Frauen wählten schwarz + grün

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Dass die „Alternative für Deutschland“ keine Alternative für Frauen ist, ist keine große Überraschung. Spätestens seit der Afd-Facebook-Aktion „Ich bin keine Feministin, weil…“ und der Nominierung der Abtreibungsgegnerin Beatrix von Storch auf einen Spitzen-Listenplatz war klar, dass Bernd Luckes Anti-Euro-Partei einen satten Männer-Überschuss einfahren würde.

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So machten denn auch neun Prozent der Männer (und nur fünf Prozent der Frauen) ihr Kreuzchen bei der Anti-Euro-Partei, die quasi ausschließlich von Bernd Lucke und Hans Olaf Henkel repräsentiert wird. Der größte Gender Gap der AfD ist in der Gruppe der Jungwähler zu verzeichnen: Jeder zehnte junge Mann zwischen 18 und 29 Jahren wählte die AfD, aber nur jede zwanzigste junge Frau.

Was die AfD für die jungen Männer, sind die Grünen für die jungen Frauen. Hier wählt jede fünfte (21%) die Pro-Umwelt (und Pro-Prostitutions)-Partei – aber nur jeder siebte Mann (13%).  

Auch bei dieser Wahl setzt sich ein relativ neuer Trend fort: Die CDU ist mit 27 Prozent auch diesmal bei den Frauen der jungen Altersgruppe die meist gewählte Partei. Dieses Phänomen konnte frau zum ersten Mal bei der Bundestagswahl 2009 beobachten. Nachdem die jungen Frauen den Konservativen traditionell die Gefolgschaft verweigert hatten, wählten sie nach Merkels erster Legislaturperiode – in der Familienministerin von der Leyen Elterngeld und Krippenausbau durchgesetzt hatte - mehrheitlich die Kanzlerinnen-Partei.

Bei den Frauen ab sechzig ist die Union ohnehin unangefochten. 45 Prozent der Wählerinnen dieser Altersgruppe stimmten für die Merkel-Partei – und nur 40 Prozent der gleichaltrigen Männer.

A propos Männer: Wo stecken also die jungen Männer? Bei den „Sonstigen“, den Splitterparteien von NPD bis Piraten. Jeder fünfte Wähler unter 29 verweigert sich den etablierten Parteien. Mit 20 Prozent Stimmen sind die „Sonstigen“ in dieser Altersgruppe, zusammen mit der SPD, also quasi zweitstärkste Partei.  

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Wissen die Britinnen, was sie verlieren?

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Spielt die EU eigentlich eine Rolle bei der Frauenpolitik der Mitgliedsländer?
Uta Klein: Ja, auf jeden Fall! Allerdings kommt es darauf an, welches Niveau an Gleichstellung die Länder schon haben. In den skandinavischen Ländern zum Beispiel gab es ja früher mehrere Volksentscheide gegen einen EU-Beitritt. Es liegt die Vermutung nahe, dass besonders Frauen dagegen gestimmt haben, weil sie Angst hatten, dass ihr hohes Gleichstellungsniveau durch den Beitritt zur EU wieder gesenkt wird. Wenn wir aber auf Deutschland schauen, hat sich die EU sehr positiv ausgewirkt. 

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Wie zum Beispiel?
Wir haben zum Beispiel das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) der EU zu verdanken. Vier Antidiskriminierungs-Richtlinien der EU haben dafür gesorgt, dass in Deutschland 2006 endlich dieses so genannte Antidiskriminierungsgesetz in Kraft getreten ist.  

Das Gesetz verbietet die Benachteiligung von Menschen aufgrund ihres Alters, ihrer ethnischen Herkunft, Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung – und ihres Geschlechts und ihrer sexuellen Orientierung. Dagegen hatte sich die deutsche Wirtschaft lange gesträubt.
Genau. Aber auch die Regierung hatte sich gesperrt, weil das Konzept eines „Antidis­kriminierungsrechts“ für Deutschland ganz ­ungewohnt war. Aber die EU-Richtlinien mussten in nationales Recht umgesetzt werden. Denn Richtlinien sind quasi Gesetze auf EU-Ebene. Ein anderes Beispiel ist die so ­genannte Unisex-Richtlinie vom Dezember 2004, die dafür gesorgt hat, dass es seit 2012 keine unterschiedlichen Versicherungstarife mehr für Frauen und Männer geben darf. 

Wer erlässt denn die Richtlinien?
In den meisten Fällen der Rat der Europä­ischen Union und das EU-Parlament gemeinsam. Deshalb ist es auch so wichtig zu wählen, denn wir als EU-BürgerInnen wählen unsere Vertretung für das Parlament. Im Europäischen Rat sitzen die Fachministerinnen und -minister der einzelnen Regierungen. Der Erfolg der EU-Gleichstellungspolitik ist also immer auch abhängig von den Regierungskonstellationen in den Mitgliedsländern. 

