Alice Schwarzer schreibt

Auschwitz: Es ist immer da

Mutter und Tochter Diamant. - Rechts: Mutter, Vater, Bruder und Onkel von Eva Diamant (3. v. re.) wurden umgebracht.
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Mutter und Tochter empfangen mich in ihrer gemeinsamen Wohnung, in Frankfurt. Demnächst wird die Tochter ausziehen, sie heiratet. Die Wohnung ist gediegen bürgerlich, und ihre Bewohnerinnen scheinen zwei lebensfrohe Frauen zu sein. Die Mutter ist 63, die Tochter 31, der Vater vor einiger Zeit gestorben. Tochter Anita, Kürschnermeisterin wie der Vater, der Kürschnermeister, hat den Laden übernommen. Den lerne ich am nächsten Tag kennen: ein Verkaufsraum so heimelig wie eine Wohnstube, dahinter die Werkstatt, in der die Mutter, gelernte Schneiderin, jetzt der Tochter hilft (heutzutage wird hier auch Leder verarbeitet, oder phantasievolle Kreationen mit Stoff).

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Vor einiger Zeit pappten Tierrechtler bei der jungen Kürschnermeisterin einen Aufkleber an die Tür: „Feuer und Flamme für alle Pelzgeschäfte!“ Anita verfolgte der Satz noch lange... Schon als kleines Mädchen, „ich muß so fünf oder sechs gewesen sein“, hatte die 1964 geborene zweite Tochter von Eva und Andor Diamant einen Alptraum. Er kehrte immer wieder: Anita sah ihre Großmutter und ihren Onkel, ein kleiner Junge, in der Gaskammer. „Ich hatte damals noch nie eine Gaskammer gesehen, aber ich hatte ein ganz genaues Bild davon. Und das kehrte immer wieder. Ich habe mir ganz genau vorgestellt, wie sie vergast worden sind...“

Manchmal, wenn Anita in einer Menschenmenge ist oder die Bahn steckenbleibt – dann überfällt sie die Angst. „Oft braucht es nur einen  kleinen Anlaß, und ich weine los. Ich weine überhaupt viel. Die Tränen sind ganz nah. Ich bin irgendwie sehr dünnhäutig. Und hellhörig.“

Ihr Vater war im Arbeitslager - und kam zurück. Die Mutter überlebte Ausschwitz

Die junge Frau mit dem leichten Frankfurter Dialekt lacht gerne, ganz wie die Mutter, und scheint überhaupt ein vitaler Typ. Doch als sie damals, mit 15, mit der Jugendgruppe in Israel war und in den Todeslisten der Gedenkstätte Yad Vashem den seltenen ungarischen Namen ihres Vater entdeckte, Andor – da fiel Anita einfach um. „Da habe ich begriffen, daß es auch mein Vater hätte sein können. Es ist ja ein Wunder, daß beide überlebt haben.“

Ja, es ist ein Wunder. Der Vater war im russischen Arbeitslager und kam halbverhungert zurück. Die Mutter war in Auschwitz. Und überlebte.

Eva Diamant mit 12, vor Auschwitz.
Eva Diamant mit 12, vor Auschwitz.

Gesprochen hat Eva Diamant 50 Jahre lang kaum darüber. Zumindest nicht mit den Kindern. „Erst jetzt, seit dem Anruf, seit wir da waren...“ Der Anruf kam aus Los Angeles. Mitarbeiterinnen des Memory-Projektes von Steven Spielberg (der Regisseur von „Schindlers Liste“ und „E.T.“), das sich die Dokumentation der Leiden aller noch lebenden KZ-Häftlinge zum Ziel gesetzt hat, riefen in Frankfurt an. Ob Frau Diamant zum 50. Jahrestag der Befreiung, am 27. Januar in Auschwitz sei? Ob sie bereit sei, zwei Stunden lang Zeugnis abzulegen vor einer Videokamera? Und ob sie Fotos mitbringen könne?

Zunächst erschrak Eva Diamant „ganz furchtbar“. Aber dann stand für sie fest: „Ich will hinfahren!“ Zum ersten Mal. Wieder riefen die aus Los Angeles an. Eine Jugendgruppe der Frankfurter Jüdischen Gemeinde fahre hin, ob Frau Diamant nicht mit denen...? Eva Diamant flog nach Polen, zusammen mit ihren Töchtern Anita und Judith, einem zweiten Überlebenden aus Israel und rund 30 Jugendlichen.

"Mutti redete. Wie in Trance. Wir Töchter hatten das noch nie so gehört."

