Freiwillig? Es reicht!
Ihr redet von Opfern, sagt man uns, den Kritikerinnen. Ja, wer weiß denn, ob diese Frauen überhaupt Opfer sind? Beziehungsweise ob sie nicht gerne Opfer sind! Ein praktisches Argument. Praktisch für die Täter. Denn wo keine Opfer sind, sind auch keine Täter.
Das Argument kommt von Frauen, klar. Das erledigen wir schon untereinander. Viele Frauen allerdings sind es nicht, alles in allem ein knappes Dutzend. Das genügt dem Medienbetrieb in Deutschland. Seit ein paar Wochen lesen, hören, sehen wir die immergleichen drei bis vier "freiwilligen Prostituierten" auf allen Kanälen. Sie haben wunderbare Namen. Namen wie Felicitas Schirow, Amber Laine oder Undine de Riviere. Und sie sind glücklich darüber, dass sie mit der Ausübung ihres "selbstbestimmten Berufes" Männer glücklich machen dürfen.
Doch wer sind diese Frauen eigentlich? Die eine zum Beispiel ist eine Bordellbetreiberin in Berlin, die zweite eine Bordellbetreiberin in Wuppertal, beide lassen andere, jüngere und meist ausländische Frauen für sich anschaffen. Die dritte ist als gutverdienende Domina tätig auf der Reeperbahn. Da, wo sich vor zwanzig Jahren nach jahrzehntelangem Anschaffen die berühmte Domina Domenica als Streetworkerin engagierte, um "die Mädchen von der Straße runterzuholen". Undine ist nebenberufliche "Pressesprecherin": vom "Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen". Dieser Verband wurde vor wenigen Wochen gegründet, und hat knapp hundert Mitglieder, von denen etliche deklarierte sowie kaschierte Bordellbetreiber und Bordellbetreiberinnen sind.
Doch selbst wenn die Verbandsmitglieder ausschließlich aktive Prostituierte wären, entspräche das einem Organisationsgrad von 0,025 bis 0,05 Prozent der Prostituierten in diesem Land (bei 200-400.000). Also eine Lachnummer. Was die Medien nicht hindert, die "Pressesprecherin des Berufsverbandes" in tiefem Ernst und unhinterfragt ausführlich zu zitieren und diese LobbyistInnen der Prostitutionsindustrie als "Experten" zu bezeichnen.
Frauen wie Felicitas, Amber oder Undine sind keine Opfer, in der Tat. Sie sind Täterinnen bzw. Mittäterinnen. Denn sie beuten entweder selber andere Frauen aus, oder aber sie tragen zur Verharmlosung und Propagierung der Prostitution bei. Zur Freude und so manches Mal wohl auch im Auftrag der Profiteure.
Und dann gibt es da noch die Damen in den Feuilletons. Sie heißen Meredith oder Stefanie, haben gerne so was wie Kulturwissenschaften studiert, tummeln sich vorwiegend in der Popkultur und reisen auf dem Ticket "Junge Feministin", das allerdings nun schon seit etlichen Jahren. Auch sie lassen die Fahne der Freiwilligkeit von Prostituierten hoch flattern.
Zum Beweis lassen sie ihre Fantasie blühen. Sie schreiben über "Romafrauen", die sich "selbstbestimmt" prostituierten. Oder darüber, dass im Kapitalismus nicht nur die Prostituierte ihren Körper verkaufe, sondern auch die Journalistin (was vielleicht in der Tat auch vorkommen kann, aber wohl nicht gemeint ist). Ihre Überlegungen sind politisch so lebensfern wie intellektuell wirr und dazu ungetrübt von jeglicher Sachkenntnis. Aber sie werden gedruckt. Denn sie sind nützlich. Und ausgewiesen: als coole "junge Feministin" - im Gegensatz zu der lästigen "moralisierenden Altfeministin".