Wer ergreift denn überhaupt die Initiative für eine solche Richtlinie?
Die EU-Kommission. Sie besteht aus 28 Kommissarinnen und Kommissaren aus je einem Mitgliedsland. Er oder sie ist jeweils für ein Ressort zuständig. Die Kommission überwacht ­einerseits, ob die Mitgliedsländer das EU-Recht auch umsetzen. Mit ihrem Initiativrecht unterbreitet sie aber auch Gesetzentwürfe. Je nach Besetzung kann also die Kommission ein Motor der Gleichstellungspolitik sein. Ein Beispiel dafür war der Vorstoß von Justiz-Kommissarin Viviane Reding zur Frauenquote. 

Wie kommt es eigentlich, dass die EU-­Gesetze in Sachen Gleichstellungspolitik meist so fortschrittlich sind? 
Viele dieser progressiven Richtlinien oder auch andere Maßnahmen werden aus ökonomischen Interessen verabschiedet. Ein schönes Beispiel dafür ist der allererste Artikel der EU, damals noch Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, zu Gleichstellungsfragen: Artikel 1.19 zur Lohngleichheit, der schon in den Römischen Verträgen von 1957 steht. Weshalb ist der da reingekommen? Weil damals von den sechs Gründerstaaten nur Frankreich das Lohngleichheitsgebot in der Verfassung stehen hatte und argumentierte: „Wenn nur wir uns daran halten, ist das für uns ein Wettbewerbsnachteil!“ Mit diesem Argument wurde die ­gleiche Bezahlung für Männer und Frauen in den Vertrag aufgenommen. Für die reale Umsetzung des Artikels hat man dann ­allerdings nicht besonders viel getan.

Das ökonomische Interesse allein kann es also nicht sein.
Stimmt. Die EU ist ja durch die frühen Mitgliedsländer geprägt, dazu gehören eben auch Dänemark seit 1973 oder ab 1995 Schweden und Finnland, also die besonders fortschrittlichen skandinavischen Länder oder die ­Niederlande. Hinzu kommt, dass die frauen­politischen Akteurinnen auf EU-Ebene immer schon höchst erfolgreich waren. Meine Kollegin Alison Woodward spricht vom sogenannten „Velvet Triangle“ der EU-Gleichstellungspolitik. Dieses „samtene Dreieck“ besteht an der einen Ecke aus den ­Aktivistinnen der Frauenbewegung, die sich schon in den 70er Jahren auf EU-Ebene eingemischt haben. NGOs haben auf der europäischen Ebene große Einflussmöglichkeiten. An der zweiten Ecke des Dreiecks sind die „Femokratinnen“, die „feministischen Bürokratinnen“, die vormals frauenpolitisch engagiert waren und jetzt in den EU-Institu­tionen sitzen. Und die dritte Ecke bilden die feministischen Wissenschaftlerinnen, die einen wichtigen Think Tank für die Politik darstellen. Und dieses Dreieck ist auf der EU-Ebene enorm effizient. Die European Women’s Lobby zum Beispiel, der Dachverband der Frauenorganisationen, hat sowohl einen kurzen Draht zur EU-Kommission als auch einen Sitz im Gleichstellungsausschuss des EU-Parlaments. Aus meiner Sicht ist die Gleichstellungspolitik ganz klar der erfolgreichste Teil der EU-Sozialpolitik. 

Welche Sanktionen hat die EU denn zur Verfügung, wenn ein Land eine Richtlinie nicht fristgemäß umsetzt? Wie zum Beispiel Deutschland, das mit der Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels ­inzwischen über ein Jahr im Verzug ist.   
Dann verlangt die Kommission als Hüterin der europäischen Gesetzgebung zunächst eine Stellungnahme von der säumigen ­Regierung. Der nächste Schritt ist eine Mahnung, danach eine Fristsetzung. Und wenn dann immer noch nichts passiert, leitet der Europäische Gerichtshof ein „Vertrags­verletzungsverfahren“ ein. Er kann dann Buß- oder Zwangsgelder festlegen.

Auch der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat mit seinen Urteilen immer wieder entscheidende Impulse gegeben. 
Ja! Denken wir zum Beispiel an die Klage von Tanja Kreil für die uneingeschränkte Zulassung von Frauen zur Bundeswehr. Die Energieelektronikerin hatte sich vor dem Verwaltungsgericht Hannover ganz gezielt darauf berufen, dass der Ausschluss der Frauen vom Dienst an der Waffe gegen EU-Recht verstößt. Und das Gericht hat daraufhin den ­Europäischen Gerichtshof gebeten, sich zu dieser Frage zu äußern – das ist ein so genanntes „Vorabentscheidungsverfahren“. Der EuGH hat schließlich im Januar 2000 erklärt, dass der Ausschluss von Frauen tatsächlich gegen EU-Recht verstößt. So musste sich die Bundeswehr für Frauen öffnen. Wir können aber auch noch weiter zurück gehen: In den 80er Jahren, also zu Kohls Zeiten, musste Deutschland die Rechtsstellung für Teilzeitbeschäftigte deutlich verbessern. Da gab es zum Beispiel 1986 das Urteil des EuGH zu den sogenannten Bilka-Frauen. Die Verkäuferinnen hatten geklagt, weil sie von der betrieblichen Altersvorsorge ausgeschlossen waren. Der Gerichtshof ist also schon lange immer wieder ein starker Motor für die Gleichstellung. 