An dem Abend, bevor sie ins Lager fuhren („Mit dem Bus über die Schienen“), übernachteten sie in Krakau. „Wir haben uns spät noch alle getroffen, in einem winzigen Hotelzimmer“, erinnert sich Tochter Anita. „Und da hat der Leiter der Gruppe, Benny Bloch, auf einmal zu meiner ganz unvorbereiteten Mutter gesagt: ‘Erzählen Sie doch mal, was Sie erlebt haben.’ Und Mutti hat angefangen zu reden. Wie in Trance... Auch wir, ihre Töchter, hatten das noch nie so gehört.“ Und noch etwas sagt Tochter Anita, nämlich: „Ich habe gedacht, mein Herz zerplatzt.“

Das Schrecklichste war für Anita etwas, das nicht in Auschwitz, sondern davor passiert ist. Es ist auch das erste, was Eva Diamant mir an diesem Abend erzählt. 

Das zwölfjährige Mädchen aus Budapest war von ihrer Mutter in der Tschechoslowakei versteckt worden. Nach einer langen Odyssee wurde die kleine Eva im Herbst 1944 aufgegriffen und in ein jüdisches Altersheim verschleppt, von wo die letzten Transporte nach Auschwitz gingen. Eva Diamant erzählt, als sei es gestern gewesen: „Ein ungarischer Mann war für die Abtransporte verantwortlich und stellte die Listen zusammen. Zu mir war er immer sehr nett, hat mich gefragt, ob ich kochen kann, hat Witze mit mir gemacht. Bis zum letzten Tag hat er meinen Namen nicht auf die Liste gesetzt, aber dann... Da habe ich zu ihm gesagt: Onkel Velitja, Sie haben mir doch versprochen, daß Sie mich nicht wegschicken. Und er hat mich beruhigt, hat mir gesagt: Wo wir hingehen, ist die ungarische Grenze, und ich sorge dafür, daß du wieder zu Deinen Eltern kommst. Da wußte ich noch nicht, daß meine Eltern längst tot waren, ich habe es geglaubt. Dann wurden wir einwaggoniert. 

Im Waggon nach Auschwitz saßen drei Soldaten, er und ich. Ich mit meinem kleinen Rucksack zu seinen Füßen. Es war Nacht. Auf einmal habe ich an meiner Hand etwas Kaltes gespürt. Er wollte, daß ich mit ihm spiele... Ich habe immer wieder meine Hand zurückgezogen, aber er hat sie immer wieder zu sich genommen. Ich hatte so eine Angst. Einerseits dachte ich, er will mir helfen; andererseits habe ich die Hand immer wieder weggezogen... Auf einmal blieb der Waggon stehen. Die Tür ging auf, ruckartig. Da habe ich gesehen, wie er seinen schweren Mantel über sich geworfen hat. Dann ging es weiter. Es hat die ganze Nacht gedauert. Ich dachte, es nimmt kein Ende... Als wir angekommen sind in Birkenau, da hat man uns aus dem Wagen gestoßen. Ich habe gesagt: Onkel Velitja, Sie wollten das doch erledigen, daß ich nach Hause komme. Da hat er mich beruhigt: Geh nur rein, ich erledige alles. Da bin ich gegangen... Ins Lager.“

"Was das Schlimmste war? Sie haben mir
die Zöpfe abgeschnitten."

Dem einst so behüteten kleinen Mädchen mit den schönen dicken Zöpfen („Die hat mir meine Mutti jeden Morgen geflochten“) werden die Zöpfe abgeschnitten und die Nummer A 26877 auf den Unterarm gebrannt. Eva bleibt drei Monate lang im Vernichtungslager Birkenau, einem Nebenlager von Au­schwitz. Allein. Andere Kinder sind kaum noch da. Dr. Mengele hat die Selektion eingestellt. Die Gaskammern sind bereits gesprengt. Die Ratten verlassen das sinkende Schiff. Das Grauen geht dem Ende zu.

Am 18. Januar 1945 werden alle Häftlinge, die noch laufen können, auf den berüchtigten „Todesmarsch“ geschickt. Nur die Todkranken und ein paar Kinder bleiben zurück, darunter Eva. Bis heute kann sie sich nicht an die letzten zehn Tage erinnern (in denen es in dem kaum beschreibbaren Elend bei klirrender Kälte keinen Strom, kein Wasser, ja nicht einmal mehr die Wassersuppe gab und sich die Leichenberge türmten). Bis heute erinnert sie sich nicht. Eva Diamant: „Seit ich dort war, empfinde ich das als Problem. Ich suche und suche nach diesen zehn Tagen, die ich verloren habe.“

„Das ist vermutlich deine Rettung, daß du das vergessen hast“, wirft Tochter Anita beruhigend dazwischen. „Eine Art Schutzwall, der dich vor dem Verrücktwerden oder dem Selbstmord bewahrt hat.“

Das erste, woran das Mädchen Eva sich wieder erinnert, ist ein Lächeln. „Das Lächeln eines russischen Soldaten, der in der Türe der Baracke stand.“ 27. Januar 1945. Die Rote Armee befreit Auschwitz. Nur noch wenige hundert Häftlinge leben, die meisten sterben in den Tagen nach der Befreiung. Eva lebt.

