Hat sie wirklich NEIN gesagt?
Die Gesetzesänderung ist überfällig. Schon 2011 hatte Deutschland sich zur Anpassung an die EU-Standards verpflichtet, die Gesetzesänderung ist also seit fünf Jahren überfällig. Kommt es wie erwartet, wird der Bundestag am 7. Juli die Reform des Vergewaltigungs-Paragraphen verabschieden, nach dem in Zukunft nicht nur der aktive Widerstand der Opfer zählt, sondern auch sein Wille. Es soll dann genügen, dass das Mädchen, die Frau NEIN gesagt hat. Kommt es trotzdem zu sexuellen Handlungen, ist es eine Vergewaltigung.
Nein heißt Nein - das war lange nicht selbst-
verständlich
Das ist doch selbstverständlich? Oh nein. Denn bisher war das nicht so. So hatte zum Beispiel der Bundesgerichtshof 2006 eine Verurteilung wegen Vergewaltigung aufgehoben mit der Begründung: „Dass der Angeklagte der Nebenklägerin die Kleidung vom Körper gerissen und gegen deren ausdrücklich erklärten Willen den Geschlechtsverkehr durchgeführt hat“, belege „nicht die Nötigung des Opfers durch Gewalt. Das Herunterreißen der Kleidung allein reicht zur Tatbestandserfüllung nicht aus.“
Es gibt Menschen in Deutschland, die der Meinung sind, dass es dennoch nicht nötig ist, das Gesetz zu ändern. So zum Beispiel die ZEIT-Journalistin Sabine Rückert, die kurz vor Verabschiedung eine Philippika gegen die beabsichtigte Reform schrieb (und bekannt geworden war durch ihre vehemente Parteinahme pro Jörg Kachelmann und Vorverurteilung des mutmaßlichen Opfers schon Monate vor Eröffnung des Prozesses).
Rückert schreibt allen Ernstes, durch das Eintreten für eine Reform des § 177 würde „die Sexualität an sich (…) in die Nähe des Verbrechens gerückt“. Denn: „Was leidenschaftliche Liebesnacht und was Vergewaltigung war, definiert die Frau am Tag danach. Die Folge: Bei den Sexualpartnern zieht das Misstrauen ein.“
Zurück zur Realität. Jüngst veröffentlichte das Kriminologische Institut Niedersachsen (KFN) erschütternde Zahlen. Demnach ist vor 20 Jahren in Deutschland noch knapp jeder vierte der einer Vergewaltigung Beschuldigte verurteilt worden, heute ist es nur noch jeder zwölfte – und in manchen Bundesländern sogar nur jeder 25.
Dass die Bereitschaft zu verurteilen so extrem schwankend ist, liegt nach Auffassung des Kriminologen Christian Pfeiffer auch an den Vernehmungsmethoden der Polizei. Wird die Aussage eines mutmaßlichen Opfers auf Tonband oder gar Video registriert, steigt die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung, weil eine direkte Aussage des Opfers überzeugender ist. Bei einer durch den vernehmenden Polizisten verschriftlichten – und in seine Worte gefassten – Aussage hingegen werden die Schilderungen des Opfers nicht selten verwässert oder gar verfälscht. Also wird entsprechend weniger verurteilt. Der Kriminologe plädiert darum nicht nur dringlich für die Gesetzesänderung Nein-heißt-Nein!, sondern auch für bessere Vernehmungsmethoden.
Wird man nicht mehr zwischen Liebes-
nacht & Verge-
waltigung unter-
scheiden?
Auch bei einem Nein-heißt-Nein-Gesetz bleibt die Frage der Glaubwürdigkeit der Opfer. Denn gerade bei Sexualdelikten steht ja fast immer Aussage gegen Aussage. Und da kann es auch passieren – wie im Fall Gina-Lisa Lohfink –, dass eine Frau zwar unüberhörbar Nein! gesagt hat, bzw. „Hört auf!“ – dass RichterInnen jedoch dieses Nein dennoch anders werten (In dem Fall: Vielleicht hat sie es ja gar nicht so gemeint – und wollte nur nicht während der Sexualakte mit zwei Männern auch noch gefilmt werden). Alles steht und fällt also weiterhin mit der Glaubwürdigkeit der Opfer.
Die Verabschiedung des Nein-heißt-Nein-Gesetzes wäre also nur ein erster Schritt.