Nochmal zurück zu den Frauen in der Armee. Polen zum Beispiel hat erst 2010, also zehn Jahre nach dem Kreil-Urteil, Frauen in seinen Streitkräfte zugelassen. Wie kann das sein?
Weil es keine EU-Richtlinie gibt, in der steht: Bis zu einem bestimmten Termin müssen die Streitkräfte aller EU-Mitglieder für Frauen geöffnet sein. Hätte in Polen aber eine Frau geklagt, hätte sie auf jeden Fall Recht bekommen.

Nun gibt es in der EU auch Länder wie Polen oder Irland mit einem extrem restriktiven Abtreibungsrecht oder Malta, das bis 2011 die Ehescheidung verboten hatte. Kollidieren diese Gesetze nicht mit EU-Recht?
In bestimmten Bereichen hat die EU nicht das Recht einzugreifen. Das sind die sogenannten „Home Issues“ („Heimangelegenheiten“) der Mitgliedsländer. Dazu gehören viele Bereiche des Familienrechts, die immer noch als genuiner, an Traditionen gebundener Gesetzesbereich der Mitgliedsstaaten betrachtet werden. Da kann es, wie übrigens auch bei der Gewalt gegen Frauen, Empfehlungen oder Aufforderungen geben. Mehr nicht. Die EU kann auch nicht das Ehegattensplitting im deutschen Steuersystem verbieten oder die Systematik der Sozialversicherungssysteme vorschreiben. Zum Beispiel die vom Mann abgeleitete Witwenrente, die ja auf einem traditionellen Geschlechterbild beruht und das man in Skandinavien gar nicht kennt. Da kann die EU nur durch ­politischen Druck etwas verändern. Und sie hat das Splitting ja schon als kontraproduktiv für die Gleichstellung der Geschlechter kritisiert. Bisher leider ohne Erfolg.  

Es gibt aber doch eine Tendenz, die Kompetenzen der EU gegenüber den Ländern auszudehnen.
Ja, die Kompetenzen weiten sich aus. Am Anfang, ab 1957, gab es zunächst nur deklamatorische Äußerungen auf dem Papier, wie eben die Lohngleichheit. Erst ab Mitte der 1970er Jahre tut sich dann was, weil sich da die Zweite Frauenbewegung auswirkt. So hat zum Beispiel eine EU-Richtlinie schon 1976 die Quote legitimiert! Die dritte Etappe ­beginnt in den 1990er Jahren, da wird das sogenannte Gender Mainstreaming als ­Strategie verankert, und der frauenpolitische Einfluss verstetigt sich. 1999 wird im Amsterdamer Vertrag Gleichstellungspolitik als Gemeinschaftsziel festgelegt. Und ab 2000 gibt es einen immensen Paradigmenwechsel: Bis dahin haben sich die EU-Richtlinien zur Gleichstellung auf den Bereich Arbeitsmarkt und Beschäftigung beschränkt. Die Unisex-Richtlinie 2002 hat das Gleichstellungsthema zum ersten Mal auf private Güter und Dienstleistungen erweitert. Und durch die Antidiskriminierungsrichtlinien ist der Schutz vor Diskriminierung über das Geschlecht ­hinaus ausgedehnt worden.

Auch das EU-Parlament kritisierte schon 1994 die Diskriminierung von Homosexuellen, gerade hat es Prostitution als Verstoß gegen die Menschenwürde verurteilt.
Das ist richtig. Hier befinden wir uns im Bereich des „Soft Law“. Das sind sozusagen Normvorgaben, die aber rechtlich nicht bindend sind. Die EU arbeitet hier mit dem Prinzip „Blaming and Shaming“. In EU-Publikationen wird zum Beispiel aufgeführt, in welchen Mitgliedsstaaten es Nachholbedarf gibt. Wenn das bei einem Land häufig der Fall ist, erzeugt das durchaus einen gewissen Druck auf Regierungen. Ein sehr gutes Beispiel dafür ist der Ausbau der Kinderbetreuung. Deutschland hatte den Ausbau der Kinderbetreuung ja komplett verschlafen. Die EU hatte aber Ziele vereinbart: Bis 2010 sollte es für 33 Prozent der Kinder unter drei Jahren und für 90 Prozent der Drei- bis Sechsjährigen einen Betreuungsplatz geben. Daran kann man sehen, dass die EU auch mit den sogenannten „Soft Laws“ eine große Wirkung erzeugen kann. 

Aktualisierte Fassung vom 24. Juni 2016

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