Das Mädchen macht sich auf den Weg nach Budapest, durch den Winter, zu Fuß, in Lumpen, ohne Essen. Als sie nach Monaten ankommt, erfährt sie, daß alle tot sind. Alle. Mutter, Vater, Bruder, Verwandte. Die Nachbarin, bei der die Möbel der flüchtenden Familie untergestellt worden waren, will von nichts mehr wissen. Sie behauptet, die Mutter habe alles verkauft – und rückt selbst die Familien-Fotos erst nach Wochen raus. Nur noch ein Onkel und eine Tante sind da. Sie nehmen das Kind ohne Kindheit auf.

"Jetzt habe ich begriffen, woher meine Depressionen kommen."

Während Mutter Eva erzählt – von der Kindheit, vom Lager, der Flucht nach Deutschland nach dem Ungarischen Aufstand 1956, vom Leben heute –  ruht die ganze Zeit ein liebevoll-besorgter Blick auf ihr: der ihrer Tochter Anita. Die junge Frau lässt die Mutter keinen Augenblick aus den Augen. Stockt sie, hilft sie weiter; ist sie den Tränen nahe, lächelt sie beruhigend; sagt die Tochter etwas über die Mutter, was diese als kritisch verstehen könnte, flicht sie ein beruhigendes „Ich mein’ das nicht bös, Mutti“ ein. Wer ist hier die Tochter, wer die Mutter?

„In den drei Tagen Auschwitz haben wir mehr von dir erfahren als im ganzen Leben, Mutti“, sagt die Tochter und lächelt. Erst in Auschwitz haben die Töchter begriffen, wie schockierend es für die Mutter gewesen sein muß, als ihr die Zöpfe abgeschnitten wurden. „Die gehörten doch zu mir. Und die hat man mir einfach genommen.“ Kaum auszuhalten war auch für die Töchter, als die Mutter in Auschwitz auf der Mahntafel der Baracke ihren Namen entdeckte: Eva Diamant.

„Es war hart in Auschwitz“, sagt Eva Diamant. „Aber es war gut, daß wir da waren. Seither habe ich begrifffen, woher meine Depressionen kommen... Seit ich dort war, ist alles aufgegangen. Jetzt will ich mich erinnern! Aber ich frage mich auch: Wieso habe ausgerechnet ich das Privileg, daß ich leben darf und die anderen nicht? Meine ganze Familie, meine Mutter, mein Bruder...“ Und, nach einer kleinen Pause, fügt die sanfte Eva Diamant fast wütend hinzu: „Wie kann es überhaupt Neonazis geben, die sagen, Auschwitz sei eine Lüge? Wir leben doch noch!“

Wenn früher in der Schule ein Kind über seine „Alte“ schimpfte, dann zuckte Tochter Anita schmerzlich zusammen. „Ich konnte gar nicht begreifen, wie jemand über seine Mutter so böse reden kann.“ Eine Mutter, die so Böses erlebt hat, darf eben einfach nie mehr verletzt werden, selbst nicht von einer aufbegehrenden Tochter.

"Ich habe immer gleich gesagt, dass ich Jüdin bin. Dann wusste ich, woran ich war"

Anita, die Zweitgeborene, hat weniger abgekriegt als die Erste, der bis zum siebten Lebensjahr sogar verschwiegen wurde, daß sie Jüdin ist. „Ich hatte Angst. Meinem Kind sollte niemand wehtun“, erklärt die Mutter. Mit der Jüngeren wird mehr geredet, die Schwester spricht mit ihr, der Vater. Sie kommt in einen jüdischen Kindergarten. Anita: „Bei mir wußte immer jeder, daß ich Jüdin bin. Ich habe das immer gleich gesagt – dann wußte auch ich, woran ich war. Ich versuche immer aufzuklären: damit es nichts Fremdes mehr ist. So erkläre ich mir, daß die anderen auch offen mit mir sind.“

Beide, weder Mutter noch Tochter, haben im Deutschland nach 45 persönlich etwas direkt Antisemitisches erlebt. Aber die Angst ist da, in der Mutter wie in der Tochter. Die heute 31jährige Anita: „Es war immer da.“

Seit der Fahrt nach Auschwitz ist Anita, die „nie fromm war“, entschlossen, ihre Kinder „in der jüdischen Tradition“ zu erziehen. „Schon meinen Großeltern zuliebe, denen ich mich in Auschwitz so nah gefühlt habe.“ Und noch etwas ist der Frankfurterin in Auschwitz klargeworden: „Wie wichtig es ist, daß ich das weitergebe.“

Zwei Wochen nach unserem Gespräch hat Anita geheiratet. „Einen nichtjüdischen Mann“, wie sie sagt. Und was sagt die Mutter dazu? „Nun, wir haben uns natürlich gefragt: Was ist mit der Familie? Aber es sind liebe und anständige Menschen. Und das ist, was zählt.“