Während die Damen und Herren der Feuilletons - allen voran linker und liberaler Feuilletons - diese Art von affirmativer Ideologien verbreiten, zahlt die selbstbestimmte rumänische Romafrau im Laufhaus allein für die Miete ihres Arbeitsraumes mindestens 160 Euro. Am Tag. Dafür muss sie zum Besttarif vier Freier bedienen; wenn es schlecht läuft auch schon mal acht bis zehn. Und da hat sie noch keinen Cent für Essen oder Kleidung, von der Miete für eine Wohnung außerhalb der Sexfabrik ganz zu schweigen. Sie schläft in dem Bett, in dem sie die Freier bedient.
Und in der Regel drückt sie das darüber hinaus Erwirtschaftete ab an einen draußen lungernden Kerl, der auch ihr eigener Bruder sein kann, und schickt monatlich noch ein paar hundert Euro nach Hause. Davon lebt ihre ganze Familie und manchmal auch ihr zurückgelassenes Kind.
Das ist die günstige Variante.
Die schlechtere Variante ist, dass die selbstbestimmte Romafrau inzwischen irgendwo in einem "Lovemobil" oder auf dem Straßenstrich gelandet ist, wo sie im Gebüsch oder in einer "Verrichtungsbox" auch schon mal für 10 Euro die Beine breit macht, immer öfter ohne Kondom. Wird sie schwanger, kriegt sie das Kind vielleicht. Ganz selbstbestimmt. Oder weil ihr Zuhälter das will? Denn es gibt einen Spezialmarkt für schwangere Prostituierte - und der Sexmarkt für Babys floriert.
Doch kehren wir zurück aus den dunklen Niederungen des Lebens in die lichten Höhen der Feuilletons. Sinnieren wir also noch einmal der Freiwilligkeit nach. Der wird in unserem Land allerdings durchaus im Namen der Sitten oder Gesetze ein Riegel vorgeschoben.
In Deutschland zum Beispiel ist manchmal aus gutem Grund die Leihmutterschaft verboten - auch wenn die Motive der AuftraggeberInnen durchaus nachvollziehbar oder gar verständlich sind (wie die Motive so mancher Freier). In Deutschland ist der Organverkauf verboten, auch wenn … In Deutschland versuchen wir, Selbstmörder am Freitod zu hindern und Essgestörte vor dem Verhungern zu retten. Gegen ihren Willen.
Die fragwürdige Rolle der Damen vom „Berufsverband“ und in den Feuilletons.
Nur in der Prostitution, da fragen wir plötzlich nicht mehr nach Motiven und Folgen. Obwohl internationale Studien schon lange belegen: Zwei von drei (Ex)Prostituierten haben posttraumatische Störungen, die denen von Kriegsveteranen oder Folteropfern vergleichbar sind.
Freiwillig. Seit wann fällt dieser Begriff eigentlich im Zusammenhang mit der Prostitution? Seit Beginn der Neuen Frauenbewegung in den 1970er Jahren. In derselben Logik, in der Begriffe wie „Menschenrechte“ und „Demokratie“ seit Ende des Kalten Krieges, seit den 1990er Jahren in der Weltpolitik pervertiert werden.
In unserer modernen Welt, in der es, zumindest im "freien Westen", keine offene Unterdrückung und Ausbeutung mehr geben darf, funktioniert es inzwischen blendend über die Verinnerlichung. Und da, wo die Ausgebeuteten selber nicht reden können bzw. verstummt sind, wird es stellvertretend für sie erledigt: von "freiwilligen Prostituierten" zum Beispiel. Und „jungen Feministinnen“. Hinter denen verbergen sich die tatsächlichen Profiteure - und lachen sich vermutlich ins Fäustchen über das verschleiernde Gewölke in den Feuilletons.
Eigentlich ist es ganz einfach. Stellen Sie es sich nur einen Moment lang vor: Sie liegen nackt auf einem Bett im "Laufhaus" oder "Studio". Oder sie stehen halbnackt an einen Baum gelehnt im Gebüsch an einer Ausfallstraße. Der Mann wird Ihnen danach einen Schein geben. 50 Euro , wenn es viel ist. 10 Euro, wenn es wenig ist. Er sagt "Na, Schätzchen" zu ihnen. Oder auch "Du alte Fotze". Er kann Sie anfassen. Am ganzen Körper. In Sie eindringen. In jede Öffnung. Das heißt: Anal kostet extra. Ins Gesicht abspritzen auch.