dazu, es sei u. a. schädlich für die Jungen, dass sie in Kitas und Schulen kaum männliche Erzieher zu Gesicht bekämen, das wolle sie ändern (Sie sagte allerdings nicht, wie. Durch höhere Gehälter für ErzieherInnen?).
Schuld an der Misere ist in den Augen der Ministerin der Feminismus, der „die Jungen bewusst vernachlässigt“, was sie für „unmoralisch“ hält. Und überhaupt ist die Frauenministerin gegen „einen Feminismus, der quasi sämtliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen leugnet und die Menschen umerziehen will“ (SZ).
Der EMMA-Redaktion kamen die Töne bekannt vor. Und der Zufall wollte es, dass wir gerade einen Artikel bei Thomas Gesterkamp bestellt hatten, der den „Geschlechterkampf von rechts“ erforscht hat. Und in der Tat, in seiner kritischen Studie, sowie in den diversen Foren und Artikeln der Männerbündler, fanden wir es fast wortgleich wieder: das Vokabular und die Denke der CDU-Ministerin.
Diese Männerbündler – nicht zu verwechseln mit Männerrechtlern, die einfach die Männer von ihren Rollenzwängen befreien wollen! – sind kein eingetragener Verein und keine Organisation, sondern ein scheinbar lockeres Interessenbündnis, das allerdings bestens vernetzt zu sein scheint.
Das reicht von Ex-68ern, denen das mit der Frauenemanzipation schon lange zu weit geht, bis hin zu Evangelikalen, die überzeugt sind vom angeborenen kleinen Unterschied. Einer dieser Ex-Linken ist heute der Chefideologe der Männerbündler: Volker Zastrow, früher FAZ und jetzt Ressortleiter Politik der FAS.
Zastrow tut sich seit Jahren hervor mit obsessiv-fanatischen Artikeln gegen Feministinnen und andere Emanzen (bis hin zur Kanzlerin) und veröffentlichte bei Manufactum ein Pamphlet gegen die „Politische Geschlechtsumwandlung“. Er geißelt, ganz wie Schröder, die angeblich von Feministinnen geplante „Umerziehung“. Sein FAS-Ressort ist seit seiner Übernahme eine Hochburg des Anti-Feminismus.
Aber das sind auch die in Deutschland erstarkenden Bibeltreuen, quasi das christliche Pendant zu den islamischen Fundamentalisten. Zum Kern des Selbstverständnisses der Evangelikalen gehört die Schriftgläubigkeit ebenso wie der Biologismus: Frauen und Männer sind von Natur aus fundamental unterschiedlich und die Frauen sollen das tun, „wofür Gott sie geschaffen hat“: nämlich Kinder kriegen.
Da ist es keine Überraschung, dass Schröders erste Antwort im Spiegel eine Distanzierung von Simone de Beauvoirs berühmtem Schlüsselsatz war: „Man wird nicht als Frau geboren, man wird dazu gemacht.“ Denn Kristina Schröder ist Mitglied der Selbstständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK), von denen zahlreiche Mitglieder bei der „Deutschen Evangelischen Allianz“ (DEA) mitarbeiten. Bei der SELK dürfen übrigens Frauen keine Pfarrer werden!
Unter dem Dach der DEA versammeln sich allein in Deutschland etwa 1,8 Millionen erzkonservative Evangelikale, von denen die Mehrheit Kreationisten sind (Gott erschuf die Welt in sechs Tagen). Am 9. Februar 2007 überreichte Kristina Schröder in ihrer Eigenschaft als SELK-Mitglied der Kanzlerin eine Petition mit 500 Unterschriften, in der diese als EU-Ratspräsidentin aufgefordert wurde, sich „für den Gottesbezug in der europäischen Verfassung einzusetzen“.
Müssen wir also davon ausgehen, dass die aktuelle Frauen- und Familienministerin eine erzkonservative Christin oder gar Fundamentalistin ist? Es wäre beunruhigend, wenn ein solches Denken die Politik einer deutschen Frauenministerin zu Beginn des 21. Jahrhunderts prägen würde. Denn da gibt es ein Problem. Neben der Schriftgläubigkeit und dem Glauben an die Natur des Menschen lautet das dritte Prinzip der Evangelikalen: Die Gläubigen sollen sich aktiv in die Politik einmischen!
Die von Amerika ausgehende, internationale Evangelikale Bewegung tut das seit Jahren nach Kräften und mit Erfolg. Ihre Hauptthemen sind: Sexualität, Abtreibung und Euthanasie. Und die Emanzipation der Frauen, versteht sich. In Amerika hatten die Evangelikalen es sogar schon bis ins Weiße Haus geschafft: Präsident Bush ist ein bekennender Evangelikaler. Sind sie in Deutschland also jetzt schon in der Regierung gelandet?
Bereits 2005 warnte Die Zeit vor der evangelikalen Offensive: „Unter dem modernen Äußeren verbergen sich feste Grundsätze. Die meisten Evangelikalen sind Kreationisten. (…) Ihre Vorstellungen von Moral, Lebensschutz und Bioethik unterscheiden sich kaum von denen des Vatikans.“ Und im Jahr 2007 erklärte der Europarat in aller Schärfe: „Wenn wir nicht acht geben, könnte der Kreationismus zu einer Bedrohung für die Menschenrechte werden.“ Genau so ist es. (...)
EMMA 1/2011

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Der Artikel "Die unheilige Allianz der Anti-Feministen" von Thomas Gesterkamp steht in der neuen EMMA Winter 2011

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