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Eva Szepesi (Diamant) veröffentlichte 2011 ihre Erinnerungen: „Ein Mädchen allein auf der Flucht“ (Metropol). - Von Bärbel Schäfer ist das Buch erschienen: "Meine Nachmittage mit Eva. Über Leben nach Auschwitz" (Gütersloher Verlagshaus). - Das wichtigste, ergreifendste Buch über das Fortleben von Auschwitz in den Kindern der Überlebenden, in der zweiten Generation, hat die tschechischstämmige Amerikanerin Helen Epstein geschrieben: „Die Kinder des Holocaust“ (C.H. Beck)

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Wiedersehen in Ravensbrück

Ravensbrückerinnen am See - es ist Tradition geworden, dass sie Blumen für die Toten ins Wasser werfen.
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Es herrscht sommerliche Hitze. Der Himmel über dem Mecklenburger Luftkurort Fürstenberg ist blau und der vor uns liegende See nicht minder. Es ist das erste schöne Wochenende im Jahr, und die Fürstenberger grillen im Garten. Auch die Familie, in deren Haus wir ein Zimmer genommen haben, grillt, Selbstgeräuchertes. Von meinem Balkon aus habe ich Blick auf den Garten, den vorbeiplätschernden Bach – und auf das Lager. So müssen schon die Eltern unserer gastlichen Vermieter rübergeguckt haben: rüber ins Frauen-KZ Ravensbrück, wo über 100.000 Frauen und ein paar tausend Männer verhungert, zu Tode gequält, erschlagen, erschossen, vergast worden sind.

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Das ehemalige Lager liegt nur ein paar hundert Meter entfernt, am Ende des Sees. Genau hier, an diesem Haus, müssen sie immer vorbeigegangen sein: die verhungerten, zerlumpten, entmenschlichten Kolonnen, wenn sie frühmorgens vom Hauptlager zur Zwangsarbeit zogen und abends zurück. Für die Firma Siemens zum Beispiel. „Vernichtung durch Arbeit“, lautete die Devise. Und als das nicht schnell genug ging, kamen noch drei Gasöfen dazu.

Wenn sie über die Zeit im Lager spricht, ist sie sofort wieder Häftling

Ein paar Tausend haben die Hölle überlebt, ein paar Hundert leben noch, und 180 sind in diesen Apriltagen 1995 gekommen, um den 50. Befreiungstag des Konzentrationslagers Ravensbrück zu begehen, befreit am 30. April 1945 durch die Rote Armee. Die 180 kommen aus allen Teilen der Welt, aus Berlin oder Moskau, Paris oder New York. Die meisten Deutschen und Osteuropäerinnen kehren nicht zum ersten Mal zurück an die Stätte, die bis zur Wiedervereinigung in der DDR lag. Aber die Französinnen und die Frauen aus dem amerikanischen Exil oder aus Israel sehen ihn meist zum ersten Mal wieder, den Ort des Grauens.

Wir, die Fotografin Bettina Flitner und ich, sind am Abend zuvor angereist. Wir wollen bei der für Samstag 11 Uhr von den Ex-Häftlingen angekündigten Pressekonferenz pünktlich sein. Die große Gedenkfeier – zu der auch Ignatz Bubis, Rita Süssmuth und Manfred Stolpe angesagt sind – ist erst für Sonntagvormittag geplant.

Samstagfrüh machen wir uns zu Fuß auf den Weg Richtung Lager. Wir gehen über die Straße, die von den weiblichen Häftlingen mit bloßen Händen gebaut und gepflastert wurde, und auf der SS-Männer auch schon mal eine Gefangene einfach plattfahren ließen von der Straßenwalze, je nach Laune. Links säumen die ehemaligen SS-Unterkünfte den Weg: freundlich aussehende Zweifamilienhäuser, die von den Häftlingen unter primitivsten Bedingungen gebaut wurden. Die Vorgärten sind mit Asche aus dem Krematorium gedüngt.

An diesem Samstagmorgen, an dem „nur“ die „Ravensbrückerinnen“ da sind – so nennen die Ex-Häftlinge sich selbst – ist alles ruhig. Die große Hysterie mit Absperrungen und Kontrollen wird erst morgen ausbrechen, wenn die PolitikerInnen, die Medien und Tausende von Besuchern kommen. Der Raum, in dem die Ravensbrückerinnen heute ihre Pressekonferenz anberaumt haben, ist karg und klein. Rund 200 Leute passen rein und viel mehr sind auch nicht da: vor allem Ex-Häftlinge in Begleitung und ein halbes Dutzend Medien-VertreterInnen (hoch gerechnet).

Die Pressekonferenz der Überlebenden. So manche ist Tausende Kilometer angereist.
Die Pressekonferenz der Überlebenden. So manche ist Tausende Kilometer angereist.

Die Frauen sind aufgeregt. Auf dem Podium sitzen rechts und links von der Diskussionsleiterin (einer Tochter eines Ex-Häftlings) vier Frauen. Edith Sparmann gesteht beklommen: „Wenn ich darüber spreche, bin ich sofort wieder Häftling. Ich habe das gleiche Gefühl.“ Gertrud Müller, 79, liest ihren Beitrag angespannt von einem handgeschriebenen Zettel ab und berichtet, daß eine ehemalige KZ-Inhaftierte 900 DM Entschädigung erhielt und eine ehemalige Wärterin 64.000 DM. Empörtes Gemurmel im Saal. Käthe Katzenmeier, heute Schwester Theodolinde, ballt zornig die Faust: „Verzeihen und Versöhnen kenne ich in diesem Zusammenhang nicht! Eine gerechte Strafe ist auch was Gutes. Warum ich noch lebe? Um Ihnen das hier zu sagen!“ Ganz rechts außen Elisabeth Jäger, mit 14 die Jüngste im Lager. Sie wirkt am gefaßtesten, schwer vorstellbar, daß sie offen Trauer oder gar Schmerz zeigen würde. Und doch...

Es geht den Frauen auf dem Podium darum, daß nicht vergessen wird, was passieren konnte. Und daß es nie wieder passiert! Und daß das ehemalige Frauen-Konzentrationslager als würdige, eindringliche Gedenkstätte gestaltet und erhalten wird! Und es geht den Frauen im Saal darum, endlich einmal reden zu können.

Trotz der harschen Verwaltung der Veranstaltung wagt Judith Sherman, eine in die USA emigrierte deutsche Jüdin, das Wort zu ergreifen. Sie steht einfach auf und redet. Sagt, daß sie seit 50 Jahren immer daran denkt, Tag für Tag. Sagt, daß sie unter keine Dusche gehen kann, ohne daran zu denken. Sagt, daß sie nichts Gestreiftes mehr anziehen kann. Sagt, daß sie ihren Enkelkindern kein Glas Wasser reichen kann, ohne daran zu denken, wie ihr damals das Wasser in die Waggons gereicht wurde... „Wie soll ich das nur meinen Kindern vermitteln?“, fragt Judith und sieht verzweifelt in die Runde.

Sie kann unter keine Dusche gehen,
ohne daran zu denken

Da erfaßt es auch die beherrschte Elisabeth Jäger (von der mir meine Nachbarin voller Respekt zugeraunt hatte, die Wienerin sei nie mehr nach Österreich zurückgegangen, sondern habe „den sozialistischen Staat in der DDR mit aufgebaut“.) Diesmal spricht Elisabeth Jäger nicht routiniert ins Mikrophon, sondern fast tonlos daran vorbei: „Meine Kinder haben mich nie gefragt“, sagt sie. „Meine Tochter hat immer gesagt: Ich will gar nicht wissen, was du erlebt hast –  es drückt mir das Herz ab.“ Und dann, nach einer viel zu langen Pause, sagt sie noch diesen Satz: „Man kann nicht miteinander reden – man kann nur miteinander weinen.“

Geweint wurde am Sonntag wenig, geredet dafür umso mehr. Unter noch immer strahlend blauem Himmel erklärte Brandenburgs Ministerpräsident Stolpe, gerade dieses Frauen-KZ sei „in erhöhtem Maße unmenschlich“ gewesen (weil Frauen höher stehen als Männer?), aber dennoch habe nichts „das Mütterliche in den Frauen hier töten“ können (weil Frauen besser sind als Männer?). Bundestagspräsidentin Süss­muth setzte ihm höflich ihr Wissen um „das Böse an sich im Menschen“ entgegen, „egal ob männlich oder weiblich“, und nutzte die Gelegenheit, ein öffentliches Nein zu sagen: „Nein zu einem spaltenden Vergessen.“ Und Schwester Theodolinde, die am Tag zuvor noch so überzeugend zornig gewesen war, las ein Lagergebet – und hatte nicht einmal die Gelegenheit zu sagen, daß sie vor 50 Jahren eine von denen gewesen war.

Doch das war am Sonntag. Noch ist Samstag. Auch die so stramm selbstverwaltete Pressekonferenz der Frauen ließ die Frauen kaum zu Wort kommen („Darum geht es jetzt hier nicht“). Bei Diskussionsbeginn schickte sich die Diskussionsleiterin sogar an, Nummern zu verteilen – was nur durch ein Aufstöhnen aus dem Publikum vereitelt wurde: „Nicht schon wieder Nummern!“ Umso größer war das Redebedürfnis der Ravensbrückerinnen nach der Veranstaltung, im Begegnungszelt mit Imbißtheke, Infostand und Suchtafel: Ich suche. Je cherche. I am looking for. Und immer wieder fallen sich zwei in die Arme. Wiedersehen nach 50 Jahren... Dazwischen Töchter und Söhne und „Betreuerinnen“, meist junge Studentinnen, die sich anscheinend auch an der Universität mit dieser Zeit beschäftigen.

Jetzt und hier aber ist „diese Zeit“ Gegenwart. Sie sind nicht tot. Sie leben. 180 Ex-Häftlinge, 180 suchende Augenpaare, 180 Schicksale. Und 180 mal das Bedürfnis, es endlich hinauszuschreien! Die Jüngsten sind um 70, die Ältesten über 80. Und ausnahmslos alle wirken viel, viel jünger. Sie sind lebendig. Intensiv. Mitreißend.

Da ist Irmgard Konrad, 79, einst interniert als Kommunistin und „Halbjüdin“, jetzt angereist mit Sohn und Tochter aus Dresden, Bruder und Schwägerin aus Frankreich. Sie sagt: „Auschwitz und Ravensbrück haben mich nicht soviel gekostet wie das Stern-Tragen zuvor.“ Und: „Ohne meinen Fritz hätte ich das gar nicht durchgehalten.“ Ihren Fritz hat sie danach geheiratet. Er war „Arier“ und hat zu ihr gehalten.

Man kann nicht miteinander reden –
nur miteinander weinen

Da ist Käthe Katzenmeier, heute Benediktinerschwester Theodolinde, die als junge Lehrerin von ihrem Direktor denunziert und wegen „defätistischer Äußerungen“ und „Zersetzung weiter Teile der Bevölkerung“ zum Tode verurteilt und nach Ravensbrück verschleppt wurde. „Ich war froh, im KZ zu sein – da gehörte ich hin!“, sagt die resolute Schwester. Die Zwangsarbeiterin im Siemens-Block ist noch heute stolz auf ihren Widerstand: „Wir haben sabotiert, das ist doch klar. Elftes Gebot: Du sollst dich nicht erwischen lassen.“ Doch unter dem forschen Ton ist ein abgründiger Schmerz zu spüren. „Neben mir ist eine Elfjährige vor Erschöpfung mit dem Kopf auf die Stanzplatte gefallen – durchgestanzt. Auch ich habe viele Schläge gekriegt, bin gedemütigt und kaputtgemacht worden. Aber ich habe mir gesagt: Die kriegen mich nicht!“

Da ist Nina Lastewskaja, die Journalistin aus Moskau, die als 15jährige im Haushalt einer SS-Familie zwangsarbeiten mußte. „Eine kultivierte Familie, die spielten sogar Klavier. Aber ich habe immer nur geweint, ich wollte nach Hause. Da haben sie mich abholen lassen...“

Da ist Johanna Krause aus Dresden, einst interniert als Jüdin und heute liebevoll begleitet von zwei studentischen Betreuerinnen. Die extravagant gekleidete Johanna sieht aus wie eine Schwester von Else Lasker-Schüler, doch ihre Augen... Über Ravensbrück mag Johanna kaum reden... Die Mutter wurde in Theresienstadt ermordet.

Da ist Schoschanna Platschek aus Stuttgart, gekommen mit ihrer Mutter aus Ungarn, die als Jüdin in Ravensbrück interniert war. Die Mutter wirkt ruhig, die Tochter ist außer sich. „In Stuttgart schicken sie mir anonyme Seifenstücke zu und legen Zettel bei mit der Aufschrift: Das ist deine Zukunft.“

Da ist Ilse Stephan, weder Jüdin noch im Widerstand. Die Frau aus Löningen, die in jedem Supermarkt nebenan in der Schlange stehen könnte, hat sich 1944 ganz einfach geweigert, in einer Munitionsfabrik zu arbeiten. Ab nach Ravensbrück.

Da ist Jacqueline Pery, die in der Resistance gekämpft hat. Die Pariserin trägt ein elegantes Seidenkleid und dezenten Schmuck, darunter zeichnet sich ein Körper ab, der heute so ausgemergelt ist wie einst. Für Bettina Flitner, die sie nach einem längeren Gespräch auf dem Lagergelände porträtiert, posiert sie würdevoll – und währenddessen strömen ihr plötzlich die Tränen übers Gesicht. Tonlos.

Sinaida Shidko, Krankenschwester der Roten Armee und Ex-KZ-Häftling, 50 Jahre danach. © Bettina Flitner
Sinaida Shidko, Krankenschwester der Roten Armee und Ex-KZ-Häftling, 50 Jahre danach. © Bettina Flitner

Und da ist Sinaida Shidko, die Rotarmistin. Wir unterhalten uns lange und herzlich, in welcher Sprache auch immer. Sinaida trägt ein offenes, selbstbewußtes Lächeln, weißes Haar, ein schwarzes Kostüm, und die Brust über und über mit Orden bedeckt. Die russische Krankenschwester war ab März 1943 der Häftling Nummer 18593. Sie gehörte zu denen, die wenige Wochen vor der Befreiung auf den berüchtigten Todesmarsch geschickt wurden, den nur wenige überlebten. Sinaida legt den Arm um mich und besteht darauf, daß wir zusammen fotografiert werden. Dann tauschen wir Adressen aus. Es werden überhaupt viele Adressen ausgetauscht in diesen Tagen.

Viele der Frauen kennen sich. Bei der Begrüßung sagen sie sich als erstes ihre Nummer – die auf den Arm tätowierte Erkennungsmarke der Nazis, bei vielen auch heute sichtbar. „Wir Ravensbrückerinnen“ sagen sie, als seien seither nur ein paar Tage vergangen und nicht 50 Jahre. Ravensbrück überschattet alles, was vorher war – und was danach kam.

Nach intensiven Stunden im Begegnungszelt schwirrt uns der Kopf. Wir gehen raus, Richtung Lager. Denn alle Orte, an denen wir uns bisher aufgehalten hatten, lagen noch vor der Mauer. Das eigentliche Lager steht nicht mehr. Das Tor ist weg, die Baracken sind eingerissen. Aber der Todesgang, in dem die Menschen erschossen wurden, ist noch da. Auch der Appellplatz. Und die staubige Erde, auf die so viele Tränen und so viel Blut geflossen sind.

Es wird immer heißer. Unter ein paar schiefen Bäumen am Rand des alten Appellplatzes sitzt eine Gruppe von Polinnen, erkennbar an den polnischen Farben ihrer Halstücher. Sie hocken auf Klappstühlen und schwatzen. Als wir dazutreten, stocken sie – aber dann beginnen sie zu erzählen: Wir sind nicht zum ersten mal da. Am Anfang haben wir nur geweint, aber jetzt... Am schlimmsten waren die Winter, nichts zu essen und nur Frost. „Ich“, sagt Sofia Jagielska, „ich habe erst gepflastert und dann pelzgefütterte Uniformen für die SS genäht. Selbst bin ich fast erfroren.“ Die Frau neben Sofia sagt lange nichts. Sie läßt den Blick über das Gelände schweifen. Und dann spricht sie wie in Trance: „Ihr seid keine Menschen... Ihr seid Mistviecher...“ In Polen treffen sich die Frauen regelmäßig im „Club Ravensbrück“.

Wir gehen weiter und treffen zwei Frauen aus Israel. Die eine schweigt. Die andere redet ohne Unterlaß: „Ich sehe das alles vor meinen Augen... Da war unsere Baracke. Und hier der Appellplatz. Und da...“ Wir hören zu. Irgendwann öffnet auch die eine zögernd die Lippen: „Sie redet und redet“, sagt sie, mehr vor sich hin als zu uns. „Aber ich will nicht reden. Sonst kommen wieder die Träume, die ganze Nacht.“

Das Gelände ist leer. Nur vereinzelt gehen Frauen durch den Staub, meist Arm in Arm. Zwei Ravensbrückerinnen. Mutter und Tochter. Ein Ex-Häftling mit Betreuerin. Oder auch eine Frau allein, unerträglich allein.

taz-Reporterin Gabriele Goettle mokiert sich über die „wohlsituierten Französinnen“

Am nächsten Tag drängen sich Tausende auf dem Gelände (darunter wohl Gabriele Goettle, von der noch die Rede sein wird). Eine Tribüne ist aufgebaut, Hunderte Stühle sind aufgestellt, Fotoapparate klicken, Kameras surren. Ich sitze neben der Moskauer Journalistin von gestern, hinter mir eine Gruppe Französinnen. Auf der Tribüne wird Deutsch gesprochen. Meine gewisperten Übersetzungen werden durch ein harsches „Ruhe!“ gemaßregelt.

Auch 50 Jahre danach herrschen im Lager und um das Lager herum deutsche Ruhe und deutsche Ordnung. Alles ist abgesperrt. Polizisten mit Wachhunden. Kreisende Hubschrauber. Eine Frauen-Soli-Gruppe, angereist aus Wuppertal, wird gar nicht erst reingelassen.

Beim Verlassen des Lagergeländes spricht mich ein älterer Mann an. Er stellt sich vor: Werner Köpke aus Fürstenberg. Fürstenberg? Ich zucke zusammen. Aber nein – auch er war im Lager. Zunächst als Lehrling, der mit Zwangsarbeitern arbeiten mußte. Dann als Häftling. Grund: der damals 17jährige hatte Mitleid gehabt. Er hatte den Zwangsarbeitern schon mal was zu Essen zugesteckt oder einen Brief rausgeschmuggelt. Seither ist Werner Köpke zu 80 % Invalide und hat ein Loch in der Lunge. Über die Zeit im Lager will er nicht sprechen. „Das Schlimmste waren die Verhöre...“ Und die anderen Fürstenberger? „Naja...“, sagt Werner Köpke. Doch immerhin: Inzwischen gibt es einen „Fürstenberger Förderverein“, der sich für die noch Lebenden und den Erhalt der Gedenkstätte einsetzt.

Die Lokalpresse hatte bereits im Vorfeld der Gedenktage breit berichtet, der „Oranienburger Generalanzeiger“ sogar eine Sonderausgabe gemacht. Da sind die überregionalen Medien zurückhaltender. Den Abend-TV-Nachrichten ist die Gedenkfeier in dem einzigen Frauen-KZ gerade mal einen Halbsatz wert. Immerhin die taz bringt zwei volle Seiten, aber was für Seiten... Titel: „Begangenheitsverwältigung“ – und ähnlich schnieke ist auch der Text. taz-Reporterin Gabriele Goettle hatte offensichtlich am Sonntag ein paar selektive Blicke aufs Geschehen geworfen. Gesehen hatte sie dabei vor allem spießig Deutschtümelndes sowie ein paar „wohlsituiert erscheinende Französinnen“ neben „bitterarm, gebrechlich wirkenden Ukrainerinnen“ (Die SS machte diese Klassenunterschiede nicht: für sie waren alle Untermenschen). Gesprochen hatte die Berichterstatterin nicht mit einer einzigen der 180 Ex-Häftlinge – dafür aber mit interessanten Männern in Begleitung von Romani Rose (dem Vorsitzenden des Zentralrates der Sinti und Roma). Über Spalten notierte Gabriele Goettle eifrig, was die Herren im Frauen-KZ zu sagen hatten, zum Beispiel dies: „Wir als Minderheit, wir haben keine mächtigen Männer, so wie die Juden, keinen Reichtum. Und einen Staat haben wir auch nicht, der für uns verhandelt.“

„Mächtige Männer“, „Reichtum“ und „einen Staat“ haben auch nicht alle Juden, auch wenn das antisemitische Klischee es gerne so darstellt. Und Frauen haben all das schon gar nicht. Dafür haben sie einen zusätzlichen Makel: ihr Frausein. Frauen sind eben nicht ernst zu nehmen, schon gar nicht als Opfer, noch nicht einmal als KZ-Opfer. Wenn überhaupt, sind Frauen höchstens als Täterinnen erwähnenswert, bzw. als „Mittäterinnen“, wie es im Szene-Diskurs so schön heißt. Und in der Tat fällt in den zwölf taz-Spalten über das Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück ganz am Schluß nur ein einziger Frauenname: der der Ravensbrücker KZ-Aufseherin Margot Kunz, die 1947 zu 25 Jahren Haft verurteilt und 1956 begnadigt worden war.

Es ist Tradition geworden, dass sie Blumen ins Wasser des Sees werfen. Für die Toten

Nach der so wortgewandten Gedächtnis-Veranstaltung gehen die Ravensbrückerinnen an den See, meist wortlos. Es ist zur Tradition geworden, daß sie Blumen für die Toten ins Wasser werfen. Ganz vorne, auf einer kleinen Landzunge, singt eine Gruppe israelischer Frauen und Männer hebräische Siegeslieder, angefeuert von einem die israelische Fahne schwenkenden jungen Mann (wenig später sehe ich denselben jungen Mann allein am See und mit abgewandtem Gesicht still weinen). Am Ufer sitzt mit derselben würdigen Schönheit wie gestern Sinaida Shidko und schaut ins Wasser. Und Irmgard Konrad gestikuliert am Denkmal mit Tochter und Sohn. Am Fuße des Mahnmals türmen sich Kränze aus aller Welt. Einer sticht mit seinen zarten weiß-lila Blüten besonders hervor: Er ist „Den lesbischen Opfern des Nationalsozialismus“ gewidmet, niedergelegt von einem aus Berlin angereisten „Bündnis lesbischer Frauen“. Homosexuelle Frauen waren in Ravensbrück nicht als solche interniert, sondern als „Kriminelle“, wegen angeblicher „Nötigung zur Unzucht“ oder „Prostitution“. Sie waren als „Asoziale“ besonders geächtet – gleichzeitig aber „verbreitete sich die lesbische Liebe wie eine Epidemie“, wie es in einer der Erinnerungen heißt. An diesem Tag aber löst die Hommage an die lesbischen Frauen kein Befremden, sondern nur zustimmendes Kopfnicken aus, vor allem bei den Ex-Häftlingen.

In dem Moment kommt aufgeregt Fotografin Flitner auf mich zugelaufen. Sie hat sich mit einem deutschen Kollegen gestritten, der sie bei seinem Kampf um die beste „Schußposition“ von hinten gestoßen und gerempelt hat. Ganz plötzlich fängt auch sie an zu weinen. Es ist einfach zuviel. Zuviel für uns beide.

Langsam gehen wir Richtung Ausgang. Von weitem winkt uns Sinaida zu. Und Irmgard ruft: „Meldet euch wieder. Und – vergeßt uns nicht!“ Wie sollten wir.

ALICE SCHWARZER

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